Hundt: Ich bin mir nicht bewußt, daß ich Öl ins Feuer gegossen habe, sondern ich habe bereits im Verlaufe der ersten Bündnisrunde am 07. Dezember des letzten Jahres darauf hingewiesen, daß ein Bündnis nur dann erfolgreich sein kann, wenn auch die Tarifpolitik dort mit behandelt wird. Diese Position werde ich heute und jetzt nach den unbefriedigenden Erfahrungen mit dem Abschluß in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg erst recht wiederholen und auch konkrete Vorschläge unterbreiten.
Müller: Die Verhandlungsergebnisse in der Metallindustrie, Sie haben es angesprochen, sind ja mit Zustimmung der Arbeitgeber sanktioniert worden.
Hundt: Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg wurden von der IG Metall mit der Durchführung eines Arbeitskampfes zu diesem Ergebnis erpresst, weil in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage und unter Berücksichtigung der weltweiten Verflechtung der Unternehmen gerade in der exportintensiven Metall- und Elektroindustrie die Schäden und die Auswirkungen eines Arbeitskampfes noch negativer zu bewerten gewesen wären.
Müller: Die Gewerkschaften haben argumentiert, viele Konzerne in der Metallindustrie haben große Gewinne erwirtschaftet. Stimmt das nicht?
Hundt: Wir haben erfreulicherweise im Verlaufe des letzten Jahres eine deutliche Verbesserung in der wirtschaftlichen Entwicklung in allen Branchen und ganz besonders auch in der Metall- und Elektroindustrie zu verzeichnen gehabt. Ich weise immer wieder darauf hin, daß wir im letzten Jahr zum erstenmal seit der Wiedervereinigung auch einen Arbeitsplatzaufbau in Deutschland geschaffen haben, und dieses nicht zuletzt und ganz wesentlich als Folge einer angemessenen, einer beschäftigungsorientierten Tarifpolitik. Die Gewinnsituation, die Ertragssituation der Firmen hat sich im letzten Jahr ebenfalls verbessert. Wir haben aber unverändert die Situation, daß wir in Deutschland eine Netto-Umsatzrendite im Durchschnitt aller Firmen - und dieses gilt auch für die Metall- und Elektroindustrie - in einer Größenordnung von etwa zwei Prozent haben. Dieses ist nicht ausreichend, um eine mittel- oder gar langfristige Sicherung der Unternehmen zu erreichen, und dieses reicht insbesondere nicht aus, um in ausreichendem Umfang Investitionen zu tätigen, die dann wieder zu Arbeitsplätzen führen. Lassen Sie mich hier einen Zahlenvergleich anfügen: Wir haben in Deutschland eine durchschnittliche Ertragslage, eine durchschnittliche Netto-Umsatzrendite von etwa zwei Prozent und eine Arbeitslosigkeit von weit über zehn Prozent. Die entsprechenden Zahlen in den Niederlanden, unseren Nachbarn, sind eine Umsatzrendite, die etwa vier- bis fünfmal so hoch ist wie in Deutschland und dafür eine Arbeitslosenrate, die unter der Hälfte der unserigen liegt. Ich meine, dieses muß uns doch zu denken geben.
Müller: Läßt Sie, Herr Hundt, das Argument der Nachfrageankurbelung völlig kalt?
Hundt: Mich läßt das Argument der Nachfrageankurbelung überhaupt nicht kalt. Ich bin ein großer Befürworter, daß wir die Nachfrage stärken müssen, aber über die richtigen Mittel. Eine Nachfragestärkung über übermäßige Entgelterhöhungen ist mit Sicherheit der falsche, ist für unsere Wirtschaft der schädliche Weg. Dieses wird zu zusätzlichen Arbeitslosen führen. Wir sollten den Weg des letzten Jahres fortsetzen, eine Wirtschafts- und Tarifpolitik betreiben, die zu Beschäftigungsaufbau führt und dadurch eine Nachfrageerhöhung erreichen. Dann sind wir auf dem Weg zur Lösung unserer Probleme, die insbesondere eben unverändert in der Arbeitslosigkeit bestehen.
Müller: Das heißt übersetzt weitere Steuersenkungen?
Hundt: Das heißt darüber hinaus auch eine Absenkung der Steuer- und Beitragsbelastungen unserer Unternehmen und auch der Beschäftigten. Ein ganz besonderes Problem in Deutschland ist, daß der Keil zwischen Brutto- und Netto-Einkommen unserer Beschäftigten so tief sitzt. Wir haben eine Steuerbelastung im Vergleich zu anderen Ländern. Auch hier kann man sich wieder in der Nachbarschaft umschauen, wenn Sie etwa die Schweiz betrachten. Wir haben eine Steuer- und Abgabenbelastung, die deutlich höher liegt als in vergleichbaren anderen Ländern.
Müller: Wir haben eben mit IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gesprochen. Der hat gesagt, die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeiten, auch die Öffnung von Flächentarifverträgen hätte in den vergangenen Jahren nicht den erwarteten Erfolg gehabt. Können Sie dem zustimmen?
