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Masterstudiengang Kriminalistik
Von Cyber-Crime bis Vernehmungstechnik

Die Arbeit von Kriminalbeamten wird immer komplexer. Darum können sich berufserfahrende Polizisten an der Ruhr-Uni Bochum in einem zweijährigen Master in Kriminalistik weiterbilden. Berufsbegleitend können die Beamten so die Voraussetzung zum Höheren Dienst erlangen. Die Kosten müssen die Studierenden allerdings noch selbst tragen.

Von Klaus Deuse |
    Der Kriminalbeamte Reinhard Gerstner sieht sich am Montag (09.07.2012) in der Keithstra
    Ein Kriminalbeamter bei der Arbeit (Florian Schuh)
    Viele Kriminalpolizisten, stellte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) jüngst nüchtern fest, fühlten sich in ihrer Arbeit nicht mehr ausreichend für neue Kriminalitätsphänomene gewappnet. Eine für Thomas Feltes, Professor für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum, keineswegs neue Einschätzung.
    "Irgendwann in den letzten Jahren hat sich das Thema insofern verfestigt, als immer mehr Klagen auch aus der Praxis kamen, von Berufsverbänden kamen, dass die Ausbildung der Kriminalpolizisten nicht mehr den Anforderungen entspricht, wie wir sie heute haben."
    Thomas Feltes nennt einen der maßgeblichen Gründe für die Überforderung im polizeilichen Alltag:
    "Es gibt viele Kriminalisten, die nach einer Tätigkeit bei der Schutzpolizei relativ unvorbereitet zur Kriminalpolizei kommen."
    Darum hat der renommierte Polizeiwissenschaftler zusammen mit dem Bund Deutscher Kriminalbeamter diesen berufsbegleitenden, zweijährigen Masterstudiengang entwickelt, bei dem es vor allem darum geht, "tatsächlich die Kriminalpolizeibeamtinnen und –beamten, die erst relativ kurz in ihrem Beruf tätig sind, die wissenschaftlich weiter zu qualifizieren."
    Vermittelt wird das Rüstzeug in einem Fernstudium mit interaktiven Studienbriefen, Chats und Diskussionsforen mit den Dozenten sowie Online-Klausuren. Zu den Dozenten gehören Kriminologen, Soziologen, Juristen und Psychologen. Aber auch Geografen, denn in der Praxis spielen bei der Ermittlung auch geografische Kriminalitätsanalysen eine Rolle. Letztlich, so Thomas Feltes, versucht man, mit diesem Studiengang die wissenschaftliche Kriminalistik voranzubringen. Denn zum einen liege die Ausbildung vieler Kriminalbeamter schon Jahre zurück.
    Hochschulabschluss und ein Jahr Berufserfahrung Voraussetzung
    "Und zum anderen ist die neue Bachelor-Ausbildung in der Polizei natürlich in dem relativ kurzen Zeitraum und in der Breite, wie sie angelegt ist, nicht dazu geeignet eben Schwerpunkte zu setzen. Und Cyber-Crime und IT-Kriminalität oder auch, was wir anbieten werden, der Umgang mit Vernehmungen, das sind alles Punkte, die werden angerissen in der Grundausbildung."
    Voraussetzung für den Studiengang sind ein Hochschulabschluss und eine mindestens einjährige Berufstätigkeit. Der zeitliche Aufwand dieses Studiums beträgt bis zu 15 Stunden in der Woche. Neben der beruflichen Tätigkeit. Auf dem Programm stehen unter anderem neueste Vernehmungstechniken - nicht nur in Form theoretischer Wissensvermittlung.
    "Wir werden das auch einüben. Es wird auch darum gehen zum Beispiel Interviews oder Vernehmungen mit Kindern oder mit geschädigten Frauen von Sexualstraftätern zu führen. Das alles kann in der polizeilichen Ausbildung nicht vertieft werden. Auch in der polizeilichen Fortbildung wird das nur selten angeboten und hier wollen wir unsere Studierenden soweit vorbereiten, dass sie tatsächlich in ihren Vernehmungen optimal arbeiten, das auch optimal dokumentieren, um dann eben hinterher fürs Strafverfahren eine möglichst gute Vorbereitung zu haben."
