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Matschie verlangt Streichung der Eigenheimzulage

Friedbert Meurer: Eigentlich wollte die rot-grüne Koalition wieder in die Offensive kommen. Die Zeit der Belastungen sei vorbei, hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder unlängst geraunt. Stattdessen soll Geld investiert werden für Bildung und für Innovationen. Aber woher soll das Geld kommen? In dieser Woche werden die Ergebnisse der Steuerschätzung vorgelegt und dabei wird mit erheblichen Haushaltslöchern gerechnet. Und Bundesregierung und Koalition in Berlin machen nicht den Eindruck, geordnet und abgesprochen vorzugehen. In der letzten Woche gab es ständig neue Ideen, Indiskretionen und gegenseitiges Gerangel im Regierungslager. Ziemlich unerfreulich für jemanden, der mitten im Wahlkampf steht, wie der SPD-Spitzenkandidat in Thüringen, Christoph Matschie. Er ist auch parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium. Guten Morgen Herr Matschie.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Christoph Matschie: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Ist der Versuch, mit dem Thema Innovation und Bildung wieder in die Offensive zu kommen, schon fast gescheitert?

    Matschie: Das ist nicht mein Eindruck. Jeder weiß, dass wir in Deutschland, wenn wir wirtschaftlich erfolgreich sein wollen, etwas tun müssen, um unsere Innovationskraft zu erhalten und wenn möglich, auch zu steigern. Wir haben eine Diskussion über die Bildungspolitik in Deutschland. Wir haben eine Diskussion darüber, wie wir unsere Hochschulen besser machen, wie wir sie international sichtbarer machen. Und wir haben eine Diskussion über Innovation in Forschung in Deutschland. Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg sind, auch wenn uns manche andere Probleme trotzdem plagen zu dieser Zeit.

    Meurer: Eine entscheidende Frage wird ja sein, woher soll das Geld kommen, um es in die Bildung zu investieren. Sparen oder Neuverschuldung, zu was raten Sie?

    Matschie: Also klar ist aus meiner Sicht zuallererst einmal, wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir in den nächsten Jahren wieder mehr Geld in die Bildung und in die Forschung stecken müssen. Das erfordert harte politische Entscheidungen. Ein Vorschlag dazu liegt auf dem Tisch: die Eigenheimzulage abzuschaffen. Bund und Länder setzen für die Eigenheimzulage jährlich rund 10 Milliarden Euro ein. Und in dieser gegenwärtigen Situation, wo wir alles daran setzen müssen, das Bildungssystem zu stärken, die Hochschulen zu stärken, die Forschungslandschaft auszubauen, ist aus meiner Sicht klar, vor die Frage gestellt, ist es wichtiger in Deutschland Eigenheime weiter zu fördern oder Bildung und Forschung, dass wir das Geld in Bildung und Forschung stecken müssen. Ich hoffe, dass die CDU da im Bundesrat mitzieht, bisher hat sie das nicht signalisiert.

    Meurer: Und sie wird es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht tun. Hinzu kommen jetzt die hohen Steuerausfälle. Also selbst mit ein paar Milliarden aus der Eigenheimförderung wird es kaum gelingen, sowohl den Haushalt abzudecken als auch noch zusätzliches Geld locker zu machen.

    Matschie: Zunächst müssen wir mal sehen, wie genau die Steuerschätzung ausfällt. Welche Perspektiven sich für das laufende Haushaltsjahr ergeben und für die nächsten Haushaltsjahre. Klar ist für mich die Reihefolge in der man da vorgehen muss. Man muss da, wo es noch Sparmöglichkeiten gibt, versuchen, die auszuschöpfen. Man muss an den anderen Stellen, wo Subventionsabbau....

    Meurer: Aber welche Sparmöglichkeiten gibt es noch?

    Matschie: Ja, der Haushalt ist schon sehr eng, da haben Sie recht. Aber man muss trotzdem sehen, wo man im Haushaltsvollzug noch Einsparungen hinbekommen kann. Man muss dann auf der anderen Seite noch mal die Debatte führen über den Subventionsabbau. Ich habe eben die Eigenheimzulage erwähnt, weitere Vorschläge sind ja von der SDP in der Vergangenheit schon gemacht worden. Ich denke, auch die Union muss hier über ihren Schatten springen. Die Steuerausfälle, die treffen ja nicht nur den Bund sondern auch die Länder. Und hier muss man versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Und nur, wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, denke ich, muss man, wenn das nicht reicht, dann auch bereit sein, die Verschuldung etwas auszuweiten.

