Rohwer: Guten Morgen.
Zagatta: Herr Rohwer, auf die Folgen dieses Maut-Debakels kommen wir gleich noch zu sprechen, aber zunächst einmal die Frage, die ja jedem auf der Zunge liegt, kann man da um den heißen Brei noch herumreden oder müssen Sie einräumen, dass Ihr Parteifreund Manfred Stolpe, dass die SPD-geführte Bundesregierung da eine regelrechte Katastrophe angerichtet hat?
Rohwer: Na ja, ohne Frage, die Maut-Entwicklung ist ein Desaster, es ist eine Katastrophe für die deutsche Verkehrspolitik, aber zunächst einmal muss man sagen, dass die deutsche Industrie sich bei diesem Projekt einen Bärendienst erweisen hat, denn ganz offensichtlich war das Management völlig überfordert. Es gab dort krasse Fehleinschätzungen und eigentlich, finde ich, muss man von Spitzenunternehmen in Deutschland erwarten, dass das Konzernmanagement früher eingreift und eine solche Entwicklung gar nicht zulässt.
Zagatta: Aber die Zeche zahlt natürlich jetzt der Steuerzahler. Das heißt, man könnte ja von einem zuständigen Minister das Gleiche erwarten?
Rohwer: Ja, ich kann natürlich im Nachhinein immer viele gute Ratschläge geben. Vielleicht hätte der Vertrag besser abgesichert werden sollen und der Schadenersatz, der vereinbart worden ist, ist natürlich überhaupt nicht zufriedenstellend. Man kann auch Fragen zum Controlling stellen. Man kann auch Fragen dazu stellen, ob die Vignette wirklich hätte gleich auslaufen müssen oder ob man sie rechtzeitig wieder in Kraft hätte setzen können. Aber ich finde, das ist jetzt auch Schnee von gestern. Wir brauchen jetzt sofort eine Entscheidung. Es kann keine längere Hängepartie mehr geben.
Zagatta: Was raten Sie da Stolpe heute? Der finanzielle Schaden wird ja jetzt auf 2,2 Milliarden Euro pro Jahr schon beziffert, eine Summe, für die das Betreiberkonsortium offenbar nicht aufkommen will, wenn das System wieder nicht funktioniert. Was soll Stolpe heute machen?
Rohwer: Ja, mein Eindruck ist ja, also, ich glaube, andere haben auch den Eindruck, dass das Konsortium immer noch auf Zeit spielt und ich finde das absolut unerträglich. Das heißt, es muss heute eine Einigung geben. Es muss eine Einigung auch nicht nur über den Starttermin mit einer Zwischenlösung Ende diesen Jahres geben, es muss klare Aussagen für einen höheren Schadensersatz geben. Es muss bessere Haftungsbestimmungen geben und es muss eigentlich auch, und darauf sollte Herr Stolpe unbedingt drängen, auch eine Beteiligung des Toll Collect-Konsortiums an einer Zwischenfinanzierung geben.
Zagatta: Selbst wenn es jetzt dazu kommt, also wenn es jetzt noch auf die abgespeckte Maut ab Jahresende hinauslaufen wird, dann ist der Schaden ja jetzt schon ganz erheblich. Welche Auswirkungen hat das aus Ihrer Sicht?
Rohwer: Ja, bundesweit sind ja die Auswirkungen ein Verlust von 2,2 Milliarden Euro. Das ist natürlich für die deutsche Verkehrspolitik überhaupt nicht akzeptabel, das ist eine mittlere Katastrophe. Viele Projekte liegen auf Eis, das sind allein im Straßenbau nach meinen Informationen über 70 Projekte, die zur Zeit gefährdet sind. Es sind in der Schienenausbauwegeplanung viele, viele Projekte, die nicht zum Zuge kommen. Die DB verweist ja mit Blick auf die Mautbeschlüsse darauf, dass sie keine Entscheidung mehr treffen könne, was ich übrigens für falsch halte. Das heißt, hier liegt einfach soviel auf Eis, hier ist zu befürchten, dass wir in diesem Jahr viel Projekte überhaupt nicht voran bringen. Das ist schlecht für die Verkehrspolitik, das ist schlecht für die deutsche Bauwirtschaft, das ist auch schlecht für die Konjunktur.
Zagatta: Was bedeutet das für Sie in Schleswig-Holstein?
Rohwer: Ja, wir haben also allein für Schleswig-Holstein das Problem, dass uns in diesem Jahr 50 Millionen Euro für den Straßenbau fehlen, wenn nichts passiert. In dem nächsten Jahr wird das so weiter gehen, das heißt, bis 2007 würden uns vier Mal 50 Millionen Euro fehlen, 200 Millionen Euro. Im Schienenbereich kommen wichtige Ausbaumaßnahmen, auch Sanierungsmaßnahmen, nicht voran. Das sind noch einmal 300 Millionen Euro auf zwei bis drei Jahre, Das heißt, diese Mittel fehlen schlicht und wir brauchen sofort eine Zwischenfinanzierung.
