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Medien in Serbien
Staatlicher Kontrolle widerstehen

Serbien gilt als aussichtsreicher EU-Beitrittskandidat - vorausgesetzt, dass demokratische Prinzipien und Pressefreiheit garantiert werden. Doch Präsident Vucic nutzt vor allem das staatliche Fernsehen für eigene Zwecke. Unabhängige Medien geraten hingegen unter Druck.

Von Sabine Adler | 18.07.2018
    eine Auswahl verschiedener serbischer Zeitungen
    die Pressefreiheit in Serbien ist in Gefahr (Dlf/ Sabine Adler)
    Dragan Janjic ist ein erfahrener Fuchs, Jahrzehnte im Nachrichtengeschäft, heute Chefredakteur der unabhängigen Nachrichtenagentur BETA, die 50 Mitarbeiter beschäftigt. Der Markt ist klein, weil wegen des Internets kaum jemand mehr für Inhalte zu zahlen bereit ist, der Druck, nicht nur der wirtschaftliche, groß.
    "Alle Medien, die nicht tun, was die Regierung erwartet, bekommen über kurz oder lang Druck zu spüren. Sie versuchen, uns die Richtung vorzugeben: Berichtet nicht über dieses Thema, sondern über jenes. Und sie wollen keine Analysen."
    Genau dies, die Analysen, sind die Nische, die BETA das Überleben sichert. Manche ihrer Kunden beliefert die Belgrader Nachrichtenagentur inzwischen exklusiv. Schwer waren die Zeiten immer, wie während der Jugoslawienkriege Anfang der 1990er Jahre. Doch sie hatten sie ihren eigenen Korrespondenten in Sarajewo, damals Feindesland.
    Heute steht der Gegner im eigenen Land, er hat es abgesehen auf die freie Presse. Die großen staatlich gelenkten Abonnenten, die Nachrichten von BETA bezogen, haben gekündigt.
    "Opposition kommt nicht zu Wort"
    "Der staatliche Sender RTS, Radio und Fernsehen Serbiens, hat unser Abonnement gekündigt. Nach 23 Jahren Zusammenarbeit. Wir haben drei Abonnenten verloren. Das klingt nicht nach viel, aber es waren sehr große Kunden. Wie auch 'Vecernie nowosti', 'Abendnachrichten', eine der wichtigsten Tageszeitungen. Auch sie haben unseren Dienst gekündigt."
    Borko Stepanovic bekommt den Druck auf die serbischen Medien ebenfalls ganz direkt zu spüren, denn er ist Oppositionspolitiker, Chef der Serbischen Linken. Er versucht, die Opposition zu einen, damit sie wieder eine Chance hat. Doch ohne Medien schaffen es die kleinen zersplitterten Parteien kaum aus der Anonymität heraus.
    "Wir haben fünf nationale Fernsehsender, in keinem der fünf kommt die Opposition zu Wort. Es gibt andererseits einen Kabelkanal, bei dem tritt aber niemand von der Regierung auf. Die unabhängige 'Danas', eine Tageszeitung, hat leider auch nur eine Auflage von 5.000 Exemplaren. Und die drei unabhängigen Wochenmagazine haben zusammen nicht mehr als 15.000 Stück Auflage."
    Biljana Stepanonic, Chefredakteurin einer Internet-Wirtschaftszeitung, sieht auf der anderen Seite, wie Präsident Vucic die Staatsmedien geradezu kapert. Die wichtigste Nachrichtensendung abends um halb acht zum Beispiel.
    Biljana Stepanonic, Chefredakteurin einer Internet-Wirtschaftszeitung
    Biljana Stepanonic, Chefredakteurin einer Internet-Wirtschaftszeitung (Dlf/ Sabine Adler)
    "Er spricht, worüber auch immer, 25 Minuten lang, dann bleibt nur noch Zeit für das Wetter, aber nicht für eine Frage. Selbst zu Zeiten des Regimes von Milosevic, der zweifellos ein Autokrat war, gab es so etwas nicht."
    Die Europäische Union folgt der Strategie, die EU-Beitrittsperspektive der Westbalkanländer an die Lösung der zwischenstaatlichen Konflikte in der Region zu koppeln. Das missfällt der unabhängigen Journalistin und dem Oppositionspolitiker gleichermaßen.
    Biljana Stepanonic: "Die EU erwartet von Präsident Vucic die Lösung des Kosovo-Problems, deswegen tolerieren sie die Zerstörung der freien Presse, der Wirtschaft, des Rechtssystems, der Nachbarschaftsbeziehungen zu Kroatien, alles wegen Kosovo."