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Medizin
Fettabbau bei Krebspatienten stoppen

Bei etwa jedem zweiten Todesfall von Krebserkrankten sterben die Betroffenen nicht an den Tumoren selbst, sondern an der körperlichen Auszehrung. Bisher gibt es keine Behandlung, um den lebensbedrohlichen Gewichtsverlust aufzuhalten. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums haben ein Molekül entwickelt, mit dem der Fettabbau verhindert werden kann - zumindest im Tierversuch.

Von Volker Mrasek | 24.02.2014
    Bisher gibt es kein zugelassenes Medikament, um die körperliche Auszehrung von Krebspatienten zu behandeln, die sogenannte Tumor-Kachexie. Das ist sehr unbefriedigend. Denn vor allem bei Krebserkrankungen des Verdauungstraktes kommt es sehr häufig zu starkem Gewichtsverlust. Und das mit fatalen Folgen, wie Stephan Herzig erläutert, Molekularbiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum und Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg:
    "Beim Bauchspeicheldrüsenkrebs – wahrscheinlich bis zu 70 Prozent aller Patienten enden mit so einer Kachexie und sterben dann am Ende nicht wirklich am Tumor, sondern daran, dass sie einfach so viel Energie verlieren und das nicht mehr aufhaltbar ist."
    Der Stoffwechsel des Körpers wird katabolisch, wie man sagt. Typisch dafür:
    "Verlust von Muskelmasse, von Fettmasse. Die Patienten verlieren ganz viel Muskelmasse. Und verlieren substanziell an Energiespeicher."
    Tumoren lösen stets Entzündungsprozesse aus. Zugleich produziert der Körper bei einer Krebserkrankung vermehrt Zytokine, bestimmte Botenstoffe. Beides beeinflusst den Stoffwechsel gravierend. Er wird quasi umgepolt und legt den Rückwärtsgang ein. Betroffene verlieren fortwährend an Gewicht, die Abmagerung wird schließlich lebensbedrohlich.
    Stephan Herzig sieht aber einen neuen Ansatzpunkt im Kampf gegen die Kachexie. Auf einem Workshop am Deutschen Krebsforschungszentrum berichtete der Biologe von aktuellen Experimenten seiner Arbeitsgruppe mit Mäusen:
    "Das sind laufende Studien, die wir gerade machen. Wir haben ein Molekül entwickelt, mit dem wir verhindern können, dass Fett abgebaut wird. Und wenn wir dieses Molekül spritzen oder Tieren geben, die einen Tumor tragen, die eine Kachexie bekommen würden, dann behalten die ihr Fettgewebe. Während nach dem Ablauf des Experiments letztlich alle Kontrolltiere an der Kachexie verstorben sind, sind diejenigen, die mehr Fettgewebe haben aufgrund unserer Behandlung – ist noch mehr als die Hälfte am Leben."
    Das benutzte Molekül ist ein Peptid, also ein kleiner Eiweißstoff. Nach Aussage der Forscher brachte er bei den Mäusen Körperenzyme dazu, wieder richtig zu funktionieren. Und zwar genau jene Enzyme, die der Tumor so fehlgesteuert hatte, dass sie das Fettgewebe der Tiere abbauten.
    "Das heilt natürlich nicht den Tumor, sondern das sorgt dafür, dass in dem Fall die Tiere länger leben. Und dass man vielleicht eine größere Chance hat und ein größeres Zeitfenster gewinnt, den Tumor dann zu behandeln."
    Mehr möchte Stephan Herzig aber im Augenblick nicht verraten. Zum einen, weil die Studie noch nicht veröffentlicht ist. Zum anderen, weil es bereits Interesse vonseiten der Pharmaindustrie gebe, wie der Heidelberger Krebsexperte sagt.
    Auch andere Forschergruppen sind an dem Thema dran. Und testen zum Beispiel Substanzen, die den Appetit anregen wie das Körperhormon Ghrelin oder Cannabinoide, Wirkstoffe der Hanfpflanze. Zum Teil laufen hier sogar schon klinische Studien mit Krebspatienten. Erfolgreich abgeschlossen sind sie aber noch nicht. Auf den Durchbruch bei der Behandlung von Kachexie wartet die Medizin auch weiterhin.