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Mazedonien
Tauwetter in Namensstreit

Weil Griechenland den Begriff als Teil seines Nationalerbes versteht, soll sich Nachbar Mazedonien umbenennen. Nord-Mazedonien, Slawomazedonien, Neumazedonien oder auch Südslawien - es gibt viele Namensvorschläge für den kleinen Balkan-Staat. Unter UN-Vermittlung könnte nun der Durchbruch gelingen.

Von Srdjan Govedarica und Rodothea Seralidou | 30.01.2018
    Matthew Nimetz gibt Presseerklärung in New York
    UN-Sonderermittler Mathew Nimetz hatte fünf Lösungsvorschläge für den Namensstreit gemacht und besucht jetzt Athen und Skopje, um die Standpunkte der beiden Regierungen zu den Vorschlägen abzufragen. (imago stock&people / Albin Lohr-Jones)
    "Jeder Name ist gut, mit dem wir in die EU aufgenommen werden können. Das ist das wichtigste für unseren Staat."
    27 Jahre Streit haben Spuren hinterlassen - so auch bei diesem Mann aus Skopje. Der Namensstreit mit Griechenland zieht sich schon seit der Unabhängigkeit Mazedoniens 1991 hin. Und er ist zum gewichtigen Bremsklotz für die EU- und Nato-Ambitionen des kleinen Landes geworden. Griechenland legte immer wieder sein Veto dagegen ein.
    Athen sorgte auch dafür, dass Mazedonien der Uno unter dem Namen FYROM beitreten musste: die Abkürzung steht für Former Yugoslav Republic of Macedonia. Nationalisten auf beiden Seiten verhinderten immer wieder eine Lösung im emotionsgeladenen Namensststreit. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache. Auf Mazedonischer Seite hat sie mit dem Regierungswechsel im Frühjahr 2017 zu tun: Während die vorherige national-konservative Regierung wenig Kompromissbereitschaft gezeigt hatte, setzt sich der neue sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Zaev für eine Lösung ein: "Ich bin optimistisch", so der Regierungschef in einer Pressekonferenz vor griechischen Journalisten und fügte hinzu: "Ich werde keine Details diskutieren, weil ich dem künftigen Verhandlungsprozess eine Chance geben möchte. Mit dem Ziel eine Lösung zu finden, die der Würde beider Länder gerecht wird."
    Neue Namen auch für Autobahn und Flughafen
    Erste Schritte in diese Richtung hat Zaev bereits angekündigt. Der Flughafen von Skopje und eine wichtige Autobahn sollen umbenannt werden. Noch tragen sie den Namen von Alexander dem Großen - eine Provokation aus griechischer Sicht, zählt der antike Feldherr zum nationalen Mythos Griechenlands.
    Zaev erwarten in dieser Woche den Besuch des UN-Sonderermittlers Mathew Nimetz. Er hatte fünf Lösungsvorschläge für den Namensstreit gemacht und besucht jetzt Athen und Skopje, um die Standpunkte der beiden Regierungen zu den Vorschlägen abzufragen. Zoran Zaev hat am vergangenen Wochenende vorgearbeitet: "Wir haben uns mit allen politischen Vertretern zusammengesetzt und unsere Meinungen zu den vorgeschlagenen Ideen von Mediator Nimetz ausgetauscht. Dieser Prozess verlangt viel politische Verantwortung, mit dem Ziel, einen nationalen Konsens in Mazedonien zu erreichen"
    Bevölkerung skeptisch
    Mit dem nationalen Konsens könnte Ministerpräsident Zaev ein Problem bekommen. Umfragen zufolge ist eine breite Mehrheit der Mazedonier gegen eine Änderung ihres Landesnamens. Zudem hatte Zaev im Wahlkampf seinen Bürgern ein Referendum über die Namensänderung in Aussicht gestellt. Nationalistische Kräfte in Mazedonien könnten ein solches Referendum nutzen und massiv gegen die Namensänderung mobilisieren. Bei vielen Mazedoniern würden sie damit offene Türen einrennen. So auch bei diesen Mann aus Skopje: "Der Name soll bleiben, wie er jetzt ist. Es gibt keinen Grund irgendetwas zu ändern."
    Weil das Balkanland den Namen einer nordgriechischen Provinz trägt, blockiert Athen den Beitritt des Nachbarn zur Nato und die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. Doch die griechische Regierung drängt nun auf eine Lösung in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt. Große Zugeständnisse sind in der griechischen Bevölkerung aber unpopulär.
    Die 59-jährige Maria Filippou sitzt auf einer Parkbank in der Athener Innenstadt und genießt die Wintersonne. Sie findet, dass Mazedonien überhaupt kein Recht hat, sich so zu nennen: "Dieses Land hat überhaupt nichts mit dem antiken Makedonien zu tun. Es stört mich sehr, dass es sich trotzdem so nennen will. Ich finde, nur Griechen dürfen sich als Makedonen bezeichnen."
    Schwache Position
    So wie Maria Filippou denken die meisten Griechen. Aktuellen Umfragen zufolge, sind sieben von zehn Griechen der Meinung, dass der Name, auf den sich die griechische und mazedonische Regierung einigen, das Wort "Mazedonien" überhaupt nicht beinhalten sollte - auch nicht als zusammengesetztes Wort. Sie stellen sich somit gegen Kompromisslösungen wie Nordmazedonien oder Neumazedonien. Konstantinos Filis, wissenschaftlicher Leiter des griechischen Instituts für Internationale Beziehungen, sagt, Griechenland stehe da vor vollendeten Tatsachen:
    "Die meisten Länder der Vereinten Nationen haben unser Nachbarland als Republik Mazedonien anerkannt, auch die USA, Russland und China. Es ist also unrealistisch, dass Griechenland dem Land einen komplett anderen Namen auferlegen kann. Außerdem gibt es schon eine Entscheidung aus dem Jahre 2008. Fast alle Parteien Griechenlands hatten sich damals auf eine zusammengesetzte Namenslösung geeinigt, die den Weg freimachte, für den Gebrauch des Wortes "Mazedonien"."
    Frage der Identität
    Der Name sei aber nur ein Aspekt im Streit mit dem Nachbarland, sagt der Politologe. Eine Lösung der Namensfrage alleine wäre keine Garantie für eine gute Nachbarschaft: "Dieses Land beansprucht die mazedonische Identität und die Geschichte Makedoniens für sich. Und da weiß man wirklich nicht, wohin das langfristig führen kann. Wenn sich die Verfassung und die Schulbücher unseres Nachbarlandes nicht ändern, wird es immer Konflikte geben, die offen bleiben."
    Eine einheitliche Haltung zeigt sich momentan aber nicht einmal in der griechischen Regierung: Während die linke Syriza einer zusammengesetzten Bezeichnung generell zustimmt, stellt sich die rechtspopulistische kleinere Koalitionspartei ANEL strikt gegen alles, was das Wort "Mazedonien" beinhaltet. Sollte es zu einer Einigung mit dem Nachbarland kommen, müsste Premierminister Tsipras - so wie es gerade ausschaut - andere Verbündete finden, um die nötige Mehrheit im Parlament zu erreichen. Viele Griechen hoffen jedenfalls, dass Tsipras scheitert. So wie die 32-Jährige Katerina, die am Syntagma-Platz auf eine Freundin wartet. Ihren Nachnamen möchte die junge Frau nicht nennen. Von der griechischen Regierung ist sie mehr als enttäuscht: "Wenn auch der Name 'Mazedonien' ausverkauft wird, dann bleibt uns nichts mehr übrig. Diese Regierung hat wirklich alles ausverkauft."