    Polizeiaufgaben werden immer komplexer
    Dass Bedarf an einem solchen Weiterbildungsstudium besteht, bestätigen Polizeipraktiker wie Irene Mihalic, die Sprecherin für Innere Sicherheit der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die selbst auf eine langjährige Tätigkeit bei der Polizei zurückblickt:
    "Ein Schwachpunkt ist sicherlich, dass aufgrund der Vielzahl polizeilicher Aufgaben, auf die die Ausbildung die Beamten ja schließlich vorbereiten soll, nicht alle Ausbildungsinhalte bis in die Tiefe behandelt werden können. Es wird ja lediglich ein theoretischer Unterbau geschaffen."
    Der aber kaum genügt, um in der Praxis allen Herausforderungen gewachsen zu sein, sagt Irene Mihalic:
    "Denn die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wird ja immer komplexer und auch zunehmend anspruchsvoller. Und da ist auch immer mehr spezielles Wissen tatsächlich erforderlich. Das kann natürlich eine langfristig geplante, eine langfristig angelegte Ausbildung kaum auffangen. Und deshalb ist auch eine laufende Fortbildung in diesem Bereich unerlässlich."
    4.000 Euro Gebühren aus eigener Tasche
    Und zu dieser spezialisierenden Fortbildung, sagt die Grünen-Politikerin Mihalic, könne der Studiengang an der Universität Bochum einen Beitrag leisten. Dafür gibt es allerdings keinen Zuschuss vom Dienstherren. Die Gebühren in Höhe von 4.000 Euro müssen die Teilnehmer aus eigener Tasche zahlen. Offiziell erlangen die Studierenden mit dem Master einen Hochschulabschluss, im Prinzip also die Eintrittskarte für den Höheren Dienst. Bei der Polizei wird nach den Worten von Professor Thomas Feltes jedoch weiterhin vieler Orts nur derjenige aufgenommen, der die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster absolviert hat. Ein Abschluss in Bochum ist somit keine Garantie für einen schnellen Sprung auf der Karriereleiter nach oben. Trotzdem können die Absolventen davon ausgehen, dass sie bessere Aussichten haben:
    "Wenn sie sich auf andere Stellen bewerben, wenn sie auf Stellen gehen wollen, die ihrem beruflichen Wunsch entsprechen."
    Und auch besser besoldet werden. Reaktionen aus der Politik gibt es laut Thomas Feltes zwar noch nicht:
    "Aber wir haben Rückmeldungen aus der Praxis, auch von Polizeidirektionen und den Landeskriminalämtern, die das natürlich mit großem Interesse sehen. Weil sie eben auch wissen, dass die Qualifikation ihrer Kriminalisten entscheidend ist auch für den Erfolg der Kriminalpolizei und auch für den Erfolg des Ermittlungsverfahrens."
    Ermittlungen nach dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zum Abschluss zu führen und damit etwa Cyber-Kriminelle vor Gericht zu überführen, ist allerdings nicht allein Aufgabe der Polizei. Darum richtet sich dieser Studiengang auch an Juristen im Staatsdienst.
    Auch Juristen für den Master geeignet
    "Und bei der Staatsanwaltschaft ist eben schlicht und ergreifend so, sie muss das, was die Polizei ihr liefert an Ermittlungsergebnissen kriminalistisch bewerten können. Und da wollen wir einfach die Möglichkeit bieten, dass Staatsanwälte sich hier quasi fortbilden, um dann ihre Arbeit besser, aber auch schneller erledigen zu können."
    Die Initiatoren dieses Studiengangs blicken übrigens auch über den nationalen Tellerrand hinaus. Schließlich kennt auch des Verbrechen keine Grenzen. Und darum strebt Professor Thomas Feltes eine Kooperation mit den Universitäten in Wien und Lausanne an:
    "Um hier eben uns international zu vernetzen und auch den Studierenden die Möglichkeit zu geben, tatsächlich sich mit dem internationalen Bild der Kriminalistik zu beschäftigen, um hier auch gegebenenfalls für Tätigkeiten außerhalb von Deutschland bei Europol oder Interpol entsprechend vorbereitet zu sein."