Bettina Klein: Wir erinnern uns: vor knapp einem Jahr waren die Medien hierzulande auch schon voller Berichte und Fotos vom Dalai Lama. Der Besuch seinerzeit sorgte ebenfalls für viel Aufsehen. Die Frage war: woher bezieht dieser bescheidene Mann eigentlich seine Popstar-Qualitäten? Dennoch war die öffentliche Diskussion etwas anders gelagert - noch vor den lauten Protesten in Tibet, vor dem olympischen Fackellauf und vor dem umstrittenen Empfang des Dalai Lama durch die Kanzlerin im Bundeskanzleramt. Heute erscheint der Besuch weitaus politischer und er wird auch von einer offeneren politischen Kontroverse hierzulande begleitet. - Ein Thema jetzt im Gespräch mit Andreas Schockenhoff, Unionsfraktionsvize und im Auswärtigen Amt für die deutsch-russische Zusammenarbeit zuständig. Guten Morgen, Herr Schockenhoff!
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Frau Klein!
Klein: In der Frage des Umgangs mit dem Dalai Lama waren unterschiedliche Auffassungen zwischen Außenminister Steinmeier und der Kanzlerin Angela Merkel deutlich geworden, und nach dem was man hört: Bleibt das Auswärtige Amt in der Tendenz dabei, eher auf Dialog hinter verschlossenen Türen zu setzen, als auf einen öffentlichen Empfang nach Ihrer Meinung?
Schockenhoff: Ich glaube, es hat immer zwischen dem Kanzleramt und dem Außenministerium in der Außenpolitik eine gewisse Konkurrenz gegeben. Aber Angela Merkel hat der deutschen Außenpolitik etwas zurückgegeben: neben der stillen Diplomatie, die Sie ansprechen, eben auch sichtbare Zeichen. Angela Merkel ist in der DDR aufgewachsen. Sie hat Erfahrung im Umgang mit einem autoritären Regime. Deswegen hat sie sich in Moskau mit Bürgerrechtlern getroffen. Sie hat sich bei ihrem Antrittsbesuch in China mit dem katholischen Bischof von Schanghai getroffen. Sie hat in den USA Guantanamo angesprochen. Sie hat den Dalai Lama empfangen. Das hat den deutschen Interessen nicht geschadet. Es hat aber sichtbare Zeichen gesetzt, und es hat vor allem den Betroffenen vor Ort gezeigt, dass die Deutschen Menschenrechte respektieren und dass sie ihnen ein Zeichen der Solidarität setzen.
Klein: Noch mal meine Frage. Ist der Eindruck richtig, dass im Auswärtigen Amt aber weiterhin doch die Linie verfolgt wird, besser stille Diplomatie als öffentliche Empfänge für den Dalai Lama?
Schockenhoff: Den Eindruck habe ich auch. Wir brauchen auch diese stille Diplomatie. Aber neben dieser stillen Diplomatie brauchen wir auch sichtbare Zeichen, und der Eindruck, das würde den deutschen Interessen schaden, ist falsch. Ganz im Gegenteil! Das hat uns in der Welt Respekt verschafft.
Klein: Was sagen Sie dann zu der Kritik, die jetzt auch aus Reihen der SPD am geplanten Treffen des Dalai Lama mit der Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kommt?
Schockenhoff: Ich glaube, dass es richtig ist, was die Entwicklungshilfeministerin macht. Ich glaube, wir sollten solche Dinge intern besprechen. Ich glaube, dass deutsche Interessen dadurch eben nicht tangiert sind. Ganz im Gegenteil!
Klein: Das heißt, Sie beziehen da auch eine durchaus andere Position als der Außenminister in diesem Fall?
Schockenhoff: Ich glaube der Außenminister steht sehr stark in der Tradition von Gerhard Schröder, dem solche Zeichen der Solidarität, dem die Menschenrechtsfragen eigentlich zweitrangig waren. Und ich glaube, er sollte sich dort stärker emanzipieren und einen eigenen Stil finden.
