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Medienkontrolle in der Slowakei
Journalisten kündigen massenweise

Über 60 Redakteure einer slowakischen Zeitung haben gekündigt, nachdem ihr Verlag zur Hälfte von der milliardenschweren Penta-Gruppe übernommen wurde. Die Journalisten werfen dem Konzern Korruption vor und befürchten eine Einschränkung der Medienvielfalt.

Von Stefan Heinlein | 17.10.2014
    Flagge der Slowakei
    Schon jetzt hat der penta-Konzern nicht nur den Zugriff auf die wichtigste Tageszeitung der Slowakei, sondern auch auf viele Regionalblätter und das größte Internetportal des Landes. (dpa / picture alliance / Igor Zehl)
    Seit 20 Jahren arbeitet Matus Kostolny für die SME. Die auflagenstarke Tageszeitung gehört zu den journalistischen Meinungsführern in der Slowakei. Vor allem mit ihrer kritisch-unabhängigen Berichterstattung über dunkle Korruptionsgeschäfte hat sich das Blatt einen tadellosen Ruf bei seinen Lesern erarbeitet. Doch nun fürchtet der Chefredakteur um die journalistische Unabhängigkeit seiner Redaktion:

    "Die Penta ist ein Symbol der Korruption. Sie steht für den Versuch, durch wirtschaftliche Macht Politik zu beeinflussen. Ihre Vorstellungen von Meinungsfreiheit und unabhängigem Journalismus sind im völligen Widerspruch zu den Prinzipien der SME-Redaktion."

    Tatsächlich steht die milliardenschwere Penta-Gruppe im Verdacht, jahrelang ein gewaltiges Korruptionsnetzwerk in der Slowakei gesteuert zu haben. Regierungsmitglieder sollen mit hohen Geldbeträgen systematisch für die Durchsetzung geschäftlicher Interessen bestochen worden sein. Vor Gericht wurden diese Vorwürfe bisher weder bestätigt noch widerlegt. Doch die Recherchen der SME seien eindeutig:
    Penta soll gewaltiges Korruptionsnetzwerk gesteuert haben
    "Penta verkörpert die dunklen Geschäfte und die Machtverstrickungen in unserem Land. Wir haben uns immer bemüht, diese Missstände aufzudecken und zu kritisieren, weil sie unsere Gesellschaft bedrohen."

    Gemeinsam mit über 60 Kollegen hat Matus Kostolny deshalb jetzt seinem Arbeitgeber die Kündigung auf den Tisch gelegt. Eine Reaktion, die in der neuen Chefetage auf Unverständnis stößt. Der Kauf des fünfzigprozentigen Anteils an dem Verlag von den bisherigen deutschen Besitzern sei ein normales Investmentgeschäft, erklärt Konzernsprecher Martin Danko. Der Verdacht, man wolle damit die schärfsten Kritiker mundtot machen, sei absurd:

    "Das ist völliger Unsinn. Wir wären ein schlechter Investor, wenn wir in die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion eingreifen. Eine Zeitung lebt doch vom Vertrauen der Leser. Die Proteste haben uns deshalb überrascht. Sie grenzen schon an Hysterie."

    Tatsächlich wird die Massenkündigung der SME-Redakteure von vielen Beobachtern in Bratislava durchaus kritisch beurteilt. Die Journalisten hätten voreilig die Flucht ergriffen, ohne den Konflikt mit dem neuen Besitzer zu wagen, meint der Medienwissenschaftler Eduard Chmelar. Viel gefährlicher sei dagegen eine andere Entwicklung:
    Angst vor Penta-Medienimperium
    "Penta ist dabei, sich ein Medienimperium zu erschaffen. Sie wollen auch zwei große private Fernsehsender übernehmen. Eine solche Entwicklung gefährdet in der Tat die Medienvielfalt in der Slowakei und damit unsere demokratische Gesellschaft."

    Schon jetzt hat der Konzern nicht nur den Zugriff auf die wichtigste Tageszeitung des Landes, sondern auch auf viele Regionalblätter und das größte Internetportal der Slowakei. Außerdem leiten die Penta-Manager das auflagenstärkste Nachrichtenmagazin und einige Boulevardblätter.

    "Diese Entwicklung kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Oligarchisierung der Gesellschaft hat schon vor Jahren angefangen. Die Medienvielfalt in der Slowakei wird zu Recht von der EU-Kommission als die niedrigste in Europa kritisiert."

    Das Ziel der Penta-Gruppe sei nicht Gewinnstreben, sondern die Herrschaft über den politischen Raum. Selbst wenn die Verlage rote Zahlen schrieben, lohne es sich für die Konzerne, die Medien unter Kontrolle zu haben. Matus Kostolny und seine SME-Kollegen wollen diese Entwicklung nicht kampflos hinnehmen. Gemeinsam planen sie die rasche Einrichtung eines Internetportals und langfristig die Gründung einer unabhängigen Zeitung.