"Mathematik ist, Rechnen durch Denken überflüssig machen." Davon ist Christian Hesse überzeugt und das tat der Mathe-Professor von der Uni Stuttgart im Deutschlandfunk auf lebendige Weise kund. Nur fällt es nicht jedem so leicht – das mit der Mathematik. Er habe die Erfahrung gemacht, sagte Hesse, der an der Eliteuniversität Harvard seinen Doktortitel gemacht hat, dass in der Grundschule Kinder eigentlich typischerweise Mathe mögen. Sie erkennen, dass alles "so schön aufgeht".
Mathe baut aufeinander auf
Wenn dann aber die weiterführende Schule komme, gehe dieses Gefühl häufig verloren. Das Tempo werde schneller, die Strukturen abstrakter, und insgesamt werde Mathe schwieriger - für einige so schwierig, dass sie den Anschluss verpassten. "Wenn man nicht am Ball bleibt, wenn man den Anschluss verliert in der Mathematik", so Hesse: "Kann man nicht mehr anknüpfen."
Das sei anders als in der Biologie, wo es vielleicht einige Stunden ums Eichhörnchen geht und danach ums Nilpferd. Da könne man wieder bei Null anfangen. "Wenn man aber die Zahlen nicht verstanden hat und später wird von Vektoren gesprochen, wird man auch die Vektoren nicht verstehen", führte Hesse aus, der 1991 Deutschlands jüngster Professor war. Insofern bauen die Dinge aufeinander auf. Für geplagte Eltern heißt das also: Frühzeitig den Mathe-Unterricht im Blick behalten. Und darauf achten, dass die Kinder mitkommen.
Schulfächer weniger voneinander abgrenzen
Hesse forderte, die Fächer in der Schule weniger scharf voneinander abzugrenzen, um den Mathe-Unterricht anschaulicher zu gestalten und von seiner häufig abstrakten Art wegzuführen. So könne man etwa im Biologie-Unterricht mathematische Inhalte einbauen, schlug der gebürtige Sauerländer vor.
Er schilderte das Vorgehen einer Ameisen-Art. Aus ihrem Bau machen sie sich auf die Suche nach Beute. Dabei laufen sie per Zufallsprinzip zickzack durch die Umgebung. Das führt sie zum Teil 500 Meter vom Bau weg. Wenn sie dann Beute gemacht haben, gehen sie auf geradem Weg zurück. Laut Hesse funktioniert das so, dass sie jede Richtungsänderung speichern. Und so eine Richtungsänderung entspricht einem Vektor. Vektorrechnung im Bio-Unterricht also. Ähnliches ließe sich im Musikunterricht umsetzen, so der 56-Jährige.
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