Freitag, 19. April 2024

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Mediziner zu Spahn-Äußerungen
"Aussagen, dass Krebs besiegt werden könnte, sind Fake-News"

Er glaube nicht, dass Krebs insgesamt ausgerottet werden könne, sagte der Mediziner Wolfgang Eckart im Dlf. Er widersprach damit der Aussage von Gesundheitsminister Jens Spahn, die Krankheit könne in zehn bis 20 Jahren besiegt sein. Dies zu behaupten, sei "weder faktengestützt noch ethisch gerechtfertigt".

Wolfgang U. Eckart im Gespräch mit Birgid Becker | 03.02.2019
    Illustration einer Blutkrebs-Zelle
    Illustration einer Blutkrebs-Zelle (imago stock&people)
    "Solch große Fortschritte haben wir in der Krebsforschung und in der Krebstherapie nicht gemacht, dass die Hoffnung, den Krebs in zehn bis zwanzig Jahren besiegen zu können, berechtigt wäre", sagte Wolfgang Uwe Eckart weiter. Man dürfe auch nicht von "dem" Krebs sprechen, weil Krebs als Krankheitseinheit nicht existiere, sondern aus unterschiedlichen Krankheitstypen mit einem komplexen Krankheitsbild bestehe. Krebs sei auch geschlechtsspezifisch sehr unterschiedlich, betonte der emeritierte Professor für Medizingeschichte und Krebsforschung-Autor, "sodass man so globalisiert gar nicht reden darf." Statistisch gesehen habe sich in den letzten zehn Jahren nicht viel geändert. "Wir haben die gleiche Anzahl von Krebsneuerkrankungen, etwa 500.000 pro Jahr, und die gleiche Anzahl von Sterbefällen, leicht anteigend etwa 220.000 bis 225-000 pro Jahr mit einer alternden Gesellschaft."
    Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe wahrscheinlich "etwas aufgeschnappt und nicht richtig verstanden", glaubt Eckart. Die Krebstherapien seien besser geworden, es gebe ein größeres Spektrum an Möglichkeiten, Patienten könnten, im Vergleich zu früher, in einer angenehmeren Lebenssituation gehalten werden. Durch einen vernünftigen Lebenswandel und eine vernünftige Prävention könnten Krebsneuerkrankungen außerdem früh erkannt oder auch verhindert werden.
    "Wir werden nicht dahin kommen, Krebs zu besiegen"
    "Keine andere Krankheit ist mit so viel Schrecken, aber auch mit so viel Hoffnung aufseiten der Patienten und auf Seiten der Ärzte verbunden - das ist auch der Motor für Krebsforschung. Wir werden nicht dahinkommen, Krebskrankheiten zu besiegen oder den Krebs gänzlich auszutilgen", sagte der Medizinhistoriker. Aber Krebserkrankte könnten unter besseren Lebensbedingungen als früher leben, mit einer verbesserten Perspektive. Diesen Punkt habe Jens Spahn nicht angesprochen. Die individualisierte Medizin sei das Stichwort in der modernen Krebstherapie, sie sei aber mit ganz erheblichen Kosten verbunden.
    Eckart begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, mehr Geld in Forschung und Vorbeugung von Krebs investieren zu wollen. "Politik muss auch Hoffnung verbreiten, weil sie eben Politik betreibt und keine Medizin." Die Mediziner und Forscher seien heilfroh, wenn mehr investiert werde in Immunforschung, Impfmaßnahmen und radiologische Behandlungen. Das sei der richtige Weg. "Aber den Weg mit dem politischen Ziel, in zehn Jahren den Krebs besiegt haben wollen, zu verbinden, das ist weder faktengestützt, noch ethisch gerechtfertigt."
    Wichtig sei es, Krebspatienten stets die Wahrheit zu sagen und Versprechungen zu machen, die einhaltbar seien, so Eckart. Oft könnten etwa durch medikamentöse Behandlungen Verläufe hergestellt werden, die wesentliche leichter zu ertragen seien, als das früher der Fall gewesen sei. In Einzelfällen könnte auch ausgebrochene Erkrankungen individuell besiegt werden. "Alle Hypotheken auf die Zukunft im Hinblick auf Aussagen dahingehend, dass Krebs insgesamt besiegt werden könnte, das sind Fake-News, das ist politisch, populistisch - aber durch die Fakten überhaupt nicht gestützt."