Klein: Sie sprachen von Konkurrenz zwischen Bundeskanzleramt und Außenministerium, die traditionell sei. Frage ist ja auch: Braucht man vielleicht beide Strategien und muss man deshalb gar nicht so sehr den Dissens hervorheben, sondern eher, dass das Spiel mit verteilten Rollen vielleicht durchaus sinnvoll sei?
Schockenhoff: Ich glaube, das ist innenpolitisch motiviert. Das hat es zwischen Helmut Kohl und Genscher gegeben; das hat es zwischen Schröder und Fischer gegeben. Natürlich: Wir sind in der Außenpolitik erfolgreich, und die beteiligten Akteure wollen diesen Erfolg natürlich auch innenpolitisch für sich nutzen. Das ist verständlich, das ist normal. Trotzdem gibt es in der Außenpolitik doch sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als dieser oberflächliche Streit vermuten lässt.
Klein: Aber ist es in der Sache vielleicht auch geboten, diese zweigleisige Strategie zu befolgen?
Schockenhoff: Diese zweigleisige Strategie braucht sich aber nicht auf unterschiedliche Personen verteilen. Es ist ja nicht so, dass Frau Merkel nicht in sehr klarer Form unsere wirtschaftlichen Interessen ansprechen würde, dass sie nicht deutliche Worte findet, wo es um wirtschaftliche oder auch andere Fragen geht, ob das Umweltschutz, Klimawandel, Energiesicherheit ist. Sie macht eine klare Sachpolitik. Aber das ist kein Gegensatz auch zu sichtbaren Zeichen für eine wertorientierte Außenpolitik, die beide Koalitionspartner vertreten.
Klein: Steinmeier hatte sich ja vor einigen Monaten beschwert darüber, die Scherben - so wörtlich - aufkehren zu müssen, die Frau Merkel ihm in der China-Politik mit dem Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt vor die Füße gekippt habe. Das ist natürlich wirklich etwas anderes als eine Einigkeit in einer zentralen außenpolitischen Frage.
Schockenhoff: Diese Rede ist vor dem SPD-Bundesparteitag gehalten worden, wo sich Steinmeier als stellvertretender Vorsitzender der SPD empfunden hat. Er hat von Schaufensterpolitik gesprochen. Natürlich hat es kurzfristige Reaktionen in China gegeben, aber schauen Sie sich an: das ist jetzt noch nicht einmal ein Jahr her. Unsere Position heute in China ist stärker als sie vorher war. Und wer glaubt, der Verzicht auf eine Menschenrechtspolitik würde eher unseren ökonomischen Interessen dienen, der irrt. Im Gegenteil! Wir sind deshalb stark - wir sind Exportweltmeister -, weil wir eben nicht nur eine reine Marktwirtschaft betreiben, sondern weil wir eine soziale Marktwirtschaft betreiben und weil wir eine an Werten - Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte - orientierte Außenpolitik betreiben. Das macht uns nicht schwächer, sondern im Gegenteil, das macht uns stärker.
Klein: Herr Schockenhoff, wenn Sie sagen, wir brauchen auch Symbolpolitik, weshalb trifft sich dann nur eine einzige Ministerin - und zwar eine SPD-Ministerin - mit dem Dalai Lama?
Schockenhoff: Die Bundeskanzlerin ist zurzeit in Lateinamerika. Sie hat schon, bevor diese Frage dieses öffentliche Aufsehen erlangt hat, den Dalai Lama getroffen und dort ein klares Zeichen gesetzt. Dass jetzt in der Bundesregierung die Entwicklungshilfeministerin ihn trifft, ist auch von ihrer Zuständigkeit, von der Sache her glaube ich angemessen. Warum ihn der Außenminister nicht trifft, muss er selbst erklären.
Klein: Also dass es ausreicht, dass eine Ministerin ihn trifft, und alle Kritiker, die jetzt sagen, das ist irgendwie Showfill, da sagen Sie das ist eigentlich eine Kritik, die unberechtigt ist?
