
15 sehr aufmerksame Schülerinnen und Schüler sitzen in der Klasse von Dr. Sabine Jakob. Die studierte Medizinerin steht vorn an ihrem Pult:
"Wir haben heute das Thema Gastroenterologie, Magen-Darm-Erkrankungen. Wie immer, werden wir uns häufige Erkrankungen angucken, was sie häufig sehen werden. Das werden wir heute durchnehmen. Genau."
Sabine Jakob arbeitet am Hamburger Institut für interkulturelle Bildung. Und ihre Schüler sind allesamt Mediziner mit Berufserfahrung in Syrien, Russland oder Afghanistan. Eine Teilnehmerin stammt aus Frankreich. Sie alle wollen an deutschen Krankenhäusern oder Arztpraxen ihren Beruf ausüben und dafür müssen sie die sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung bestehen, erklärt die Dozentin:
"Der Kurs hier dauert ein Jahr und ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Drittel liegt der Fokus auf dem Sprachlichen. Dann kommt ein praktisches Drittel. Und dann sind wir jetzt im letzten Drittel. Da geht es hauptsächlich noch mal um die Vertiefung der medizinischen Aspekte."
Zu ihren Schülerinnen gehört auch die Ukrainerin Anna Woloschina. Schon seit zehn Jahren arbeitet sie als Dermatologin in Deutschland, in Praxen und Kliniken. Angestellt war sie dort aber nicht als approbierte Ärztin und das will sie jetzt ändern:
"Ich habe schon ein bisschen vergessen. Ich habe halt jahrelang nur Dermatologie gemacht. Natürlich kann ich alles, aber ein bisschen habe ich vergessen. Für die Gleichwertigkeitsprüfung reicht das nicht aus."
Fünf Mal pro Woche Kurs
Und deshalb kommt sie wie ihre Kollegen fünf Mal pro Woche ins Institut für interkulturelle Bildung und lernt von 8 bis 15 Uhr all das, was auch deutsche Medizinstudenten nach ihrem Examen können müssen. Genauso wichtig wie die Theorie ist für die ausländischen Mediziner ein Einblick in die Praxis. Genau dazu dient das in den Kurs integrierte sechsmonatige Praktikum, erklärt die Geschäftsführerin des Instituts Beatrix Hösterey:
"Das ist sehr wichtig, weil die Teilnehmer sich doch daran gewöhnen müssen, wie das deutsche Krankenhaus eigentlich funktioniert. Wie die medizinische Apparate und das Hierarchiesystem im Krankenhaus hier in Deutschland funktionieren. Innerhalb dieser sechs Monate werden sie auch von uns betreut. Wir versuchen, in Reflexionswochenenden dann noch mal aufzufangen, was es vielleicht für Probleme auch im Krankenhaus gibt. Und im zweiten Modul, dass dann noch mal drei Monate dauert, werden sie von Medizinern, speziell auf die Kenntnisstandprüfung vorbereitet. Das heißt, wir haben da also Mediziner, die Chirurgie, innere Medizin, Pharmakologie unterrichten. Sie gehen auch zu einem Strahlenschutzkurs von der Ärztekammer hier in Hamburg, um dann eben danach die Prüfung auch ablegen zu können."
Motivation ist sehr hoch
Rund 8.000 Euro kostet der Kurs. Diese Kosten werden aber - wenn die Teilnehmer nur über wenig Einkommen verfügen - durch sogenannte Bildungsgutscheine gedeckt. Bewerben können sich die Mediziner, wenn sie mindestens grundlegende Deutsch-Kenntnisse haben:
"Sie müssen einmal einen allgemeinen Sprachabschluss haben auf dem Niveau B2. Das heißt, sie müssen schon gute allgemeinsprachliche Kenntnisse haben, um sich eben komplexen Textzusammenhängen auch widmen zu können. Das wird auch von der Behördenseite überprüft, wenn sie einen Antrag stellen auf Approbation. Und sie müssen einen Berufsabschluss haben, also als Arzt im Ausland schon gearbeitet haben. Das sind so die wichtigsten Voraussetzungen."
Bemerkenswert findet Beatrix Hösterey das Engagement, den Ehrgeiz der oft schon sehr erfahrenen Ärzte. Ihre Erfolgsaussichten am deutschen Arbeitsmarkt sind gut - angesichts des Ärztemangels vor allem im Osten Deutschlands. 70 Prozent von ihnen bestehen die Gleichwertigkeitsprüfung. Und wiederum 70 Prozent der neuen, alten Ärzte finden danach auch eine Stelle.