Freitag, 29. März 2024

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Medienkritik
"Da lasse ich nicht mit mir spaßen"

2015 war ein turbulentes Jahr, auch für den Deutschlandfunk. Chefredakteurin Birgit Wentzien sprach im DLF über den Umgang mit dem Flüchtlingsthema, über Lücken in der Berichterstattung - und über "Putin-Propagandisten", bezahlte Schreiber, die Attacken gegen Korrespondenten des DLF unternehmen. Und hier hört für sie eindeutig der Spaß auf.

Birgit Wentzien im Gespräch mit Reinhard Bieck | 01.01.2016
    "Wir haben hier unseren Justiziar im Rücken", sagte die Chefredakteurin, und wenn eine bestimmte Schwelle überschritten werde, dann stelle man auch Strafanträge. Ein oder zwei hätten bereits Erfolg gehabt, ein weiterer laufe gerade. Birgit Wentzien betonte, sie sei sehr empfindlich, wenn Kollegen beleidigt würden in ihrem Tun. Ausdrücklich nannte sie die Korrespondenten Florian Kellermann in Warschau und Gesine Dornblüth in Moskau, sowie Sabine Adler, die immer wieder aus Osteuropa berichte. Hier sei sie "ungeheuer empfindlich".
    Nachdenklich zeigte sich Birgit Wentzien über Lücken in der Berichterstattung, etwa beim Thema Griechenland. Dieses Thema habe lange dominiert und sei nun von der Flüchtlingsthematik abgelöst worden. Dabei seien die Probleme ja keinesfalls gelöst - in Griechenland ebensowenig wie in Spanien, was sich an der hohen Jugendarbeitslosigkeit ablesen lasse. Hier müsse man eine Haltung finden, ein Thema weiterverfolgen, nach dem Motto: "Was macht eigentlich..."
    Zu wenig Platz für Vorbehalte?
    Wentzien äußerte sich auch zu dem Vorwurf, dass Medien - der DLF eingeschlossen - nicht ausgewogen berichteten, etwa über das Thema Flüchtlinge. Sie zitierte aus Hörerzuschriften, die eine "german Willkommenskultur" beklagten, die inzwischen Staatsräson sei. Andere schrieben, dass sie genug von Mitleidsgeschwafel und Hofberichterstattung hätten - und dass es keinen oder zu wenig Platz für Vorbehalte und Sorgen gebe. Das, so ein Hörer, führe zu Unmut.
    Wentzien betonte, das müsse auch den DLF beschäftigen, und darüber spreche man in den Redaktionskonferenzen. Der DLF wehre sich gegen den Vorwurf, irgendetwas "überzustülpen", sondern versuche, differenziert zu berichten. Andererseits habe man tatsächlich viele Kritiker mit dieser Berichterstattung nicht erreichen können.