Samstag, 04. Mai 2024

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Medienstreit um Chinas Auslandssender
Französische Aufsicht für CGTN

Nach mehreren Wochen Unterbrechung ist das Programm des chinesischen Staatssenders CGTN wieder in Deutschland zu empfangen. Die zuständige britische Medienaufsicht hatte die Sendelizenz entzogen. Doch nun ist Frankreich zuständig - auch wegen des Brexit.

Mark Cole im Gespräch mit Bettina Schmieding / Text: Sören Brinkmann | 16.03.2021
Mehrere Stühle stehen für eine Diskussionsrunde bereit. Im Hintergrund das Logo des staatlichen chinesischen Nachrichtensenders CGTN
CGTN (dpa/picture alliance/Alexei Danichev/Sputnik/ Bearbeitung: Deutschlandradio)
Als Nachrichtensender mit einem besonderen Fokus auf Asien und vor allem China - so hat sich das chinesisches Auslandsprogramm CGTN (China Global Television News) auf dem internationalen Medienmarkt positioniert. Als Teil der Mediengruppe CCTV untersteht aber auch CGTN den Weisungen der chinesischen Staatsführung.
In Europa ist CGTN seit Jahren über unterschiedliche Kabelnetze zu empfangen, allerdings war das Programm in Deutschland für mehrere Wochen abgeschaltet - aufgrund eines Medienstreits zwischen Großbritannien und China.
Die in Europa zuständige britische Medienaufsicht Ofcom hatte CGTN Anfang Februar die Sendelizenz entzogen und das mit politischem Einfluss begründet. Der Sender werde letztlich von der Kommunistischen Partei kontrolliert, was nach britischem Recht unzulässig sei.

Strafzahlung gegen CGTN

Darüber hinaus wurde gegen CGTN eine Strafzahlung von mehr als 250.000 Euro ausgesprochen. Dabei ging es um ein erzwungenes Geständnis eines britischen Staatsbürgers, das im Programm ausgestrahlt wurde, sowie um die Berichterstattung über die Proteste in Hongkong.
Immer wieder werden im Programm des staatlichen Fernsehsens, zu dem auch CGTN gehört, erzwungene Geständnisse ausgestrahlt.
Zwei chinesische Männer und eine Frau sitzen auf einem Podium, vor ihnen der Schriftzug CGTN. 
China nutzt den Auslandssender CGTN um eigene politische Sichtweisen zu verbreiten. (imago / Xinhua / Ju Peng)
In Folge des Lizenzentzugs wurde die Verbreitung von BBC World News in Festland-China verboten - zum Ärger der britischen Seite. Der britische Außenminister warf der Regierung in Peking die Einschränkung der Pressefreiheit vor.
Gemeinsam mit anderen Auslandssendern, wie der Deutschen Welle, teilte die BBC per Twitter ihre Sorge über die Einschränkungen mit: "Alle, die davon überzeugt sind, dass die Meinungsfreiheit ein fundamentales Menschenrecht ist, sind tief besorgt darüber, dass BBC News in China verboten wurde."
In China hieß es, BBC World News habe in Berichten über die Volksrepublik schwerwiegend gegen Vorschriften verstoßen.

CGTN nun wieder zu empfangen

Inzwischen ist CGTN in Europa wieder zu empfangen, da es über einen Satelliten unter französischer Rechthoheit sendet und somit nun die französische Medienaufsicht CSA zuständig ist. Diese erklärte, sie werde darauf achten, dass CGTN europäische Standards wie Informationspluralismus und den Verzicht auf Aufstachelung zu Hass oder Gewalt respektiere.
Der Medienrechtler Mark Cole erklärte im Deutschlandfunk, dass die CSA schlicht zuständig sei, weil CGTN über den französischen Satelliten Eutelsat verbreitet wird.
Bislang, so Cole, sei die britische Medienaufsicht Ofcom zuständig gewesen, weil die meisten großen Sender Großbritannien als Ort für die Zulassung gewählt hätten: "Sehr oft haben Sender aus dem Ausland in Großbritannien – schlicht weil das ein Hub war für audiovisuelle Medien – dort die Lizenz gesucht."
Mark Cole ist Professor für das Recht der neuen Informationstechnologien, für Medien- und Kommunikationsrecht an der Universität Luxemburg sowie Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Europäisches Medienrecht.

