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"Mauer zwischen Gaza und Ägypten ist schon gefallen"

Der Gesandte der Botschaft des Staates Israel in Berlin, Ilan Mor, hat die Raketenangriffe der Hamas auf den israelischen Ort Sderot verurteilt. Nach Ansicht Mors werden die Waffen über Ägypten in den Gazastreifen gebracht. Sie stammten aus Syrien und dem Iran. Mor bezeichnete es als "makaber", dass Israel, obgleich es Strom und Öl in den Gazastreifen liefere, von der palästinensischen Seite beschossen werde.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Im Gazastreifen und im Westjordanland haben die Spannungen zwischen der israelischen Armee und der radikal-islamischen Hamas weiter zugenommen. In den vergangenen Stunden wurden etwa 20 Palästinenser bei Kämpfen getötet. Zugleich setzte die Hamas ihre Raketenangriffe auf das israelische Grenzgebiet fort. Israels Verteidigungsminister Barak drohte mit einem Einmarsch in den Gazastreifen. Die Hamas rief die muslimische Welt zu Massenprotesten auf. Nach den Freitagsgebeten sollten die in Anführungszeichen "israelischen Massaker" bei Demonstrationen verurteilt werden, hieß es in einer Erklärung. Ilan Mor ist der Gesandte der Botschaft des Staates Israel in Berlin. Guten Morgen!

    Ilan Mor: Schönen guten Morgen!

    Heinemann: Herr Mor, Sderot , 70 Kilometer südlich von Tel Aviv gelegen, wird weiterhin mit Raketen aus Gaza beschossen. Woher kommen die Waffen?

    Mor: Die Waffen kommen aus Syrien, aus dem Iran. Sie werden nach Gazastreifen geschmuggelt. Und wenn Sie sich daran erinnern, die letzten Ereignisse, der Grenzübergang zwischen Gazastreifen und Ägypten wurde von Hamas überrannt und durch diese unkontrollierte Grenze konnten die Hamas-Leute die Terroristen, zahlreichen Waffenschmuggel hereinbringen. Und aufgrund dessen gibt es eine zunehmende Tendenz von Raketen gegen Israel.

    Heinemann: Das heißt, die Abriegelung des Gazastreifens ist nicht besonders sinnvoll, wenn nach wie vor Waffen dorthin gelangen?

    Mor: Wir sprechen über ein System von zahlreichem Tun, Wege, um Waffen weiter in den Gazastreifen zu schmuggeln. Die Siedlung, die Abriegelung von Israel hat seine Wirrungen auch von unserer Seite auch, aber auch von der Seite von Ägypten und die Tunnel sind zwei Elemente, in denen die Hamas in der Lage ist, weiter die Waffen schmuggeln zu können.

    Heinemann: Das heißt, die Abriegelung trifft vor allen Dingen Zivilisten, Frauen, Kinder, Familien, die Schwächsten der Gesellschaft, und trägt das nicht zu einer Radikalisierung dieser Gesellschaft bei?

    Mor: Zunächst einmal trifft diese Abriegelung ganz minimal die Bevölkerung. Wir versuchen, keinen Zivilisten mehr Leid herbeizuführen. Aber das ist komisch, wenn ein Land, diese humanitäre Hilfe leistet, Strom weitergibt, wird es von Terroristen, die dort leben, abgefeuert. Das ist komisch, sogar makaber. Wir werden alles daran setzen, um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden.

    Heinemann: Genau die ist eingetreten. Das sagt jedenfalls der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe John Holmes. Er spricht von trostlosen und elenden Lebensbedingungen seit der Blockade.

    Mor: Ich glaube nicht, dass die Situation so ist. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass die Situation sehr gut ist. Natürlich, die Wahrheit liegt wie immer dazwischen. Auf jeden Fall wird die israelische Regierung alles daran setzen, um diese Katastrophe, diese Beschreibungen zu vermeiden, und das machen wir. In den letzten zwei Wochen haben wir weiter Strom und Öl geliefert. Und während wir das gemacht haben, wurde Sderot beschossen. Das ist nicht weiter zu akzeptieren.

