Kaess: Am vergangenen Montag hat der russische Präsident Wladimir Putin sein jahrelanges Zögern beendet. Er sagte seinem engen Vertrauten Dmitrij Medwedew seine Unterstützung als Präsidentschaftskandidat zu. Der ist neben dem Amt des Vizepremiers auch Aufsichtsratschef beim staatlichen Gasmonopolisten Gazprom und nach allem, was über die Parlamentswahlen Anfang Dezember und das System Putin bekannt ist, hat Medwedew beste Chancen, auch ins Amt des Präsidenten gewählt zu werden.
Gestern nun wurde auch die letzte Katze aus dem Sack gelassen. Medwedew kündigte an, er wünsche sich den scheidenden Kreml-Chef Putin als Ministerpräsidenten, sollte er Präsident werden. - Am Telefon ist Andrei Zagorski vom Moskauer Institut für internationale Beziehungen. Guten Morgen!
Zagorski: Guten Morgen!
Kaess: Herr Zagorski, haben Sie die Ankündigungen der letzten Tage überrascht?
Zagorski: Das hat die meisten überrascht, denn die meisten Namen, die noch einen Tag vor der Ernennung im Gespräch waren, waren völlig anders.
Kaess: Und wie waren die?
Zagorski: Meistens ging das Gespräch in Richtung Sergei Iwanow, auch ein Vizeministerpräsident, früher ein Verteidigungsminister in Russland und seit langen Jahren ein enger Gefährte von Putin.
Kaess: Warum hat sich Putin denn letztendlich für Medwedew entschieden?
Zagorski: Wir können natürlich darüber spekulieren. Wir wissen nicht, was im Kopf von Putin vor sich gegangen ist, als er sich entschieden hat. Medwedew galt seit langem als sein eventueller Kronprinz. Seit zwei Jahren eigentlich schon war er meistens als Favorit im Gespräch. Ich denke eine bestimmte Rolle müssen dabei auch die letzten Wahlen in die Staatsduma, ins Parlament Russlands gespielt haben, wo Putin keine so große Unterstützung bekommen hat, wie man das früher erwartet hat. Ich gehe davon aus, dass auch die überwiegend negative Reaktion aus dem Westen eine Rolle gespielt haben muss, denn es ist deutlich, dass Putin nach allen Streitigkeiten auch mit den Geheimdienstlern in seiner Mannschaft sich trotzdem für den liberalen Medwedew entschieden hat.
Kaess: Rechnen Sie noch mit weiteren Überraschungen, zum Beispiel dass Putin sagt, er nimmt den Vorschlag von Medwedew, Regierungschef zu werden, nicht an?
Zagorski: Man geht davon aus, dass Putin die Entscheidung hinauszögern möchte. Medwedew will natürlich mit seinem Namen auch weitere Werbung für sich machen als Präsidentschaftskandidat. Man geht grundsätzlich davon aus, dass Putin sich nicht vor Februar oder März entscheiden muss und üblicherweise zögert er mit solchen Entscheidungen. In der Tat muss er sich dann erst im März entscheiden.
Kaess: Halten Sie ein Szenario für möglich, dass Medwedew den Präsidentenplatz für Putin nur eine Weile freihält und Putin nach einiger Zeit in das Amt des Präsidenten zurückkehren könnte?
Zagorski: Das ist eines der Szenarien, die im Gespräch sind, aber das heißt alle Szenarien nach dem kommenden März sind noch offen. Darüber wird erst nach März entschieden. Grundsätzlich geht man in der meisten Berichterstattung davon aus, dass Medwedew ein schwacher Präsident ist. Er ist ein guter Manager, gilt als guter Manager, ist ein guter Jurist dabei, aber kein Machtpolitiker. Er hat keine Macht über die Machtministerien in Russland. So geht man davon aus, dass ein schwacher Präsident vielleicht dazu da ist, den Weg für Putin für die dritte Amtszeit nach einer Zäsur zu räumen. Nur dagegen spricht natürlich, dass Medwedew zu jung dafür ist.
Kaess: Ein schwacher Präsident sagen Sie. Wie wird sich denn auf der anderen Seite Putin eine starke Stellung als Ministerpräsident sichern, denn bisher sieht die russische Verfassung ja die starke Position eben für den Präsidenten vor?
