"Wie soll ich sagen, was ist das Geheimnis? Das Geheimnis ist eigentlich dieser ungebrochene und jetzt auch nicht nur am Profit orientierte Idealismus, dass man ein Kulturgut schafft und es gerne auch weiter tragen möchte."
Petra Mayer steht in der großen Werkhalle für die traditionelle Fertigung von Kirchenfenstern. Auf Tischen liegen Zeichnungen, die im Maßstab eins zu eins die Vorlage für die Fenster bilden, die gerade in der Fertigung sind – darüber legen die Mitarbeiterinnen die exakt zugeschnittenen Scherben in verschiedenen Tönen aus durchgefärbtem Glas, und an der Stirnseite der Halle sind an einer hohen Leuchtwand viele Stücke aus früheren Zeiten zu sehen. Diese aktuelle Lieferung ist für eine Kirche in den Vereinigten Staaten vorgesehen.
Florierender Export in die USA
Das Geschäft mit den USA hat Tradition, seit Franz Mayer, Sohn des Firmengründers, die Idee hatte, deutschen Auswanderern mit Unterstützung der Kirche die Ausstattung ihrer Gotteshäuser anzubieten.
"Es gibt in Nordamerika kaum eine Kirche zwischen 1880 und 1930, die nicht ihre Fenster hier von Mayer hat. Derweil ist das hier aus den Nähten geplatzt, um die Jahrhundertwende hatte man hier über fünfhundert Mitarbeiter, hier am Stiglmayerplatz, da gab's dann alles im Haus, da gab's dann Architekten, da gab's Vergolder, da gab's Bildhauer, da war alles da. Was noch nicht da war, ist das Mosaik."
Familienbetrieb durch und durch
Heute arbeiten noch vierzig Mitarbeiter in der Mayer'schen Hofkunstanstalt, die von Petra und Michael Mayer in der mittlerweile sechsten Familiengeneration geführt wird. Das USA-Geschäft mit den Glasfenstern ist heute noch ein wichtiger Faktor in der Produktion. Die Qualität der Münchner Kirchenfenster beruht nicht zuletzt auf dem in Handarbeit gefertigten, durchgefärbten Glas. Man bezieht es aus der Glashütte im oberpfälzischen Waldsassen nahe der tschechischen Grenze, ebenfalls einem Familienbetrieb.
"Wenn die Sonne durchfällt, wirft das extrem gefärbte Schatten. Das ist es, das ist es, und man arbeitet ja heute auch bei diesem Industrieglas oft mit Folien oder so – wenns denn überhaupt Schatten wirft, dann ist das überhaupt kein Vergleich zu dieser Magie, die dieses Glas entfaltet, also der Werkstoff ist schon mal extrem."
Mosaike populärer denn je
Hier wie dort entsteht alles in Handarbeit. Nirgends in den Werkhallen ist ein Computer zu sehen. Das gilt auch für die Mosaikabteilung, die erst Anfang des 20. Jahrhunderts zum Betrieb hinzukam.
Mosaiken erfreuen sich wachsender Nachfrage in den letzten Jahren. Weniger wegen altchristlicher Kirchenausstattungen, eher zum einen für Privathaushalte: für Bäder und Gartenwege beispielsweise; oder aktuell als Dekoration für Kreuzfahrtschiffe.
"Der reine Mosaiker, der lernt eigentlich in Italien. Also, die lernen eben die klassischen Sachen, so wie die Köpfe. Aber hier in Deutschland ist die Kombination ganz gut zum Fliesenlegen, weil wir die Sachen ja auch einbauen, das heißt Untergrundvorbereitung oder maßlich die Sachen nehmen, Abdichtungsarbeiten und Einbau. Also es ist natürlich schon spezieller wie ein Fliesenleger, weil es halt natürlich nie das gleiche ist."
Neue Ideen und Motive
Aber für die Arbeiten mit Mosaik wie auch mit Glas gilt: Seit einiger Zeit entdecken vermehrt Gegenwartskünstler die vermeintlich altertümlichen Techniken für sich und beginnen mit ihnen, ganz neue Ideen und Motive auszuarbeiten. Für Petra Mayer und die Hofkunstanstalt ist das wie eine Reise in immer neue, immer andere Gefilde. Statt Traditionshandwerk ist jetzt das Experiment, die direkte Zusammenarbeit mit den Künstlern gefragt.
"Brian Clarke ist unser Stained Glass Punk aus London, der seit den Siebziger Jahren hier arbeitet, quasi seit er ein Kind ist und der innovativste Glaskünstler ist, was traditionelle Techniken anbelangt. Und der nimmt jetzt plötzlich Bleiplatten und setzt darein nur kleine Farbglasflächen, und da hat er so einen Skull, den Schädel von Francis Bacon in so eine Bleiplatte gesetzt."
Sandwich-Technik
Andere Künstler wie Clifford Ross nutzen beispielsweise eine komplexe Sandwich-Technik, um farbige Glasflächen fünffach übereinander zu schichten und dabei fotografische Motive zu verfremden, beispielsweise für eine großformatige künstlerische Wandverkleidung in einem Gerichtsgebäude in Austin, Texas.
Petra Mayer ist stolz auf diese Aktualisierung dieses traditionellen Handwerks, das viele andere zu den akut bedrohten Arten gehört – auch wenn der wirtschaftliche Effekt von Arbeiten mit Gegenwartskünstlern weitaus schwerer einzuschätzen ist als die Nachfrage nach der traditionellen Produktion.
"... und plötzlich hast du was, wo du am Anfang wirklich nur experimentiert hast, hast du was, wo du schon weißt, wie es geht, wo man dann auch kalkulieren kann, genau sowas, das ist ja alles überhaupt nicht kalkulierbar, was wir machen."