    Heinemann: Die Mauer zwischen Gaza und Ägypten ist schon gefallen oder wurde durchlässig, Sie habe gerade davon gesprochen. Wie würde Israel reagieren, wenn Bewohner des Gazastreifens aus eigenem Antrieb oder von der Hamas gesteuert versuchten, auch die Sperranlagen Richtung Israel zu überwinden?

    Mor: Wir werden alles daran setzen, um das zu vermeiden. Und die Leute wissen, dass, wenn es um das Hoheitsgebiet Israel geht, werden wir feststehen müssen, um das zu vermeiden.

    Heinemann: Und wenn die Hamas Schulkinder aktivierte, würden Sie auf Kinder schießen?

    Mor: Das ist genau, was wir immer wieder sagen. Die Kinder werden von Hamas, die Zivilisten werden von Hamas immer wieder benutzt gegen Israel, weil sie wissen, dass die Maßstäbe, die moralischen Maßstäbe Israels, sind total anders als die der Hamas, was wir noch mal sehen können. Und deswegen verschanzen sie sich hinter Zivilisten, Frauen, Kinder und andere, da sie wissen, dass die Israelis nicht sofort und nicht automatisch auf Zivilisten feuern möchten. Aber ich sage noch einmal, die werden alles daran setzen, um solche Ereignisse zu vermeiden.

    Heinemann: Herr Mor, vier Monate nach Annapolis, wie weit sind beide Seiten von einem Friedensabkommen entfernt?

    Mor: Ich schlage vor, man soll nicht mit einer Stoppuhr vor beiden Seiten stehen und die Zeit einfach so zeigen. Beide Seiten wissen, was zu tun ist. Sie machen das. Es ist gut, dass niemand weiß, was genau zwischen unserer Außenministerin Livni und Abu Allah gesprochen wird. Es ist gut so. Sie sprechen über alle Themen, über alle Themen, die für uns und die Palästinenser wichtig sind. Ich hoffe, dass am Ende des Jahres werden wir ein Abkommen schließen können. Es ist gut, dass die beiden miteinander so vertraulich sprechen können. Die Medien sind nicht dabei, die Israelis und die Palästinenser werden nicht regelmäßig Tag für Tag informiert. Es ist gut so. Wir sind dran. Die Verpflichtung für beide Seiten, die Annapolis zu uns gegeben wurde, werden umgesetzt.

    Heinemann: Der UN-Beauftragte für den Nahost-Friedensprozess Robert Serry kritisiert gleichwohl, dass Siedlungen im Westjordanland von Israelis ausgebaut werden. Das passt nicht zu dem, was Sie gerade gesagt haben.

    Mor: Die israelische Regierung muss die illegalen Außenposten im Westjordanland ausräumen. Das werden wir tun. Ich kann das ganz kategorisch sagen, dass neue Siedlungen werden nicht aufgebaut.

    Heinemann: Aber bestehende ausgebaut, das schon?

    Mor: Sehen Sie, es gibt dort Leute, es gibt dort Menschen, die leben müssen. Wir sprechen nicht, ob die Situation legal ist oder nicht. Es ist einfach tagtägliche Aktivität. Und dementsprechend, wenn es mehr Kinder gibt, muss man mehr Kitas aufbauen. Das wird gemacht. Aber neue Siedlungen, kommt überhaupt momentan nicht infrage.

    Heinemann: Herr Mor, Israel ist vor zwei Jahren erstmals nicht als klarer Sieger aus einem bewaffneten Konflikt aus dem Libanon herausgekommen. Hat das die Verhandlungsposition Ihres Landes geschwächt?

