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Meeresschützer
Fischerei ist "Katastrophe" für Antarktis

Rund um die Antarktis liegt das Weddell-Meer. Eine Allianz von Nichtregierungsorganisationen fordert dieses Meer unter Schutz zu stellen. Es sei verknüpft mit anderen Ozeanen, sagte Onno Groß von der Meeresschutz-Organisation Deepwave im DLF, und sei ein wirklich schützenswerter Lebensraum. Deutschland sei beim Meeresschutz Vorreiter und könnte es diesmal auch wieder werden.

Onno Groß im Gespräch mit Jule Reimer | 17.07.2014
    Pinguine in der Antarktis
    In den Randmeeren des südlichen Ozeans leben auch Pinguine. (picture alliance / dpa Foto: Yonhapnews Agency)
    Jule Reimer: Zu den wichtigsten Forderungen der vergangenen UN-Konferenzen für Nachhaltige Entwicklung gehörte immer wieder die Schaffung großer Meeresschutzgebiete. 2012 bei der UN-Umweltkonferenz "Rio plus 20" scheiterte dieses Anliegen an einer bemerkenswerten Koalition zwischen den USA und Venezuela, sonst eher Feinde als Freunde. Obama hat jetzt aber nachgearbeitet und will im Pazifik das größte Meeresschutzgebiet der Welt schaffen. Weniger groß sind die Dimensionen rund um die Antarktis. Dort liegt das Weddell-Meer und wenn es nach einer Allianz von Nichtregierungsorganisationen geht, zu denen auch Greenpeace und der WWF gehören, sollte es schleunigst unter Schutz gestellt werden.
    Am Telefon in Hamburg ist Onno Groß von der Meeresschutz-Organisation Deepwave, ebenfalls Teil der Allianz. Herr Groß, warum ist Ihnen ausgerechnet die Weddell-See so wichtig?
    Onno Groß: Guten Tag, Frau Reimer! Das Weddell-Meer, auch wenn es weit weg liegt in der Antarktis, ist verknüpft natürlich mit den anderen Ozeanen. Es ist ein wirklich besonderes ökologisches Gebiet dort. Wir haben nicht nur den Schelf mit den großen verschiedenen Boden-Organismen, die dort sind, und den Ökosystemen, sondern wir haben auch Raubtiere, wir haben die Wale und wir haben auch große Fische und die Pinguine. Insofern ist es ein wirklich schützenswerter Lebensraum.
    "In diesem sensiblen Lebensraum eine Katastrophe"
    Reimer: Sie sagen, es braucht unbedingt Fangverbotszonen dort. Warum?
    Groß: Es ist so, dass die Ozeane ja wirklich übernutzt werden weltweit, und hier in der Antarktis ist auch die Fischerei schon vor der Tür und ist auch schon aktiv. Das heißt, dort wird aus diesem sensiblen Ökosystem der Krill zum Beispiel gefischt, der antarktische Dorsch oder auch der Seehecht, der schwarze Seehecht. Das sind alles Maßnahmen, um uns mit Proteinen zu versorgen, aber das ist natürlich in diesem sensiblen Lebensraum eine Katastrophe. Das Ökosystem kann sich von diesem Fischereidruck nicht erholen.
    Reimer: Warum ist das mit dem Erholen so schwer?
    Groß: Es ist ein besonderer Lebensraum, der geprägt ist durch die kalten, sehr eiskalten Meeresgewässer. Es ist ein kurzlebiger Lebensraum. Wir kennen ja den antarktischen Sommer. Das heißt, während weniger Monate funktioniert dieses Ökosystem nur kurz. Dann ist dort wieder eisige Kälte und das Eis vorhanden. Das heißt, dieses Ökosystem muss als Ganzes gesehen werden und ist natürlich empfindlich gegen Störungen.
    "Wunderbare Koalition zwischen der russischen Forschung als auch der deutschen Forschung"
    Reimer: Sie haben Unterstützer: Die Regierungen Deutschlands und Russlands - auch eine bemerkenswerte Koalition derzeit - arbeiten ebenfalls an einem Schutz der Weddell-See. Russland war bisher eigentlich bekannt für den Run auf die Rohstoffe, und zwar in der Arktis, also auf der anderen Seite der Welt. Wie ernst nehmen Sie diese Initiative dann?
    Groß: Die nehme ich sehr ernst, denn das ist eine wirklich wunderbare Koalition zwischen sowohl der russischen Forschung als auch der deutschen Forschung. Wir haben ja die Antarktis-Forschung seit Langem schon und im vorletzten Jahrhundert sind die ersten deutschen Südpolar-Expeditionen unterwegs gewesen, auch zum Weddell-Meer, und auch in der Region gibt es viele Kooperationen von der Forschungsseite her mit Russland. Insofern ist das sehr zu begrüßen, dass das die Möglichkeit bietet, durch die Ausweisung dieses Meeresschutzgebietes im Weddell-Meer, dass auf der politischen Landschaft mehr passiert. Im Moment ist es so, dass die anderen Schutzgebietsvorschläge, die auf dem Tisch liegen – das sind sowohl das Rossmeer als auch die Ost-Antarktis -, noch nicht verabschiedet worden sind seit 2012, leider, zu unserem Bedauern, und die Zeit für dieses Gremium - das ist die Kommission zum Schutz der lebenden Meeresschätze der Antarktis -, die ist in der Verpflichtung, ihre internationalen Agenden zu lösen, das heißt, dort Schutzgebiete auszuweiten. Die brauchen wir dringend.
    "Deutschland ist schon ein großer Vorreiter"
    Reimer: Die deutsche Industrie fordert, verstärkt auf Tiefsee-Bergbau zu setzen. Auch die deutsche Bundesregierung hat da allerhand Forschungsvorhaben. Geben Sie uns doch mal eine kurze Einschätzung. Wollen die Deutschen das eine tun, das andere nicht lassen, oder gibt es da ein Übergewicht in die eine oder andere Richtung?
    Groß: Na ja, Deutschland ist schon ein großer Vorreiter, und das könnte es diesmal auch wieder werden, indem es sehr ehrgeizig und beständig an diesem Programm arbeitet, die Weddell-Meer-Schutzgebiete auszuweisen. Es ist nicht ganz einfach natürlich im internationalen Raum. Insofern zeigt sich jetzt hier mal wieder, wie ernst Deutschland wirklich der Schutz der Meere ist. Es liegt auch daran, dass das nicht nur die Fischerei-Interessen betrifft, sondern Naturschutz-Interessen. Da müssen alle Fachgremien zusammenarbeiten, alle Ressorts zusammenarbeiten. Das ist sonst manchmal nicht der Fall und hier ist es besonders wichtig.
    Reimer: Onno Groß von der Meeresschutzorganisation Deepwave fordert mehr Schutzgebiete rund um die Antarktis. Vielen Dank.
    Groß: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.