Zagatta: Wie wollen Sie das auffangen, also mit eine Zwischenfinanzierung, wer soll das Geld nun da auf den Tisch legen? Muss da Schleswig-Holstein sich verschulden oder wie soll das gelöst werden?
Rohwer: Nein, das kann natürlich nicht durch die Bundesländer erfolgen. Das muss dort erfolgen, wo die Verursacher liegen. Das muss ein Mautkonsortium tun, das jetzt einen wasserdichten Vertrag abschließt. Das heißt, Toll Collect muss sich an einer Lösung beteiligen, das ist überhaupt kein Frage. Ich könnte mir darüber hinaus aber auch vorstellen, dass die Bundesregierung sagt, wir sind bereits, für ein Jahr, es handelt sich ja um eine Zwischenfinanzierung für ein Jahr, durchaus Kredite aufzunehmen, die ja abgesichert wären durch die künftigen Einnahmen aus der Maut.
Zagatta: Wenn sie dann funktioniert?
Rohwer: Ja, sie wird ja irgendwann funktionieren. Das System ist ja als solches zukunftsträchtig. Ich glaube schon, dass es richtig ist, auf ein modernes System zu setzen. Es wäre ja auch eine Blamage für die deutsche Industrie, wenn diese Technologie nicht zum Zuge käme. Sie wird irgendwann funktionieren, nur bis dahin muss es eine Zwischenfinanzierung geben und bis dahin muss es eben auch richtig abgesicherte Verträge geben, die einen weit höheren Schadensersatz beinhalten, als das bisher der Fall ist.
Zagatta: Herr Rohwer, am Wochenende war zu hören, die Bundesregierung wolle eine Milliarde Euro vielleicht doch freigeben für Verkehrsprojekte, aber nur für ganz bestimmte. Das Geld solle nur in das sogenannte Anti-Stau-Programm gesteckt werden und auch noch in Ost-West-Verbindungen. Ist das für Sie ein Kompromiss, mit dem Sie leben können?
Rohwer: Also, die Richtung ist richtig. Ich glaube, wir brauchen tatsächlich mehr als eine Milliarde Euro in diesem Jahr, denn uns fehlen ja nicht nur die gesperrten eine Milliarde im Bundeshaushalt. Wir haben das Problem, dass wir globale Winterausgaben im Verkehrshaushalt haben von einer halben Milliarde, die auch noch erbracht werden müssen. Der Verkehrshaushalt ist belastet durch zusätzliche Investitionen für die WM 2006, Mittel, die also an anderer Stelle fehlen. Das heißt, wir Länder müssen eigentlich fordern, wir Länder, wo ja diese Verkehrsmaßnahmen durchgeführt werden, müssen fordern, dass der Ausgleich über eine Milliarde Euro hinausgehen muss.
Zagatta: Bei all diesen Problemen, die Sie uns da eben geschildert haben, und bei der Diskussion so, wie sie läuft, dieses ganze Debakel wird ja der Regierung und der SPD auch angelastet. Gibt es da überhaupt noch einen anderen Weg, als dass Manfred Stolpe jetzt irgendwann seinen Hut nimmt?
Rohwer: Ja, wenn Manfred Stolpe heute einen vernünftigen Vertrag abschließt, der zukunftsweisend ist, der die nötigen Klauseln beinhaltet für Schadensersatz, für Ausgleichszahlungen, für eine Beteiligung an einer Zwischenfinanzierung, dann kann das durchaus die Lösung sein. Und wenn es ihm in den nächsten Tagen auch gelingt, da hoffe ich auch auf den Bundeskanzler, dass wir eine vernünftige Zwischenfinanzierung bekommen, die in diesem Jahr mehr als die eine Milliarde Euro freigibt, die im Moment fehlen, es fehlen ja 2,2 Milliarden Euro plus X, dann kann man, glaube ich, doch noch von einem akzeptablen Ergebnis reden, bloß soweit sind wir noch nicht. Ich kann heute ja für die Verhandlung nur raten, absolut hart bleiben, das Konsortium muss diese Bedingungen akzeptieren, und dann muss in den nächsten Tagen die Lösung gefunden werden zur Zwischenfinanzierung der Verkehrsinvestitionen in diesem Jahr.
Zagatta: Bernd Rohwer, der Wirtschafts- und Verkehrsminister von Schleswig-Holstein. Herr Rohwer, ich bedanke mich für das Gespräch.
Rohwer: Ja, auf Wiedersehen, schönen Tag.