Bettina Schmieding: Internationale Sender geraten immer wieder ins Visier der Weltpolitik. Auf ihrem Rücken werden politische Strategien umgesetzt, wie man am Beispiel des Lizenzentzugs von BBC World News in China sehen kann. Aber sie sind auch oft ein sehr praktisches Vehikel für Staatspropaganda. Der chinesische Sender CGTN ist so ein Beispiel, wie wir gerade gehört haben. Mit Journalismus, das fand zumindest die britische Ofcom, hat das nichts zu tun. CGTN darf seit Februar in Großbritannien nicht mehr senden. Interessanterweise taucht der Sender aber trotzdem seit kurzem wieder in europäischen Netzen auf. Woran das liegt, darüber kann ich jetzt mit Mark Cole sprechen. Er ist Professor für Medienrecht an der Universität Luxemburg und wissenschaftlicher Direktor des Instituts für europäisches Medienrecht in Saarbrücken. Guten Tag, Herr Cole.
Mark Cole: Ja, guten Tag, Frau Schmieding.
Schmieding: Wie war die Zulassung solcher Sender vor dem Brexit geregelt, Herr Cole?
Cole: Ja, das ist relativ einfach und dann gleichzeitig doch sehr komplex. Im Grunde genommen kann sich jeder Sender suchen, wo er seine Heimat haben will und hat. Sehr oft haben Sender aus dem Ausland in Großbritannien – schlicht weil das ein Hub war für audiovisuelle Medien – die Lizenz gesucht, bei der Ofcom. Die Ofcom hat das geprüft, und soweit sie es für die Zulassungsbedingungen entsprechend angesehen hat, hat sie eine solche Lizenz erteilt. Sobald man in einem EU-Mitgliedstaat – Großbritannien war damals noch in der EU – eine Lizenz hatte, heißt das automatisch, dass man innerhalb des gesamten Bereichs der Europäischen Union senden darf über diese eine Lizenz. Und die anderen Mitgliedstaaten können das also dann auch nicht verhindern. Und genausowenig brauchen die Sender dann in den anderen Mitgliedstaaten eine Lizenz. Deshalb war Großbritannien, wenn man so will, das Herz der europäischen audiovisuellen Industrie, weil ganz, ganz viele Sender dort eben ihre Lizenz hatten und überall sonst in Europa über diese Lizenz empfangbar waren.
Schmieding: Also für CGTN ist jetzt in Großbritannien Schluss. Aber warum kann der chinesische Staatssender jetzt doch wieder in Europa senden, wenn eigentlich die Ofcom zuständig war?
Cole: Ja, das ist ganz interessant. Letztendlich konnte, die Ofcom aus formalen Gründen die Lizenz entziehen, weil hinter dem Konglomerat eben der Staat steht. Und nach englischen Lizenzbedingungen ist das nicht möglich, und deswegen konnte sie die Lizenz entziehen. Und dann stellte sich die Frage: was passiert im Rest von Europa? Zunächst einmal ging der Sender vom Äther, weil er ohne Lizenz in Europa nicht senden konnte. Aber dann ist Folgendes passiert: Es gibt eine Richtlinie der Europäischen Union, die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. Und die besagt, wenn ein Sender aus dem Ausland in Europa ausstrahlt und hat keine Lizenz in einem EU-Mitgliedstaat, kann es trotzdem sein, dass er unter die Rechtshoheit eines Mitgliedstaates fällt, nämlich dann, wenn eine Satellitenkapazität benutzt wird, die einem dieser Mitgliedstaaten zufällt. Und davon gibt es im Wesentlichen in Europa zwei, nämlich Frankreich über dies Unternehmen Eutelsat oder