Schockenhoff: Wir sollten jetzt nicht die innenpolitische Wahrnehmung an die Stelle wirklich der außenpolitischen Darstellung setzen. Dieser Streit in der SPD ist ein Streit darum, wie man sich in der Koalition gegenüber dem Partner positioniert. Es ist nicht ein Streit in der Sache. Und wenn eine der zuständigen Ressortministerin den Dalai Lama trifft, dann ist es richtig und notwendig und es ist eigentlich unverständlich, warum das vorher so eine lange Diskussion ausgelöst hat.
Klein: Die Frage war ist es ausreichend, dass eine Ministerin ihn trifft? Und dann kann man auch sagen, für diesen Besuch soll das jetzt auch gut sein?
Schockenhoff: Natürlich ist das ausreichend. Die Bundesregierung spricht immer für die gesamte deutsche Politik. Wenn in der Bundesregierung vereinbart wird, wer diese Aufgabe wahrnimmt, dann kann man nicht hinterher fragen, müssen den drei, vier oder ein Minister treffen. Die Bundesregierung trifft ihn und die Frau Wieczorek-Zeul als Entwicklungshilfeministerin ist ein vollwertiges Mitglied dieser Bundesregierung. Deswegen ist das natürlich ausreichend.
Klein: Der Außenminister kommt heute zurück von seiner Russland-Reise. Er hat dort zum ersten Mal den neu gewählten Präsidenten Medwedew getroffen. Ziehen SPD und Union komplett an einem Strang, was die Beziehungen zu Russland angeht?
Schockenhoff: Ich glaube in der Russland-Politik inzwischen ja. Ich begrüße es ausdrücklich, dass auch der Außenminister jetzt mit deutlichen Worten geworben hat für eine lebendige Zivilgesellschaft, für einen verlässlichen Rechtstaat, für eine Öffentlichkeit, in der unterschiedliche Meinungen miteinander ringen, für eine umfassende Modernisierungspartnerschaft. Ich glaube, dass dort die deutsche Politik wirklich an einem Strang zieht.
Klein: Und die Union kann auch darauf verzichten, in der Außenpolitik zum Beispiel mit Blick auf Russland eigene Akzente zu setzen und sich von der SPD bewusst abzuheben?
Schockenhoff: Das haben wir frühzeitig gemacht. Die Kanzlerin war es als erste, die in Russland Bürgerrechtler getroffen hat. Die Kanzlerin hat als erstes den neuen Ministerpräsidenten besucht und deutlich gemacht, dass sie ihn beim Wort nimmt. Das heißt, dass die Reden, die er gehalten hat, wo er von Modernisierung spricht, wo er von Freiräumen für die Bürger, einer Zuwendung zu den Menschen, einer neuen Mittelschicht spricht, dass wir ihn dabei auch beim Wort nehmen wollen. Sie hat ihn besucht am Tag nach seiner Wahl. Also ich glaube, es wäre jetzt auch falsch, wenn wir bei jedem Thema versuchen, eifersüchtig darauf zu achten, wer in der Koalition jetzt was zuerst macht und wie er es macht. Der Außenminister ist wirklich auf dem Kurs der Union, und es ist auch sein Kurs. Deswegen brauchen wir nicht innenpolitisch uns das gegenseitig missgönnen.
Klein: Abschließend, Herr Schockenhoff: Wird Medwedew eigentlich mit Recht Hoffnungsträger genannt? Ähnliche Akzente wie er hatte ja auch der bisherige Präsident Putin in seiner Antrittsrede gesetzt. Da war auch viel die Rede vom Aufbau eines Rechtstaates. Passiert ist indes allerdings nicht sehr viel.