Zagatta: Herr Rohwer, auf die Folgen dieses Maut-Debakels kommen wir gleich noch zu sprechen, aber zunächst einmal die Frage, die ja jedem auf der Zunge liegt, kann man da um den heißen Brei noch herumreden oder müssen Sie einräumen, dass Ihr Parteifreund Manfred Stolpe, dass die SPD-geführte Bundesregierung da eine regelrechte Katastrophe angerichtet hat?
Rohwer: Na ja, ohne Frage, die Maut-Entwicklung ist ein Desaster, es ist eine Katastrophe für die deutsche Verkehrspolitik, aber zunächst einmal muss man sagen, dass die deutsche Industrie sich bei diesem Projekt einen Bärendienst erweisen hat, denn ganz offensichtlich war das Management völlig überfordert. Es gab dort krasse Fehleinschätzungen und eigentlich, finde ich, muss man von Spitzenunternehmen in Deutschland erwarten, dass das Konzernmanagement früher eingreift und eine solche Entwicklung gar nicht zulässt.
Zagatta: Aber die Zeche zahlt natürlich jetzt der Steuerzahler. Das heißt, man könnte ja von einem zuständigen Minister das Gleiche erwarten?
Rohwer: Ja, ich kann natürlich im Nachhinein immer viele gute Ratschläge geben. Vielleicht hätte der Vertrag besser abgesichert werden sollen und der Schadenersatz, der vereinbart worden ist, ist natürlich überhaupt nicht zufriedenstellend. Man kann auch Fragen zum Controlling stellen. Man kann auch Fragen dazu stellen, ob die Vignette wirklich hätte gleich auslaufen müssen oder ob man sie rechtzeitig wieder in Kraft hätte setzen können. Aber ich finde, das ist jetzt auch Schnee von gestern. Wir brauchen jetzt sofort eine Entscheidung. Es kann keine längere Hängepartie mehr geben.
Zagatta: Was raten Sie da Stolpe heute? Der finanzielle Schaden wird ja jetzt auf 2,2 Milliarden Euro pro Jahr schon beziffert, eine Summe, für die das Betreiberkonsortium offenbar nicht aufkommen will, wenn das System wieder nicht funktioniert. Was soll Stolpe heute machen?
Rohwer: Ja, mein Eindruck ist ja, also, ich glaube, andere haben auch den Eindruck, dass das Konsortium immer noch auf Zeit spielt und ich finde das absolut unerträglich. Das heißt, es muss heute eine Einigung geben. Es muss eine Einigung auch nicht nur über den Starttermin mit einer Zwischenlösung Ende diesen Jahres geben, es muss klare Aussagen für einen höheren Schadensersatz geben. Es muss bessere Haftungsbestimmungen geben und es muss eigentlich auch, und darauf sollte Herr Stolpe unbedingt drängen, auch eine Beteiligung des Toll Collect-Konsortiums an einer Zwischenfinanzierung geben.
Zagatta: Selbst wenn es jetzt dazu kommt, also wenn es jetzt noch auf die abgespeckte Maut ab Jahresende hinauslaufen wird, dann ist der Schaden ja jetzt schon ganz erheblich. Welche Auswirkungen hat das aus Ihrer Sicht?
Rohwer: Ja, bundesweit sind ja die Auswirkungen ein Verlust von 2,2 Milliarden Euro. Das ist natürlich für die deutsche Verkehrspolitik überhaupt nicht akzeptabel, das ist eine mittlere Katastrophe. Viele Projekte liegen auf Eis, das sind allein im Straßenbau nach meinen Informationen über 70 Projekte, die zur Zeit gefährdet sind. Es sind in der Schienenausbauwegeplanung viele, viele Projekte, die nicht zum Zuge kommen. Die DB verweist ja mit Blick auf die Mautbeschlüsse darauf, dass sie keine Entscheidung mehr treffen könne, was ich übrigens für falsch halte. Das heißt, hier liegt einfach soviel auf Eis, hier ist zu befürchten, dass wir in diesem Jahr viel Projekte überhaupt nicht voran bringen. Das ist schlecht für die Verkehrspolitik, das ist schlecht für die deutsche Bauwirtschaft, das ist auch schlecht für die Konjunktur.
Zagatta: Was bedeutet das für Sie in Schleswig-Holstein?
Rohwer: Ja, wir haben also allein für Schleswig-Holstein das Problem, dass uns in diesem Jahr 50 Millionen Euro für den Straßenbau fehlen, wenn nichts passiert. In dem nächsten Jahr wird das so weiter gehen, das heißt, bis 2007 würden uns vier Mal 50 Millionen Euro fehlen, 200 Millionen Euro. Im Schienenbereich kommen wichtige Ausbaumaßnahmen, auch Sanierungsmaßnahmen, nicht voran. Das sind noch einmal 300 Millionen Euro auf zwei bis drei Jahre, Das heißt, diese Mittel fehlen schlicht und wir brauchen sofort eine Zwischenfinanzierung.