Zagorski: Das ist eben das Problem. Man geht grundsätzlich davon aus: Zwar kennt sich Medwedew aus seiner Zeit im Präsidialamt mit den Machtministerien aus. Er war lange Zeit, also einige Jahre auf jeden Fall, Chef des Präsidialamtes in Moskau. Als Vizepräsident musste er auch damit umgehen. Nur auch wenn er wenig Erfahrung mit Machtministerien hat, unterliegen sie dem Präsidenten direkt. Das heißt der Ministerpräsident hat dort wenig zu sagen. Wenn Putin einmal raus ist, dann muss er auch nicht mehr so viel Macht über die Ministerien haben.
Kaess: Könnte sich auf der anderen Seite Medwedew genauso entwickeln wie Putin das einst getan hat und zum Machtmenschen werden?
Zagorski: Ja das ist auch ein anderes Problem, denn man hat immer die Wahl zwischen einem starken und schwachen Nachfolger, wenn man den Nachfolger ernennen kann, wie das in Russland der Fall ist, und das ist ja auch Teil des Dilemmas für Putin, denn wie schwach oder wie stark der Nachfolger ist, da gibt es immer die Tendenz, dass auch ein so genannter technischer Präsident sich zu einer selbständigen Figur entwickelt und dann die ganze Fülle der Macht an sich reißt. Er hat alle Möglichkeiten dazu laut der Verfassung und das ging genauso mit Putin vor acht Jahren.
Kaess: Herr Zagorski, schauen wir auf die Reaktionen des Westens. Dort hat man überwiegend positiv reagiert. Auch die deutsche Bundesregierung hat die Nominierung Medwedews begrüßt. Enttäuscht Sie diese Reaktion?
Zagorski: Im Grunde genommen ist diese Reaktion verständlich.
Kaess: Warum?
Zagorski: Auf der einen Seite hat man dem Westen lange Zeit eingeredet, jetzt kommen die Leute aus den Machtministerien an die Macht, und Medwedew ist natürlich eine viel bessere Alternative. Vielleicht nicht so eindeutig, wie man das oft annimmt, aber er gilt als ein Liberaler. Er kommt nicht aus dem machtpolitischen Bereich. Er kommt aus dem juristischen Bereich und so weiter. Er ist auch bekannt für die vielen Ansprechpartner im Westen. Das heißt er ist auf jeden Fall eine bessere Option als manche von denen, von denen man früher und in den letzten Monaten gesprochen hat.
Die andere Seite der Medaille ist natürlich die: es scheint so zu sein, als hätte der Westen schon die Wahlergebnisse vor der Wahl akzeptiert. Aber so geht es in Moskau und solange der Westen nicht bereit ist, ernsthaft das Thema anzusprechen, muss er mit den Russen leben wie es eben ist.
Kaess: Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagt, die Benennung Medwedews sei eine Stärkung der zivilen Kräfte in Russland. Hat er Recht?
Zagorski: Das mag sein. Die Stärkung in dem Sinne, dass man im Moment einen zivilen Kandidaten für den Posten hat. Was noch offen bleibt sind die ganzen Arrangements, die bis zum März laufen müssen, die ganzen Personalentscheidungen. Wie soll Medwedew eingeschränkt und von Leuten umstellt werden? Da muss man genau hinschauen, bis März und insbesondere nach März, denn Medwedew wird natürlich auf jeden Fall in der ersten Phase nicht die freie Hand haben, alle Personalentscheidungen selbst zu treffen.
Kaess: Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für die Opposition in Russland?
Zagorski: Das war kein gutes Signal, auch für die Liberalen in Russland, wie schwach sie auch sind, denn auch die Union der rechten Kräfte, eine der Parteien, die vor kurzem kandidiert hatte, hat erklärt, zwar ist Medwedew sympathisch. Man weiß genau, dass das die Stimmen wegnimmt. Man wirft zwar seinen eigenen Kandidaten ins Rennen, aber geht davon aus, dass Medwedew dem liberalen Lager die Stimmen stiehlt.
Kaess: Der Westen verspricht sich von den jüngsten Entwicklungen Stabilität. Kann man daraus ableiten, dass Russland als Partner in Energiefragen jetzt verlässlicher wird?
Zagorski: Es bleibt nicht mehr und nicht weniger verlässlich. Das hängt nicht vom Präsidenten ab, egal wie der Präsident heißt. Medwedew ist natürlich einer, der auf Kooperation ausgerichtet ist, hat sich auch als verlässlicher Partner erwiesen in Kontakten mit dem Ausland. Gleichzeitig muss man auch sehen: er war doch der Aufsichtsratsvorsitzende von Gazprom gerade in den Zeiten, wo die meisten Kontroversen gelaufen sind. Das heißt mehr Stabilität wohl kaum, weniger wohl auch nicht.