    Meurer: Sie stehen mitten im Wahlkampf, Herr Matschie. Wie sehr hat es Sie geärgert, dass in Berlin kein Tag vergeht, ohne dass im Regierungslager selbst der eine sich mit dem anderen streitet?

    Matschie: Die Bundesregierung ist in einer schwierigen Situation wirtschaftspolitisch, finanzpolitisch. Das erfordert harte Entscheidungen. Da ist klar, dass nicht nur eitel Sonnenschein ist, auch in der Stimmung gegenüber der Bundesregierung. Aber es gibt auch Dinge, die aus meiner Sicht unnötig sind, wie beispielsweise die Debatte die gerade geführt worden ist um die Sparerfreibeträge. Das sind Dinge, wo ich sage, hier sollten die Verantwortlichen in der Bundesregierung zunächst sich intern abstimmen, bevor irgendwelche Vorschläge in die Öffentlichkeit kommen.

    Meurer: Spielt auch eine Rolle, dass die Regierung einen Zick-Zack-Kurs vorgibt, wenn sie jahrelang von Sparen gesprochen hat, um die Zukunft unserer Kinder nicht zu belasten und jetzt von einem finanzpolitischen Kurswechsel die Rede ist?

    Matschie: Ich sehe den finanzpolitischen Kurswechsel nicht. Aber ich sehe natürlich die enormen Schwierigkeiten die wir haben, aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren. Wir hatten drei Jahre Stagnation, wir haben ein schwaches Wachstum im Moment. Und eine Regierung muss auf die aktuelle Situation reagieren. Es bleibt richtig, wir müssen die öffentlichen Haushalte konsolidieren, wir müssen da, wo es möglich ist, sparen. Aber in der aktuellen Situation, vor die Frage gestellt, nehmen wir jetzt bei der Forschung das Geld weg, nehmen wir es bei den Investitionen weg, würde ich auch sagen, dann muss man einen anderen Weg gehen und aktuell auch in dieser Situation die Verschuldung ausweiten. Aber das langfristige Ziel der Haushaltskonsolidierung, das muss weiter verfolgt werden und sobald das Wachstum wieder kräftiger ist und die Steuereinnahmen kräftiger, muss dann wieder die Verschuldung zurückgefahren werden.

    Meurer: Würden Sie sich eine geradere Linie in Berlin wünschen, die den Leuten auch Orientierung gibt?

    Matschie: Aus meiner Sicht ist ja mit der langangelegten Politik der Agenda 2010 und der Maßnahmen die da drin sind, also Umorganisation und Neugestaltung in den Sozialsystemen bis hin zu der Frage Innovationspolitik, Ausbau unserer Bildungslandschaft und Forschungslandschaft eine langfristige Linie angelegt. Dass eine Regierung trotzdem auch immer wieder auf kurzfristige Entwicklungen reagieren muss, das ist doch selbstverständlich.

    Meurer: Aber es scheint ja so zu sein als würde die Agenda sozusagen eine Pause im Moment einmal einlegen.

    Matschie: Nein. Es gibt verschiedene Teile dieser Agenda. Die Reformen in den Sozialsystemen sind im Wesentlichen umgesetzt worden. Ein zweiter Teil und auch das war von Anfang an Bestandteil dieser Agenda, ist die Stärkung der Innovationskraft in Deutschland und darüber diskutieren wir gerade. Und ich sage auch an dieser Stelle noch mal deutlich, wir müssen in dieser Frage auch weiterkommen, wir müssen hier weiter investieren. Die Bundesregierung hat ja trotz schwieriger Haushaltslage in den letzten Jahren die Mittel für die Forschung und Bildung enorm aufgestockt. Allein für Forschung und Entwicklung haben wir in der Regierungszeit von Gerhard Schröder über eine Milliarde Euro oben draufgepackt. Das ist eine gewaltige Leistung, die muss aber auch fortgesetzt werden, wenn wir so forschungsstark und innovativ bleiben wollen.
    Meurer: Der thüringische SPD-Landesvorsitzende und parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium Christoph Matschie, heute morgen bei uns im Deutschlandfunk