Schockenhoff: Medwedew gehört einer ganz neuen Generation russischer Politiker an. Er ist der erste Führungsmann im Kreml, der nicht in der Sowjetunion politisch groß geworden ist, der nicht in den Geheimdiensten verankert ist. Man soll glaube ich seine Durchsetzungsfähigkeit nicht unterschätzen. Ich glaube, dass er durchaus das Potenzial hat, einen eigenen Akzent zu setzen. Aber die Worte, die wir von ihm gehört haben, die uns gefallen haben, sind noch keine Taten. Deswegen müssen wir ihn daran erinnern, und wir müssen uns auch einmischen in die innere Debatte Russlands, denn die Zukunft Russlands ist auch für uns von existenzieller Bedeutung. Deutschland und Russland sind im 21. Jahrhundert noch enger aufeinander angewiesen, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Frau Klein!
Klein: In der Frage des Umgangs mit dem Dalai Lama waren unterschiedliche Auffassungen zwischen Außenminister Steinmeier und der Kanzlerin Angela Merkel deutlich geworden, und nach dem was man hört: Bleibt das Auswärtige Amt in der Tendenz dabei, eher auf Dialog hinter verschlossenen Türen zu setzen, als auf einen öffentlichen Empfang nach Ihrer Meinung?
Schockenhoff: Ich glaube, es hat immer zwischen dem Kanzleramt und dem Außenministerium in der Außenpolitik eine gewisse Konkurrenz gegeben. Aber Angela Merkel hat der deutschen Außenpolitik etwas zurückgegeben: neben der stillen Diplomatie, die Sie ansprechen, eben auch sichtbare Zeichen. Angela Merkel ist in der DDR aufgewachsen. Sie hat Erfahrung im Umgang mit einem autoritären Regime. Deswegen hat sie sich in Moskau mit Bürgerrechtlern getroffen. Sie hat sich bei ihrem Antrittsbesuch in China mit dem katholischen Bischof von Schanghai getroffen. Sie hat in den USA Guantanamo angesprochen. Sie hat den Dalai Lama empfangen. Das hat den deutschen Interessen nicht geschadet. Es hat aber sichtbare Zeichen gesetzt, und es hat vor allem den Betroffenen vor Ort gezeigt, dass die Deutschen Menschenrechte respektieren und dass sie ihnen ein Zeichen der Solidarität setzen.
Klein: Noch mal meine Frage. Ist der Eindruck richtig, dass im Auswärtigen Amt aber weiterhin doch die Linie verfolgt wird, besser stille Diplomatie als öffentliche Empfänge für den Dalai Lama?
Schockenhoff: Den Eindruck habe ich auch. Wir brauchen auch diese stille Diplomatie. Aber neben dieser stillen Diplomatie brauchen wir auch sichtbare Zeichen, und der Eindruck, das würde den deutschen Interessen schaden, ist falsch. Ganz im Gegenteil! Das hat uns in der Welt Respekt verschafft.
Klein: Was sagen Sie dann zu der Kritik, die jetzt auch aus Reihen der SPD am geplanten Treffen des Dalai Lama mit der Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kommt?
Schockenhoff: Ich glaube, dass es richtig ist, was die Entwicklungshilfeministerin macht. Ich glaube, wir sollten solche Dinge intern besprechen. Ich glaube, dass deutsche Interessen dadurch eben nicht tangiert sind. Ganz im Gegenteil!
Klein: Das heißt, Sie beziehen da auch eine durchaus andere Position als der Außenminister in diesem Fall?
Schockenhoff: Ich glaube der Außenminister steht sehr stark in der Tradition von Gerhard Schröder, dem solche Zeichen der Solidarität, dem die Menschenrechtsfragen eigentlich zweitrangig waren. Und ich glaube, er sollte sich dort stärker emanzipieren und einen eigenen Stil finden.
Klein: Sie sprachen von Konkurrenz zwischen Bundeskanzleramt und Außenministerium, die traditionell sei. Frage ist ja auch: Braucht man vielleicht beide Strategien und muss man deshalb gar nicht so sehr den Dissens hervorheben, sondern eher, dass das Spiel mit verteilten Rollen vielleicht durchaus sinnvoll sei?