Zagatta: Wie wollen Sie das auffangen, also mit eine Zwischenfinanzierung, wer soll das Geld nun da auf den Tisch legen? Muss da Schleswig-Holstein sich verschulden oder wie soll das gelöst werden?
Rohwer: Nein, das kann natürlich nicht durch die Bundesländer erfolgen. Das muss dort erfolgen, wo die Verursacher liegen. Das muss ein Mautkonsortium tun, das jetzt einen wasserdichten Vertrag abschließt. Das heißt, Toll Collect muss sich an einer Lösung beteiligen, das ist überhaupt kein Frage. Ich könnte mir darüber hinaus aber auch vorstellen, dass die Bundesregierung sagt, wir sind bereits, für ein Jahr, es handelt sich ja um eine Zwischenfinanzierung für ein Jahr, durchaus Kredite aufzunehmen, die ja abgesichert wären durch die künftigen Einnahmen aus der Maut.
Zagatta: Wenn sie dann funktioniert?
Rohwer: Ja, sie wird ja irgendwann funktionieren. Das System ist ja als solches zukunftsträchtig. Ich glaube schon, dass es richtig ist, auf ein modernes System zu setzen. Es wäre ja auch eine Blamage für die deutsche Industrie, wenn diese Technologie nicht zum Zuge käme. Sie wird irgendwann funktionieren, nur bis dahin muss es eine Zwischenfinanzierung geben und bis dahin muss es eben auch richtig abgesicherte Verträge geben, die einen weit höheren Schadensersatz beinhalten, als das bisher der Fall ist.
Zagatta: Herr Rohwer, am Wochenende war zu hören, die Bundesregierung wolle eine Milliarde Euro vielleicht doch freigeben für Verkehrsprojekte, aber nur für ganz bestimmte. Das Geld solle nur in das sogenannte Anti-Stau-Programm gesteckt werden und auch noch in Ost-West-Verbindungen. Ist das für Sie ein Kompromiss, mit dem Sie leben können?
Rohwer: Also, die Richtung ist richtig. Ich glaube, wir brauchen tatsächlich mehr als eine Milliarde Euro in diesem Jahr, denn uns fehlen ja nicht nur die gesperrten eine Milliarde im Bundeshaushalt. Wir haben das Problem, dass wir globale Winterausgaben im Verkehrshaushalt haben von einer halben Milliarde, die auch noch erbracht werden müssen. Der Verkehrshaushalt ist belastet durch zusätzliche Investitionen für die WM 2006, Mittel, die also an anderer Stelle fehlen. Das heißt, wir Länder müssen eigentlich fordern, wir Länder, wo ja diese Verkehrsmaßnahmen durchgeführt werden, müssen fordern, dass der Ausgleich über eine Milliarde Euro hinausgehen muss.
Zagatta: Bei all diesen Problemen, die Sie uns da eben geschildert haben, und bei der Diskussion so, wie sie läuft, dieses ganze Debakel wird ja der Regierung und der SPD auch angelastet. Gibt es da überhaupt noch einen anderen Weg, als dass Manfred Stolpe jetzt irgendwann seinen Hut nimmt?
Rohwer: Ja, wenn Manfred Stolpe heute einen vernünftigen Vertrag abschließt, der zukunftsweisend ist, der die nötigen Klauseln beinhaltet für Schadensersatz, für Ausgleichszahlungen, für eine Beteiligung an einer Zwischenfinanzierung, dann kann das durchaus die Lösung sein. Und wenn es ihm in den nächsten Tagen auch gelingt, da hoffe ich auch auf den Bundeskanzler, dass wir eine vernünftige Zwischenfinanzierung bekommen, die in diesem Jahr mehr als die eine Milliarde Euro freigibt, die im Moment fehlen, es fehlen ja 2,2 Milliarden Euro plus X, dann kann man, glaube ich, doch noch von einem akzeptablen Ergebnis reden, bloß soweit sind wir noch nicht. Ich kann heute ja für die Verhandlung nur raten, absolut hart bleiben, das Konsortium muss diese Bedingungen akzeptieren, und dann muss in den nächsten Tagen die Lösung gefunden werden zur Zwischenfinanzierung der Verkehrsinvestitionen in diesem Jahr.
Zagatta: Bernd Rohwer, der Wirtschafts- und Verkehrsminister von Schleswig-Holstein. Herr Rohwer, ich bedanke mich für das Gespräch.
Rohwer: Ja, auf Wiedersehen, schönen Tag.