Es gibt keine "Digital Natives" - denn das, was ein Baby braucht, ist nicht zu digitalisieren, sagt klipp und klar der Mediziner Bert te Wildt. In den Blickkontakt mit dem Baby dürfe sich kein Smartphone-Gerät hineinschieben.
Bert te Wildt setzt der Welt des Internets einen engen Rahmen, weil eben nicht jede Erziehungs- und Entwicklungsaufgabe sinnvoll zu digitalisieren sei. Der Forscher leitet die Medienambulanz der Ruhr-Universität Bochum und gilt als Deutschlands führender Experte in Sachen Internetsucht.
"In der Behandlung geht es überhaupt nicht darum, Internetsüchtigen das Internet quasi zu verbieten. Sondern die Bereiche, die in die Abhängigkeit geführt haben - Computerspiele, Cybersex, exzessive Soziale-Medien-Nutzung zum Beispiel - hier eine Kontrollierbarkeit herzustellen. Im besten Fall sogar eine Abstinenz. Das Internet gehört zu unserm Leben dazu. Auch mittlerweile im Sinne von iHealth im medizinischen Bereit ist es da nicht wegzudenken. Ich finde das Internet super. Es geht darum, die digitale Revolution so zu gestalten, dass sie uns nicht krank macht. Dass die Medien uns dienen und nicht wir ihnen in so einer Art von Abhängigkeit."
"Als Jugendlicher muss man selbst spüren, ob man einen Leidensdruck hat."
Wobei es für Bert te Wildt keine Hardware-Sucht, sondern rein eine Online-Sucht gibt. Vernetztes Spielen für die Jungs, ein Leben auf Whatsapp und Instagram eher für die Mädchen.
Von aktuell drei bis vier Prozent Behandlungsbedürftigen gehen die Suchtforscher aus. Und von mindestens noch einmal so vielen Jugendlichen und jungen Menschen, die unter missbräuchlichem Verhalten leiden. Andreas Pauly berät sie. Er ist der Leiter der "update-Fachstelle für Suchtprävention" der Caritas und Diakonie in Bonn und hat die Mediensucht-Konferenz organisiert.
"Als Jugendlicher muss man selbst spüren, ob man einen Leidensdruck hat. Es gibt gewisse Kriterien. Da kann man über einen Internet-Test – www.ins-netz-gehen.de – einen Selbsttest machen oder halt selbstbewusst in die Beratungsstelle gehen. Es ist jetzt der Trend im letzten halben Jahr, dass das in der Gesellschaft durchgedrungen ist: Es gibt da ein Thema und ich muss mich darum kümmern."
"Meine Mutter hat's gefreut: Ich war leise, hatte was zu tun."
Zum Beispiel um einen Platz in einem Gruppenangebot für exzessive PC-Spieler. Bei der "update Fachstelle für Suchtprävention" sind im aktuellen Kurs alle Teilnehmer Jungen. Ein Drittel hat sich selbst gemeldet. So wie Jannik. Der 17-jährige Gesamtschüler hat zwölf Jahre seiner Kindheit als Gamer verbracht und sagt, dass er davon nicht los kommt.
"Das ist einfach schrecklich, wenn Eltern den Fehler machen, wie zum Beispiel bei mir, die Kinder zu früh da ran lassen und keine Regulierung machen. Als kleines Kind war ich dauernd nur vor der Gamecube. Meine Mutter hat's gefreut: Ich war leise, hatte was zu tun. Das hat dann natürlich zu den Punkten geführt, die sehr kritisch sind: Dass man nicht rausgeht, vergisst zu essen. Und da muss man als Elternteil sehr gut drauf aufpassen, dass das Kind nicht zu viel dran hängt."
Maximal zwei Stunden Bildschirm am Tag für Unter-Zwölfjährige
Die Suchtberater bieten als Ausstiegshilfe "reality adventures" als Hilfe an. Malen, rudern, echten Sport in der Offline-Zeit, die wieder oder ganz neu entdeckt werden muss. Wobei: Was ist sie genau, die Offline-Zeit?
Andreas Pauly rätselt: "Es wird immer schwieriger, weil es verschwimmt zunehmend. Wenn man das Handy benutzt und damit online geht und Nachrichten verschickt und vielleicht für die Hausaufgaben recherchiert, dass man das Smartphone ja immer bei sich trägt. Und ist denn jetzt Musik hören "Offline-Zeit" oder ist es Genießen oder Chillen? Das ist sicher schwierig. Da müssen Eltern mit ihren Kindern drüber sprechen, was sie denn als positive Zeit bezeichnen und da halt Kompromisse finden."
Und Grenzen setzen und einhalten. Sein Tipp derzeit: Für Unter-Zwölfjährige maximal zwei Stunden Bildschirm am Tag. Fernsehen, Computer und Smartphone zusammengezählt.