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Mediensystem vor Umbau
Polens Propagandadebatte

Solider finanziert und weniger Werbung: Auf den ersten Blick sieht das, was die neue polnische Regierung mit den öffentlichen Medien vorhat, positiv aus. Doch das täuscht. Beobachter fürchten, dass Fernsehen und Radio in Polen künftig noch stärker durch die Politik kontrolliert werden als bisher.

Von Florian Kellermann | 21.11.2015
    Szydlo steht mit einem Blumenstrauss vor weißgekleideten Unterstützern und winkt.
    Polens Ministerpräsidentin Beata Szyllo: "Der Bürger hat das Recht auf gründliche und objektive Information." (AFP / JANEK SKARZYNSKI)
    Die neue polnische Regierung legt ein unerhörtes Tempo vor. Am Montag die Vereidigung der Minister, am Mittwoch die erste Parlamentssitzung. Und in der Nacht auf Donnerstag setzte sie schon die Direktoren aller Geheimdienste ab. Die frisch gebackene Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, will möglichst schnell die ganze Macht im Staat an sich reißen. Und dazu gehören in den Augen der Rechtskonservativen auch die öffentlichen Medien.
    Schon vor der Parlamentswahl hatte ihr Medienpolitiker Krzysztof Czabanski unmissverständlich erklärt:
    "Als Medienmensch versichere ich: Wir werden den Lügnern das Radio und das Fernsehen wegnehmen. Keiner von denen soll sich täuschen, die jetzt Propaganda verbreiten und die sogenannten öffentlichen Medien leiten. Die Polen haben ehrliche Medien verdient."
    Besser finanziert, besser kontrolliert
    Nun ist Czabanski Staatssekretär geworden - und zuständig für eine Reform der öffentlichen Medien. Sie soll schon Mitte des nächsten Jahres in Kraft treten und hat vor allem zwei Ziele: Zum einen will die PiS das öffentliche Radio und Fernsehen solider als bisher finanzieren. Die Bürger müssen die Rundfunkgebühren künftig wohl automatisch zusammen mit anderen Abgaben bezahlen. Im Fernsehen wird es dafür weniger Werbung geben.
    Zum anderen sollen die Medien noch lenkbarer werden als sie es bisher schon waren. Bisher sind die öffentlichen Medien als Unternehmen organisiert, künftig sollen sie Kultureinrichtungen werden - "nationale Medien", wie die Regierung sagt. Dem Radio und dem Fernsehen wird jeweils ein Direktor vorstehen, der komplett abhängig von der Staatsmacht ist. Regierung, Präsident und Parlamentsmehrheit - allesamt in der Hand der PiS - können ihn jederzeit abberufen.
    Ministerpräsidentin Beata Szydlo verhehlte in ihrer Regierungserklärung nicht, dass es ihr um direkte Kontrolle geht.
    "Die meisten Medien sind privat, auf sie sollte die Staatsmacht keinen Einfluss haben. Anders bei den öffentlichen Medien. Hier wird sich unsere Regierung und die Parlamentsmehrheit nach einer Maxime richten: Der Bürger hat das Recht auf gründliche und objektive Information."
    Als "nicht objektiv" gelten in den Augen der PiS führende Journalisten, allen voran der Fernsehjournalist Tomasz Lis. Staatssekretär Czabanski erklärte bereits, für Lis gebe es keinen Platz mehr im ersten polnischen Kanal.
    Auch Einfluss auf die privaten Medien befürchtet
    Beobachter fürchten allerdings, dass die neue Regierung trotz aller Beteuerungen auch Einfluss auf die privaten Medien nehmen wird. So kündigte sie bereits an, dass sie ausländisches Kapital zurückdrängen will. Vor allem auf dem regionalen Zeitungsmarkt haben deutsche Verlage eine beherrschende Stellung.
    Aber auch liberale Medien mit polnischem Kapital würden bald unter Druck geraten, sagt Aleksander Smolar, Leiter der Warschauer Batory-Stiftung.
    "Die Regierung kann sie durch staatliche Werbung bestrafen oder belohnen. Außerdem können Behörden unliebsamen Medien zu schaffen machen, zum Beispiel die Steuerbehörden. Polen hat große Fortschritte gemacht auf dem Weg zu einem Rechtsstaat. Aber noch ist es kein Rechtsstaat im vollen Sinne des Wortes."
    Eine Machtgarantie ist die Kontrolle über die Medien allerdings nicht. Auch die bisherige Regierungspartei "Bürgerplattform" hatte die öffentlichen und die größten privaten Medien auf ihrer Seite.