Kaess: Jenseits der Energiefragen hat Moskau heute Nacht den KSE-Vertrag ausgesetzt. Welche Zukunft sehen Sie für die Beziehungen zwischen Russland und den westlichen Staaten vor diesem Hintergrund?
Zagorski: Eines, was man von Medwedew erwartet, zu Recht oder zu Unrecht, dass er auch eine Verbesserung mit den westlichen Staaten anstreben würde. Das scheint auch in der Logik der russischen Machtpolitik zu sein. Jeder Präsident beginnt mit einer Verbesserung der Beziehungen mit dem Westen, endet aber in einer heißen Kontroverse. So war es bei Boris Jelzin gelaufen, so ist es auch bei Putin gelaufen. So denke ich gibt es Grund zur Annahme, dass ein neuer Präsident, ein Nachfolger ab Sommer nächsten Jahres damit beginnt, das Verhältnis mit dem Westen zu reparieren. Es gibt auch gute Anlässe dazu.
Kaess: Auf welche Art und Weise könnte das passieren?
Zagorski: Es gibt gute Anlässe dazu. Das Gipfeltreffen mit der Europäischen Union ist auf den Juni vertagt worden, zu Recht, weil im Frühjahr noch die Nachwahlkontroversen in Moskau weiterlaufen. Das Juni-Treffen könnte man gut dazu nutzen, den Dialog wieder aufzunehmen und die Verhandlungen zu beginnen, insbesondere weil inzwischen sich das russisch-polnische Verhältnis zu bessern scheint. Ich denke auch solche Beispiele wie der KSE-Vertrag können als Anlass dazu dienen, dass man zwar nicht unbedingt zurückkehrt in das Regime. Ich denke der alte KSE-Vertrag ist tot. Aber bis Juni hat Moskau Zeit gegeben, um zu entscheiden, wie es weiter geht. Ich gehe davon aus, dass ein neuer Präsident - wer immer das ist - auch das zum Anlass nimmt, durch die Verhandlungen mit dem Westen, durch die Inkraftsetzung des neuen Vertrages auch die Beziehungen zu verbessern.
Kaess: Andrei Zagorski vom Moskauer Institut für internationale Beziehungen. Vielen Dank für das Gespräch!
Zagorski: Sehr gerne!
Gestern nun wurde auch die letzte Katze aus dem Sack gelassen. Medwedew kündigte an, er wünsche sich den scheidenden Kreml-Chef Putin als Ministerpräsidenten, sollte er Präsident werden. - Am Telefon ist Andrei Zagorski vom Moskauer Institut für internationale Beziehungen. Guten Morgen!
Zagorski: Guten Morgen!
Kaess: Herr Zagorski, haben Sie die Ankündigungen der letzten Tage überrascht?
Zagorski: Das hat die meisten überrascht, denn die meisten Namen, die noch einen Tag vor der Ernennung im Gespräch waren, waren völlig anders.
Kaess: Und wie waren die?
Zagorski: Meistens ging das Gespräch in Richtung Sergei Iwanow, auch ein Vizeministerpräsident, früher ein Verteidigungsminister in Russland und seit langen Jahren ein enger Gefährte von Putin.
Kaess: Warum hat sich Putin denn letztendlich für Medwedew entschieden?
Zagorski: Wir können natürlich darüber spekulieren. Wir wissen nicht, was im Kopf von Putin vor sich gegangen ist, als er sich entschieden hat. Medwedew galt seit langem als sein eventueller Kronprinz. Seit zwei Jahren eigentlich schon war er meistens als Favorit im Gespräch. Ich denke eine bestimmte Rolle müssen dabei auch die letzten Wahlen in die Staatsduma, ins Parlament Russlands gespielt haben, wo Putin keine so große Unterstützung bekommen hat, wie man das früher erwartet hat. Ich gehe davon aus, dass auch die überwiegend negative Reaktion aus dem Westen eine Rolle gespielt haben muss, denn es ist deutlich, dass Putin nach allen Streitigkeiten auch mit den Geheimdienstlern in seiner Mannschaft sich trotzdem für den liberalen Medwedew entschieden hat.