Luxemburg über SES Astra. Und in diesem Fall ist tatsächlich Folgendes passiert: Die Verbreitung, die technische Verbreitung dieses Senders, die läuft schon immer über Eutelsat. Und das bedeutet jetzt wo die englische Lizenz weggefallen war, wurde sozusagen subsidiär plötzlich Frankreich dafür zuständig. Und zwar nicht, weil sie etwa eine Lizenz an CGTN gegeben haben, sondern schlicht, weil CGTN über einen Satellit, der unter französischer Kapazität sendet, also Eutelsat verbreitet wird. Und das bedeutet, dort gibt es keine Lizenzanforderungsbedingungen. Das bedeutet der französische Staat prüft nicht etwa – oder die Aufsichtsbehörde, die CSA prüft nicht etwa, ob ein Sender theoretisch eine Lizenz bekommen könnte, sondern das ist ein rein formaler Vorgang, die benutzen diese Technik und sind damit automatisch unter französischer Rechtshoheit. Ob die das wollen oder nicht. Und jetzt gibt es aber die Möglichkeit für die französische Aufsichtsbehörde, dass auch gegen einen solchen Sender, obwohl der nicht unter Lizenzhoheit steht, sondern nur unter der Rechtshoheit wegen des Satelliten, bei Verstößen zum Beispiel gegen die Menschenwürde oder bei Aufstachelung zu Hass auch vorgegangen werden kann. Über den Satellitenbetreiber, also gar nicht direkt an den Sender dann, sondern mit dem Satellitenbetreiber.
Schmieding: Also können sich jetzt die Chinesen von CGTN ein bisschen die Hände reiben, weil sie der britischen Ofcom entkommen sind und es in Frankreich offensichtlich zuerst einmal nicht um Zulassung, sondern nur um technische Modalitäten wegen der Satellitenverbreitung geht?
Cole: Ja, andererseits vielleicht auch nicht. Also warum ja? In der Tat ist es so: die Ofcom hat ein relativ starkes Zugriffsrecht auf die Sender und hat auch übrigens mehrere Verfahren gegen CGTN geführt, zum Teil auch entschieden erst nachdem die schon vom Sender weg sind, hohe Bußgelder über hunderttausend und mehr Pfund ausgesprochen. Und da ist vielleicht die CSA etwas reduziert in dem, was sie machen darf. Auf der anderen Seite Nein. Warum? Weil die CSA bei der Verkündung, dass in der Tat CGTN jetzt letztlich unter ihrer Rechtshoheit steht, wegen dieser Verbindung zum Satelliten, da haben sie gesagt in einem Halbsatz: Wir möchten darauf hinweisen, dass sie damit auch den rechtlichen Rahmenbedingungen unterfallen, die wir kontrollieren dürfen. Dazu gehört Fairness bei der Berichterstattung. Und wenn man weiß, dass in England viele der Verfahren geführt wurden wegen unfairer Berichterstattung, dann ist das vielleicht so eine Art Ankündigung. Wir gucken ein bisschen genauer hin, als wir das sonst tun würden, wenn es nur um die technische Verbreitung geht eines Senders. Machen darf das die CSA und ich habe den Eindruck, die werden auch genauer hinschauen.
Schmieding: Also wir können jetzt mal davon ausgehen, dass der chinesische Sender sendet, er das auch ohne Erlaubnis tut. Aber er tut das nicht ohne Kontrolle?
Cole: Ja, so ist das. Und ohne Erlaubnis klingt jetzt ein bisschen so, als dürfe er das eigentlich gar nicht. Er darf das schon, aber er hat eben keine Lizenz, sondern er mietet sozusagen eine Satellitenkapazität, und die unterstellt ihn der Kontrolle Frankreichs.