Schockenhoff: Ich glaube, das ist innenpolitisch motiviert. Das hat es zwischen Helmut Kohl und Genscher gegeben; das hat es zwischen Schröder und Fischer gegeben. Natürlich: Wir sind in der Außenpolitik erfolgreich, und die beteiligten Akteure wollen diesen Erfolg natürlich auch innenpolitisch für sich nutzen. Das ist verständlich, das ist normal. Trotzdem gibt es in der Außenpolitik doch sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als dieser oberflächliche Streit vermuten lässt.
Klein: Aber ist es in der Sache vielleicht auch geboten, diese zweigleisige Strategie zu befolgen?
Schockenhoff: Diese zweigleisige Strategie braucht sich aber nicht auf unterschiedliche Personen verteilen. Es ist ja nicht so, dass Frau Merkel nicht in sehr klarer Form unsere wirtschaftlichen Interessen ansprechen würde, dass sie nicht deutliche Worte findet, wo es um wirtschaftliche oder auch andere Fragen geht, ob das Umweltschutz, Klimawandel, Energiesicherheit ist. Sie macht eine klare Sachpolitik. Aber das ist kein Gegensatz auch zu sichtbaren Zeichen für eine wertorientierte Außenpolitik, die beide Koalitionspartner vertreten.
Klein: Steinmeier hatte sich ja vor einigen Monaten beschwert darüber, die Scherben - so wörtlich - aufkehren zu müssen, die Frau Merkel ihm in der China-Politik mit dem Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt vor die Füße gekippt habe. Das ist natürlich wirklich etwas anderes als eine Einigkeit in einer zentralen außenpolitischen Frage.
Schockenhoff: Diese Rede ist vor dem SPD-Bundesparteitag gehalten worden, wo sich Steinmeier als stellvertretender Vorsitzender der SPD empfunden hat. Er hat von Schaufensterpolitik gesprochen. Natürlich hat es kurzfristige Reaktionen in China gegeben, aber schauen Sie sich an: das ist jetzt noch nicht einmal ein Jahr her. Unsere Position heute in China ist stärker als sie vorher war. Und wer glaubt, der Verzicht auf eine Menschenrechtspolitik würde eher unseren ökonomischen Interessen dienen, der irrt. Im Gegenteil! Wir sind deshalb stark - wir sind Exportweltmeister -, weil wir eben nicht nur eine reine Marktwirtschaft betreiben, sondern weil wir eine soziale Marktwirtschaft betreiben und weil wir eine an Werten - Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte - orientierte Außenpolitik betreiben. Das macht uns nicht schwächer, sondern im Gegenteil, das macht uns stärker.
Klein: Herr Schockenhoff, wenn Sie sagen, wir brauchen auch Symbolpolitik, weshalb trifft sich dann nur eine einzige Ministerin - und zwar eine SPD-Ministerin - mit dem Dalai Lama?
Schockenhoff: Die Bundeskanzlerin ist zurzeit in Lateinamerika. Sie hat schon, bevor diese Frage dieses öffentliche Aufsehen erlangt hat, den Dalai Lama getroffen und dort ein klares Zeichen gesetzt. Dass jetzt in der Bundesregierung die Entwicklungshilfeministerin ihn trifft, ist auch von ihrer Zuständigkeit, von der Sache her glaube ich angemessen. Warum ihn der Außenminister nicht trifft, muss er selbst erklären.
Klein: Also dass es ausreicht, dass eine Ministerin ihn trifft, und alle Kritiker, die jetzt sagen, das ist irgendwie Showfill, da sagen Sie das ist eigentlich eine Kritik, die unberechtigt ist?
Schockenhoff: Wir sollten jetzt nicht die innenpolitische Wahrnehmung an die Stelle wirklich der außenpolitischen Darstellung setzen. Dieser Streit in der SPD ist ein Streit darum, wie man sich in der Koalition gegenüber dem Partner positioniert. Es ist nicht ein Streit in der Sache. Und wenn eine der zuständigen Ressortministerin den Dalai Lama trifft, dann ist es richtig und notwendig und es ist eigentlich unverständlich, warum das vorher so eine lange Diskussion ausgelöst hat.
