Archiv


Meckel kritisiert Berliner SPD-PDS-Koalition

    Engels: Herr Meckel, Sie haben im Vorfeld die sich anbahnende Koalition kritisiert. Ist das heute ein schwarzer Tag für Sie?

    Meckel: Es ist jedenfalls ein Tag, der Geschichte machen wird. Ich glaube, dass es für die SPD langfristige Konsequenzen hat, was hier in Berlin geschehen ist. Dass es jetzt zum Schluss so weit gekommen ist, dass man zu einer Vereinbarung gekommen ist war ja nicht mehr verwunderlich, nachdem alles dann darauf hinging und beide Partner offensichtlich gewillt waren, es zu einem schnellen Abschluss zu bringen, weil man ja vorher gescheiterte Koalitionsverhandlungen hatte und auch die SPD sich nicht als handlungsunfähig erweisen durfte. Aber der ganze letzte Weg des halben Jahres, denke ich, ist schon sehr problematisch angefasst worden, sowohl in der Berliner SPD als auch von Bundesseite.

    Engels: Befürworter dieser Koalition erklären ja, sie sei die einzige Möglichkeit, die gespaltene Stadt Berlin zusammenzufügen. Was entgegnen Sie denen?

    Meckel: Das halte ich für großen Unsinn, denn man muss ja nun ganz klar sagen, dass wir in Berlin einen hohen Anteil von Bürgern haben, die diese Koalition so nicht wollten. Damit meine ich nicht nur Leute, die die Grünen, die FDP und die CDU gewählt haben, sondern auch in der SPD gibt es sehr viele, die das nicht wollten und die hofften, dass diese ersten Koalitionsverhandlungen gelingen, so dass es insgesamt - davon bin ich fest Überzeugung -, eine Minderheit der Bürger gibt, die diese Koalition wirklich wollten. Und man muss sich deutlich machen, dass es auch nicht nur um die Berliner geht, sondern um eine langfristige Perspektive. Ich glaube, dass die SPD mit dieser Koalition der PDS einen Steigbügel für die Westausdehnung gibt. Das ist für die SPD langfristig ein riesengroßes Problem, denn es zersplittert die Linke, wenn die PDS denn irgendwann einmal wirklich eine demokratische Partei sein wird. Das Zweite ist - was ich für ein großes Problem für die SPD wiederum ansehe -, dass die SPD in Gefahr gerät. Und die Personalfrage wird auch noch mal zeigen, ob Senatoren aus dem Osten dabei sind, denn es darf nicht so sein und es wäre verheerend, wenn das Bild entstünde, dass die PDS für den Osten, die SPD für den Westen zuständig sind. Dann würde man die Ost-SPD total diskreditieren. Und das darf nicht sein. Man hat ja schon die Chance verpasst, mit Torsten Hilse einen Ostdeutschen an die Spitze der Abgeordnetenkammer zu setzen, was ich auch für einen verheerenden Fehler halte. Und das Dritte ist, dass man sehr aufpassen muss, dass man in der Koalition jetzt nicht sagt, die SPD ist für das Sparen zuständig und die PDS für die guten Dinge, die man dann noch verteilen will, oder, wenn es nicht um die sozialen Fragen geht, weil da nicht viel zu verteilen ist, aber für die Bildung und für die Kultur. Man hat es ja jetzt schon in Äußerungen gehört, dass das Sprachrohr, das diese konzeptionellen Fragen auf den Tisch legt, Herr Gysi ist. Und meine große Sorge ist, dass der Image-Gewinn der PDS dadurch sehr groß wird, dass dadurch in der Öffentlichkeit die Diskrepanz zwischen Gysi und seiner eigenen Partei, die wahrhaftig sehr groß ist, verdeckt wird und dass sozusagen der Anschein Realität zu sein scheint, aber nicht das, was die PDS wirklich ausmacht. Also, ich sehe hier auch bundespolitisch und langfristig für uns schwierige Zeiten kommen.

