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Mehr CO2 bedeutet weniger Proteine im Weizen

Weizen ist für die Weltbevölkerung eine der wichtigsten Eiweißquellen. Allerdings zeichnen sich für die Zukunft Probleme ab. Forscher haben beobachtet, dass der steigende CO2-Gehalt der Atmosphäre die Proteingehalte der Weizenkörner sinken lässt.

Von Lucian Haas | 06.03.2013
    Der CO2-Gehalt der Atmosphäre steigt ungebremst. Das beeinflusst nicht nur das Klima, sondern auch das Wachstum der Pflanzen. Ein erhöhter CO2-Gehalt wirkt wie ein Dünger, weil er den Pflanzen die Fotosynthese erleichtert. Doch die Effekte sind nicht nur positiv. Forscher haben beobachtet, dass Weizen in einer mit CO2 angereicherten Atmosphäre weniger Eiweiß in seine Körner einlagert.

    "Auch wenn dieser Rückgang der Proteinkonzentration in den Weizenkörnern kein großer Effekt ist - vielleicht in der Größenordnung von zehn Prozent oder so -, ist das für die Welternährung durchaus bedeutsam. Vor allem wird sich das in den Regionen auswirken, wo die Nahrung für die Menschen eh schon ein limitierender Faktor ist."

    Hakan Pleijel ist Ökologe an der Universität von Göteborg. Seit Jahren erforscht er die Auswirkungen des Klimawandels auf den Anbau von Getreide. Kürzlich veröffentlichte er eine Studie darüber, warum die Eiweißkonzentration in Weizenkörnern sinkt, wenn der CO2-Gehalt der Luft steigt. In die Untersuchung flossen Ergebnisse von Dutzenden von Anbauversuchen in allen Weizenanbauregionen der Welt ein. Am Ende zeigten sich zwei auffällige Effekte:

    "Das eine ist der sogenannte Verdünnungseffekt. Wenn der höhere CO2-Gehalt die Fotosynthese der Pflanzen stimuliert, lagern sie mehr Kohlenhydrate wie Stärke in ihre Körner ein. Allerdings wird die Aufnahme von Stickstoff aus dem Boden nicht in gleicher Weise gesteigert. Stickstoff ist der wichtigste Grundbaustein der Proteine. Wenn weniger Stickstoff aufgenommen wird, steigt das Verhältnis von Kohlehydraten zu Eiweiß in den Pflanzen. Und das wirkt dann wie eine Verdünnung."

    Dieser Verdünnungseffekt ist unter Weizenzüchtern schon länger bekannt. Überraschend fand Hakan Pleijel allerdings auch Daten aus mehreren Versuchen, bei denen eine erhöhte CO2-Konzentration die Kohlenhydratproduktion in den Weizenpflanzen nur wenig angekurbelt hatte. Dennoch zeigte sich auch dort ein deutlicher Rückgang der Proteingehalte.

    "Das kann man nicht mehr mit der Verdünnung erklären. Es gab ja nichts, was den Proteingehalt verdünnen könnte. Es scheint so, dass auch die Aufnahme und Einlagerung von Stickstoff, der in Proteine eingebaut wird, bei erhöhtem CO2 auf gewisse Weise limitiert oder verringert wird - und das ganz unabhängig vom Gesamtertrag."

    Die Ursache für diesen zweiten Effekt ist bisher kaum erforscht. Hakan Pleijel hat zwei Hypothesen. Die eine ist, dass das zusätzliche CO2 die Proteinsynthese in den Pflanzen bremst. Auf welche Weise dies geschieht, ist noch ungeklärt.

    "Die andere Erklärung ist: Wenn die Pflanzen durch die CO2-Düngung besser wachsen, bilden sie auch mehr Blätter, die dann auf den Boden fallen. Das könnte sich auf das Bodenleben mit all den vielen Bakterien, Pilzen und anderen Organismen auswirken. Die Bodenorganismen konkurrieren mit den Pflanzen um den vorhandenen Stickstoff."

    Um die Eiweißversorgung der Welt auch in Zukunft sicherzustellen, müssten Lösungen gefunden werden, um die vom CO2-Anstieg induzierten Proteinverluste auszugleichen. Da sind zum einen die Pflanzenzüchter gefragt. Allerdings stehen sie vor einer schwierigen Aufgabe. In den vergangenen 20 Jahren ist es nicht mehr gelungen, die Proteingehalte bei neuen Weizensorten nennenswert zu steigern. Eine andere Strategie wäre es, die Pflanzen zum Ausgleich stärker mit Stickstoff zu düngen.

    "Diese Strategie hat allerdings deutliche Grenzen. Denn wenn nicht all der zusätzliche Dünger von den Pflanzen auch aufgenommen wird, kann der Stickstoff ins Wasser oder in die Atmosphäre gelangen. Das führt zu neuen Umweltproblemen."

    Noch sieht Hakan Pleijel die Entwicklung auf einen Proteinmangel in der Welternährung hinauslaufen. Zumal dieses Szenario nicht nur auf Weizen beschränkt ist. Auch bei Reis haben Forscher schon ähnliche Effekte beobachtet.