Kaess: Rechnen Sie noch mit weiteren Überraschungen, zum Beispiel dass Putin sagt, er nimmt den Vorschlag von Medwedew, Regierungschef zu werden, nicht an?
Zagorski: Man geht davon aus, dass Putin die Entscheidung hinauszögern möchte. Medwedew will natürlich mit seinem Namen auch weitere Werbung für sich machen als Präsidentschaftskandidat. Man geht grundsätzlich davon aus, dass Putin sich nicht vor Februar oder März entscheiden muss und üblicherweise zögert er mit solchen Entscheidungen. In der Tat muss er sich dann erst im März entscheiden.
Kaess: Halten Sie ein Szenario für möglich, dass Medwedew den Präsidentenplatz für Putin nur eine Weile freihält und Putin nach einiger Zeit in das Amt des Präsidenten zurückkehren könnte?
Zagorski: Das ist eines der Szenarien, die im Gespräch sind, aber das heißt alle Szenarien nach dem kommenden März sind noch offen. Darüber wird erst nach März entschieden. Grundsätzlich geht man in der meisten Berichterstattung davon aus, dass Medwedew ein schwacher Präsident ist. Er ist ein guter Manager, gilt als guter Manager, ist ein guter Jurist dabei, aber kein Machtpolitiker. Er hat keine Macht über die Machtministerien in Russland. So geht man davon aus, dass ein schwacher Präsident vielleicht dazu da ist, den Weg für Putin für die dritte Amtszeit nach einer Zäsur zu räumen. Nur dagegen spricht natürlich, dass Medwedew zu jung dafür ist.
Kaess: Ein schwacher Präsident sagen Sie. Wie wird sich denn auf der anderen Seite Putin eine starke Stellung als Ministerpräsident sichern, denn bisher sieht die russische Verfassung ja die starke Position eben für den Präsidenten vor?
Zagorski: Das ist eben das Problem. Man geht grundsätzlich davon aus: Zwar kennt sich Medwedew aus seiner Zeit im Präsidialamt mit den Machtministerien aus. Er war lange Zeit, also einige Jahre auf jeden Fall, Chef des Präsidialamtes in Moskau. Als Vizepräsident musste er auch damit umgehen. Nur auch wenn er wenig Erfahrung mit Machtministerien hat, unterliegen sie dem Präsidenten direkt. Das heißt der Ministerpräsident hat dort wenig zu sagen. Wenn Putin einmal raus ist, dann muss er auch nicht mehr so viel Macht über die Ministerien haben.
Kaess: Könnte sich auf der anderen Seite Medwedew genauso entwickeln wie Putin das einst getan hat und zum Machtmenschen werden?
Zagorski: Ja das ist auch ein anderes Problem, denn man hat immer die Wahl zwischen einem starken und schwachen Nachfolger, wenn man den Nachfolger ernennen kann, wie das in Russland der Fall ist, und das ist ja auch Teil des Dilemmas für Putin, denn wie schwach oder wie stark der Nachfolger ist, da gibt es immer die Tendenz, dass auch ein so genannter technischer Präsident sich zu einer selbständigen Figur entwickelt und dann die ganze Fülle der Macht an sich reißt. Er hat alle Möglichkeiten dazu laut der Verfassung und das ging genauso mit Putin vor acht Jahren.
Kaess: Herr Zagorski, schauen wir auf die Reaktionen des Westens. Dort hat man überwiegend positiv reagiert. Auch die deutsche Bundesregierung hat die Nominierung Medwedews begrüßt. Enttäuscht Sie diese Reaktion?
Zagorski: Im Grunde genommen ist diese Reaktion verständlich.
Kaess: Warum?
Zagorski: Auf der einen Seite hat man dem Westen lange Zeit eingeredet, jetzt kommen die Leute aus den Machtministerien an die Macht, und Medwedew ist natürlich eine viel bessere Alternative. Vielleicht nicht so eindeutig, wie man das oft annimmt, aber er gilt als ein Liberaler. Er kommt nicht aus dem machtpolitischen Bereich. Er kommt aus dem juristischen Bereich und so weiter. Er ist auch bekannt für die vielen Ansprechpartner im Westen. Das heißt er ist auf jeden Fall eine bessere Option als manche von denen, von denen man früher und in den letzten Monaten gesprochen hat.
Die andere Seite der Medaille ist natürlich die: es scheint so zu sein, als hätte der Westen schon die Wahlergebnisse vor der Wahl akzeptiert. Aber so geht es in Moskau und solange der Westen nicht bereit ist, ernsthaft das Thema anzusprechen, muss er mit den Russen leben wie es eben ist.