Hundt: Da widerspreche ich Herrn Zwickel ganz nachhaltig. Wir haben in den letzten Jahren in der deutschen Tarifpolitik beträchtliche Fortschritte in der flexiblen Gestaltung insbesondere der Arbeitszeit und auch der materiellen Tarifinhalte erreicht. Dieser Weg hat wesentlich dazu beigetragen, daß in den letzten Jahren ein Aufschwung wieder eingetreten ist. Wir hatten im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent, ein Wert, den wir schon lange, lange nicht mehr hatten. Die deutsche Wirtschaft hat 1997 zum erstenmal nach vielen Jahren ununterbrochen rückläufiger Entwicklung wieder Weltmarktanteile dazugewonnen. Ich habe vorher schon mal darauf hingewiesen, wir haben im letzten Jahr zum erstenmal seit der Wiedervereinigung tatsächlich Arbeitsplätze aufgebaut. Das heißt, wir haben zum Jahresende eine höhere Zahl von Menschen in Beschäftigung gehabt als zu Beginn des Jahres. Wir haben nicht nur die Arbeitslosigkeit abgebaut, sondern auch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dieses müßte ausreichend Grund sein, den bisherigen Weg weiterzugehen, und deshalb bin ich auch so sehr enttäuscht über den Abschluß in der Metall- und Elektroindustrie, der dieser Entwicklung einen herben Rückschlag versetzt.
Müller: Viele Experten und natürlich auch die Gewerkschaften fordern seit Jahren einen konsequenten Abbau von Überstunden. Warum legen sich dort die Arbeitgeber quer?
Hundt: Wir haben eine deutlich nach unten gerichtete Entwicklung des Überstundenvolumens. Wir liegen derzeit, obwohl die Zahl populistisch natürlich sehr beeindruckend ist, mit etwa 1,8 Milliarden Überstunden in einem historischen Tiefstbereich. Dieses rührt insbesondere auch daher, daß wir durch die tarifvertraglich geregelte Ausweitung der flexiblen Arbeitszeitgestaltung in deutlich weniger großem Umfang als früher Überstunden benötigen. Was jetzt noch an Überstunden in den Unternehmen anfällt, ist ein dringend erforderlicher Puffer, um Störungen, die im Betriebsablauf durch Maschinenausfälle, durch Qualitätsprobleme, durch Ausfall von Mitarbeitern entstehen, ausgleichen zu können. Daran können wir durch irgendwelche gesetzlichen oder tariflichen Maßnahmen nicht rütteln. Der Weg wäre vielmehr, die Ausgleichszeiten für die Arbeitszeit zu verlängern bis hin zur Lebensarbeitszeit. Dann haben wir das Überstundenproblem gut und auch im Sinne der zusätzlichen Beschäftigung gelöst.
Müller: Also in diesem Punkt, Herr Hundt, Ende der Fahnenstange für die Arbeitgeber?
Hundt: Eine Einschränkung über irgendwelche gesetzlichen, tariflichen oder sonstigen Maßnahmen der Überstundengestaltung in den Unternehmen wird mit den deutschen Arbeitgebern nicht machbar sein.
Müller: Welche Zugeständnisse haben Sie im Gepäck?
Hundt: Wir haben eine Menge von Möglichkeiten in der Ausweitung der Arbeitszeit. Ich plädiere beispielsweise bezüglich einer ausgeweiteten Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung zu einem Übergang zur Lebensarbeitszeit. Dieses können wir kombinieren mit betrieblichen Altersvorsorgeregelungen, so daß unsere Beschäftigten durch Einbringen von Gehaltsbestandteilen, durch Einbringen von Arbeitszeiten, beispielsweise gerade der Überzeiten, sich eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung aufbauen, die dann auch im Zusammenhang mit einer ausgeweiteten Altersteilzeit genutzt werden kann. Dieses sind dann Werkzeuge, die wirklich dazu führen, daß junge Menschen verstärkt wieder in Beschäftigung kommen können.
Müller: Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Müller: Die Verhandlungsergebnisse in der Metallindustrie, Sie haben es angesprochen, sind ja mit Zustimmung der Arbeitgeber sanktioniert worden.
Hundt: Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg wurden von der IG Metall mit der Durchführung eines Arbeitskampfes zu diesem Ergebnis erpresst, weil in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage und unter Berücksichtigung der weltweiten Verflechtung der Unternehmen gerade in der exportintensiven Metall- und Elektroindustrie die Schäden und die Auswirkungen eines Arbeitskampfes noch negativer zu bewerten gewesen wären.
Müller: Die Gewerkschaften haben argumentiert, viele Konzerne in der Metallindustrie haben große Gewinne erwirtschaftet. Stimmt das nicht?