    Mor: Überhaupt nicht. Ich schlage vor, auch wenn wir nicht so erfolgreich in 2006 waren, ich schlage vor, die strategische Position Israels nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Israel bleibt eine Demokratie zunächst einmal, eine starke Demokratie, eine lebendige Gesellschaft, auch wenn wir ab und zu Fehler machen und versäumt haben. Der Feldzug im Libanon hat dazu beitragen, dass wir mehr von dem Iran heutzutage wissen, was die Bedrohung Israel anbelangt und die westliche Welt. Wir wissen mehr als zuvor, was die Hisbollah, die Positionierung von Hisbollah und Vorhaben von Hisbollah in Südlibanon anbelangt. Wir wissen mehr heutzutage, was könnte sein, falls Iran mehr und mehr Waffen an die Hisbollah gegeben hätte und in Zukunft gegen Israel aktiv benutzt werden könnten. Kurzum, was im Jahre 2006 passiert ist, wird sich nicht wiederholen. Davon bin ich überzeugt.

    Heinemann: Und zwischen Jerusalem und Teheran herrscht absolute Funkstille?

    Mor: Ja. Jerusalem sieht die Bedrohungswahrnehmung aus Teheran wie die andere westliche Welt, wie Deutschland, wie Frankreich, wie die USA. Aus Teheran besteht eine Gefahr nicht nur für Israel, sondern für die westliche Welt. Und ich hoffe, ich weiß, aber ich hoffe, dass die Geschlossenheit und Entschlossenheit der Weltgemeinschaft Iran gegenüber so bleiben muss, um eine unmissverständliche Botschaft nach Teheran zu schicken. Sie müssen mit den Aktivitäten im Bereich Atomprogramm einfach stoppen.

    Heinemann: Die Bundeskanzlerin und viele Minister, Herr Mor, werden im kommenden Monat nach Israel reisen. Ab März wird es regelmäßige deutsch-israelische Konsultationen geben. Was erwarten Sie sich von diesen Treffen?

    Mor: Zunächst einmal begrüßen wir sehr die Entscheidung von Frau Merkel, so was zu tun anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung Israels. Ich finde, das ist neue Stufe bilateraler Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, das ist nur zu begrüßen. Das bedeutet, dass die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern eine neue Dimension bekommen. Und nach mehr als 40 Jahren diplomatischer Beziehungen ist es schon nun an der Zeit, so was zu tun, einen neuen Impuls in den Beziehungen herbeizuführen, und es ist nur zu begrüßen. Die Erwartungen sind groß in Anbetracht, dass Deutschland und Israel strategische Partner sind.

    Heinemann: Was wünschen Sie sich zum Geburtstag Ihres Landes?

    Mor: Ja, erst mal Frieden. Das ist ganz banal. Aber ist in der Tat so, wir brauchen den Frieden. Das ist unsere strategische Entscheidung, in Frieden mit unseren Nachbarn leben zu dürfen. Ich wünsche mir auch, dass Israel anerkannt werden wird von vielen Leuten, von vielen Ländern. Ich wünsche mir eine Situation, in der das Existenzrecht Israels nicht Tag für Tag unter ein Fragezeichen gestellt wird. Ich wünsche mir eine Situation, in der viele Länder der Welt die Errungenschaften Israels anerkennen werden und mit Israel auf bilateraler Ebene, auf multilateraler Ebene kooperieren werden. Israel hat sehr viel für die Welt getan und immer noch zu tun. Im Bereich Entwicklungshilfe hat Israel im Laufe der Zeit viele Wunder in Afrika, in Südamerika, in Asien herbeigeführt. Davon wissen ganz wenige Leute. Israel hat sehr viel anzubieten. Unsere ausgestreckte Hand ist vorhanden. Ich wünsche mir, dass viele Länder werden diese Hand anfassen, und gemeinsam können wir etwas beitragen, dass die Welt besser sein kann nach dem jüdischen Motto "Tikun Olam", also die Welt zu verbessern.

    Heinemann: In den Informationen am Morgen sprachen wir mit Ilan Mor, dem Gesandten der Botschaft des Staates Israel in Deutschland. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!