Kaess: Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagt, die Benennung Medwedews sei eine Stärkung der zivilen Kräfte in Russland. Hat er Recht?
Zagorski: Das mag sein. Die Stärkung in dem Sinne, dass man im Moment einen zivilen Kandidaten für den Posten hat. Was noch offen bleibt sind die ganzen Arrangements, die bis zum März laufen müssen, die ganzen Personalentscheidungen. Wie soll Medwedew eingeschränkt und von Leuten umstellt werden? Da muss man genau hinschauen, bis März und insbesondere nach März, denn Medwedew wird natürlich auf jeden Fall in der ersten Phase nicht die freie Hand haben, alle Personalentscheidungen selbst zu treffen.
Kaess: Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für die Opposition in Russland?
Zagorski: Das war kein gutes Signal, auch für die Liberalen in Russland, wie schwach sie auch sind, denn auch die Union der rechten Kräfte, eine der Parteien, die vor kurzem kandidiert hatte, hat erklärt, zwar ist Medwedew sympathisch. Man weiß genau, dass das die Stimmen wegnimmt. Man wirft zwar seinen eigenen Kandidaten ins Rennen, aber geht davon aus, dass Medwedew dem liberalen Lager die Stimmen stiehlt.
Kaess: Der Westen verspricht sich von den jüngsten Entwicklungen Stabilität. Kann man daraus ableiten, dass Russland als Partner in Energiefragen jetzt verlässlicher wird?
Zagorski: Es bleibt nicht mehr und nicht weniger verlässlich. Das hängt nicht vom Präsidenten ab, egal wie der Präsident heißt. Medwedew ist natürlich einer, der auf Kooperation ausgerichtet ist, hat sich auch als verlässlicher Partner erwiesen in Kontakten mit dem Ausland. Gleichzeitig muss man auch sehen: er war doch der Aufsichtsratsvorsitzende von Gazprom gerade in den Zeiten, wo die meisten Kontroversen gelaufen sind. Das heißt mehr Stabilität wohl kaum, weniger wohl auch nicht.
Kaess: Jenseits der Energiefragen hat Moskau heute Nacht den KSE-Vertrag ausgesetzt. Welche Zukunft sehen Sie für die Beziehungen zwischen Russland und den westlichen Staaten vor diesem Hintergrund?
Zagorski: Eines, was man von Medwedew erwartet, zu Recht oder zu Unrecht, dass er auch eine Verbesserung mit den westlichen Staaten anstreben würde. Das scheint auch in der Logik der russischen Machtpolitik zu sein. Jeder Präsident beginnt mit einer Verbesserung der Beziehungen mit dem Westen, endet aber in einer heißen Kontroverse. So war es bei Boris Jelzin gelaufen, so ist es auch bei Putin gelaufen. So denke ich gibt es Grund zur Annahme, dass ein neuer Präsident, ein Nachfolger ab Sommer nächsten Jahres damit beginnt, das Verhältnis mit dem Westen zu reparieren. Es gibt auch gute Anlässe dazu.
Kaess: Auf welche Art und Weise könnte das passieren?
Zagorski: Es gibt gute Anlässe dazu. Das Gipfeltreffen mit der Europäischen Union ist auf den Juni vertagt worden, zu Recht, weil im Frühjahr noch die Nachwahlkontroversen in Moskau weiterlaufen. Das Juni-Treffen könnte man gut dazu nutzen, den Dialog wieder aufzunehmen und die Verhandlungen zu beginnen, insbesondere weil inzwischen sich das russisch-polnische Verhältnis zu bessern scheint. Ich denke auch solche Beispiele wie der KSE-Vertrag können als Anlass dazu dienen, dass man zwar nicht unbedingt zurückkehrt in das Regime. Ich denke der alte KSE-Vertrag ist tot. Aber bis Juni hat Moskau Zeit gegeben, um zu entscheiden, wie es weiter geht. Ich gehe davon aus, dass ein neuer Präsident - wer immer das ist - auch das zum Anlass nimmt, durch die Verhandlungen mit dem Westen, durch die Inkraftsetzung des neuen Vertrages auch die Beziehungen zu verbessern.
Kaess: Andrei Zagorski vom Moskauer Institut für internationale Beziehungen. Vielen Dank für das Gespräch!
Zagorski: Sehr gerne!