Klein: Die Frage war ist es ausreichend, dass eine Ministerin ihn trifft? Und dann kann man auch sagen, für diesen Besuch soll das jetzt auch gut sein?
Schockenhoff: Natürlich ist das ausreichend. Die Bundesregierung spricht immer für die gesamte deutsche Politik. Wenn in der Bundesregierung vereinbart wird, wer diese Aufgabe wahrnimmt, dann kann man nicht hinterher fragen, müssen den drei, vier oder ein Minister treffen. Die Bundesregierung trifft ihn und die Frau Wieczorek-Zeul als Entwicklungshilfeministerin ist ein vollwertiges Mitglied dieser Bundesregierung. Deswegen ist das natürlich ausreichend.
Klein: Der Außenminister kommt heute zurück von seiner Russland-Reise. Er hat dort zum ersten Mal den neu gewählten Präsidenten Medwedew getroffen. Ziehen SPD und Union komplett an einem Strang, was die Beziehungen zu Russland angeht?
Schockenhoff: Ich glaube in der Russland-Politik inzwischen ja. Ich begrüße es ausdrücklich, dass auch der Außenminister jetzt mit deutlichen Worten geworben hat für eine lebendige Zivilgesellschaft, für einen verlässlichen Rechtstaat, für eine Öffentlichkeit, in der unterschiedliche Meinungen miteinander ringen, für eine umfassende Modernisierungspartnerschaft. Ich glaube, dass dort die deutsche Politik wirklich an einem Strang zieht.
Klein: Und die Union kann auch darauf verzichten, in der Außenpolitik zum Beispiel mit Blick auf Russland eigene Akzente zu setzen und sich von der SPD bewusst abzuheben?
Schockenhoff: Das haben wir frühzeitig gemacht. Die Kanzlerin war es als erste, die in Russland Bürgerrechtler getroffen hat. Die Kanzlerin hat als erstes den neuen Ministerpräsidenten besucht und deutlich gemacht, dass sie ihn beim Wort nimmt. Das heißt, dass die Reden, die er gehalten hat, wo er von Modernisierung spricht, wo er von Freiräumen für die Bürger, einer Zuwendung zu den Menschen, einer neuen Mittelschicht spricht, dass wir ihn dabei auch beim Wort nehmen wollen. Sie hat ihn besucht am Tag nach seiner Wahl. Also ich glaube, es wäre jetzt auch falsch, wenn wir bei jedem Thema versuchen, eifersüchtig darauf zu achten, wer in der Koalition jetzt was zuerst macht und wie er es macht. Der Außenminister ist wirklich auf dem Kurs der Union, und es ist auch sein Kurs. Deswegen brauchen wir nicht innenpolitisch uns das gegenseitig missgönnen.
Klein: Abschließend, Herr Schockenhoff: Wird Medwedew eigentlich mit Recht Hoffnungsträger genannt? Ähnliche Akzente wie er hatte ja auch der bisherige Präsident Putin in seiner Antrittsrede gesetzt. Da war auch viel die Rede vom Aufbau eines Rechtstaates. Passiert ist indes allerdings nicht sehr viel.
Schockenhoff: Medwedew gehört einer ganz neuen Generation russischer Politiker an. Er ist der erste Führungsmann im Kreml, der nicht in der Sowjetunion politisch groß geworden ist, der nicht in den Geheimdiensten verankert ist. Man soll glaube ich seine Durchsetzungsfähigkeit nicht unterschätzen. Ich glaube, dass er durchaus das Potenzial hat, einen eigenen Akzent zu setzen. Aber die Worte, die wir von ihm gehört haben, die uns gefallen haben, sind noch keine Taten. Deswegen müssen wir ihn daran erinnern, und wir müssen uns auch einmischen in die innere Debatte Russlands, denn die Zukunft Russlands ist auch für uns von existenzieller Bedeutung. Deutschland und Russland sind im 21. Jahrhundert noch enger aufeinander angewiesen, als das in der Vergangenheit der Fall war.