    Engels: Das hört sich ja nach massiver Kritik durchaus auch an Ihrem Parteifreund Wowereit an. Denken Sie nicht, es wird ihm gelingen, die PDS in der Regierungsverantwortung zu entzaubern?

    Meckel: Das wird sich zeigen und das ist natürlich ein Stück weit Hoffnung, dass das so ist, aber es ist nicht belegt und man wird es wirklich abwarten müssen. Man kann natürlich sagen, dass die Beispiele, die wir bisher haben, nicht so sehr zur Entzauberung beigetragen haben, sondern zur Etablierung. Meine große Befürchtung ist, dass die SPD hier der PDS zur Etablierung bundesweit und zu einer Sechs- bis Acht-Prozent-Partei verhilft, die dann die Stimmen der SPD wegnimmt, die wir für eine künftige Mehrheitsbildung für 2006 und folgende Jahre brauchen. Sofern ein langfristiger Schaden für die SPD.

    Engels: Sie haben über die langfristigen Schäden schon mehrfach gesprochen. Blicken wir auf das, was der Bund auch tun kann. Beide Parteien, die sich nun in Berlin geeinigt haben, setzten auf massive Hilfe vom Bund in Milliardenhöhe, um eben die 80 Milliarden DM Schulden, die sich aufgetürmt haben, etwas zu bewältigen. Sollte der Bund das verweigern?

    Meckel: Ich denke, der Bund darf hier nichts verweigern. Man muss hier nur aushandeln, und die Frage ist, ob es nicht besser gewesen wäre, vielleicht vor den Verhandlungen mit dem Bund - gewiss nicht öffentlich -, hier zu den notwendigen Absprachen zu kommen. Ich bin darüber nicht informiert, ob dies geschehen ist. Ich kann es nur hoffen, weil natürlich die Fragen Berlins von vorne herein bundespolitische Bedeutung haben. Man muss dann natürlich dazu sagen, dass auch Berlin selber aus seiner Provinzialität herauskommen muss, in der es in meinen Augen doch immer noch allzu sehr steckt, und wir brauchen hier eine landesweite, bundespolitische Perspektive, die die nationale Bedeutung Berlins sieht und anerkennt. Und hier - sage ich ganz offen - ist meine Sorge auch die, dass Herr Gysi derjenige sein wird, der diese Fragen vorrangig benennt, weil sie nun mal da sind und es auch seinem Horizont entspricht. Gleichzeitig muss ich aber sagen: Dass die PDS Berlin eine Perspektive gibt, sehe ich überhaupt nicht. Auch an den inhaltlichen Fragen nicht. Ich kann nur hoffen, dass die SPD in Berlin dafür ist, ein angemessenes Gegengewicht zu bieten.

    Engels: Noch ein Wort zum Gegengewicht: Nun ist ja die Strategie der SPD der vergangenen Jahre, die PDS etwas stärker abzugrenzen, auch nicht aufgegangen. Muss man nicht auch den Wählerwillen in den ostdeutschen Ländern akzeptieren?

    Meckel: Also, wenn Sie den Wählerwillen nehmen, muss man immer sagen: Es gibt auch in Ostdeutschland eine deutliche Mehrheit gegen die PDS, denn auch bei dem hohen Anteil, den die PDS-Wählerschaft in Berlin hat, ist es auch im Osten immer noch eine Mehrheit, die nicht PDS wählt. So zu tun, als ob die PDS wirklich den Osten repräsentiere, vernachlässigt diese Mehrheit - in Berlin immerhin deutlich mehr als 50 Prozent, in den anderen ostdeutschen Ländern deutlich mehr als 80% -, und wenn man dann die Nichtwählerschaft hinzuzählt, die offensichtlich keiner Partei - und auch der PDS - nichts zutraut, dann steigen diese%e noch. Ich glaube, man muss sehr aufpassen, dass man die PDS auch mit solchen Aussagen nicht hochstilisiert.

    Engels: Vielen Dank. Das war Markus Meckel, letzter Außenminister der DDR und heute für die SPD im Bundestag zuständig. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Auf Wiederhören.

    Meckel: Auf Wiederhören.