Hundt: Wir haben erfreulicherweise im Verlaufe des letzten Jahres eine deutliche Verbesserung in der wirtschaftlichen Entwicklung in allen Branchen und ganz besonders auch in der Metall- und Elektroindustrie zu verzeichnen gehabt. Ich weise immer wieder darauf hin, daß wir im letzten Jahr zum erstenmal seit der Wiedervereinigung auch einen Arbeitsplatzaufbau in Deutschland geschaffen haben, und dieses nicht zuletzt und ganz wesentlich als Folge einer angemessenen, einer beschäftigungsorientierten Tarifpolitik. Die Gewinnsituation, die Ertragssituation der Firmen hat sich im letzten Jahr ebenfalls verbessert. Wir haben aber unverändert die Situation, daß wir in Deutschland eine Netto-Umsatzrendite im Durchschnitt aller Firmen - und dieses gilt auch für die Metall- und Elektroindustrie - in einer Größenordnung von etwa zwei Prozent haben. Dieses ist nicht ausreichend, um eine mittel- oder gar langfristige Sicherung der Unternehmen zu erreichen, und dieses reicht insbesondere nicht aus, um in ausreichendem Umfang Investitionen zu tätigen, die dann wieder zu Arbeitsplätzen führen. Lassen Sie mich hier einen Zahlenvergleich anfügen: Wir haben in Deutschland eine durchschnittliche Ertragslage, eine durchschnittliche Netto-Umsatzrendite von etwa zwei Prozent und eine Arbeitslosigkeit von weit über zehn Prozent. Die entsprechenden Zahlen in den Niederlanden, unseren Nachbarn, sind eine Umsatzrendite, die etwa vier- bis fünfmal so hoch ist wie in Deutschland und dafür eine Arbeitslosenrate, die unter der Hälfte der unserigen liegt. Ich meine, dieses muß uns doch zu denken geben.
Müller: Läßt Sie, Herr Hundt, das Argument der Nachfrageankurbelung völlig kalt?
Hundt: Mich läßt das Argument der Nachfrageankurbelung überhaupt nicht kalt. Ich bin ein großer Befürworter, daß wir die Nachfrage stärken müssen, aber über die richtigen Mittel. Eine Nachfragestärkung über übermäßige Entgelterhöhungen ist mit Sicherheit der falsche, ist für unsere Wirtschaft der schädliche Weg. Dieses wird zu zusätzlichen Arbeitslosen führen. Wir sollten den Weg des letzten Jahres fortsetzen, eine Wirtschafts- und Tarifpolitik betreiben, die zu Beschäftigungsaufbau führt und dadurch eine Nachfrageerhöhung erreichen. Dann sind wir auf dem Weg zur Lösung unserer Probleme, die insbesondere eben unverändert in der Arbeitslosigkeit bestehen.
Müller: Das heißt übersetzt weitere Steuersenkungen?
Hundt: Das heißt darüber hinaus auch eine Absenkung der Steuer- und Beitragsbelastungen unserer Unternehmen und auch der Beschäftigten. Ein ganz besonderes Problem in Deutschland ist, daß der Keil zwischen Brutto- und Netto-Einkommen unserer Beschäftigten so tief sitzt. Wir haben eine Steuerbelastung im Vergleich zu anderen Ländern. Auch hier kann man sich wieder in der Nachbarschaft umschauen, wenn Sie etwa die Schweiz betrachten. Wir haben eine Steuer- und Abgabenbelastung, die deutlich höher liegt als in vergleichbaren anderen Ländern.
Müller: Wir haben eben mit IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gesprochen. Der hat gesagt, die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeiten, auch die Öffnung von Flächentarifverträgen hätte in den vergangenen Jahren nicht den erwarteten Erfolg gehabt. Können Sie dem zustimmen?
Hundt: Da widerspreche ich Herrn Zwickel ganz nachhaltig. Wir haben in den letzten Jahren in der deutschen Tarifpolitik beträchtliche Fortschritte in der flexiblen Gestaltung insbesondere der Arbeitszeit und auch der materiellen Tarifinhalte erreicht. Dieser Weg hat wesentlich dazu beigetragen, daß in den letzten Jahren ein Aufschwung wieder eingetreten ist. Wir hatten im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent, ein Wert, den wir schon lange, lange nicht mehr hatten. Die deutsche Wirtschaft hat 1997 zum erstenmal nach vielen Jahren ununterbrochen rückläufiger Entwicklung wieder Weltmarktanteile dazugewonnen. Ich habe vorher schon mal darauf hingewiesen, wir haben im letzten Jahr zum erstenmal seit der Wiedervereinigung tatsächlich Arbeitsplätze aufgebaut. Das heißt, wir haben zum Jahresende eine höhere Zahl von Menschen in Beschäftigung gehabt als zu Beginn des Jahres. Wir haben nicht nur die Arbeitslosigkeit abgebaut, sondern auch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dieses müßte ausreichend Grund sein, den bisherigen Weg weiterzugehen, und deshalb bin ich auch so sehr enttäuscht über den Abschluß in der Metall- und Elektroindustrie, der dieser Entwicklung einen herben Rückschlag versetzt.
Müller: Viele Experten und natürlich auch die Gewerkschaften fordern seit Jahren einen konsequenten Abbau von Überstunden. Warum legen sich dort die Arbeitgeber quer?
Hundt: Wir haben eine deutlich nach unten gerichtete Entwicklung des Überstundenvolumens. Wir liegen derzeit, obwohl die Zahl populistisch natürlich sehr beeindruckend ist, mit etwa 1,8 Milliarden Überstunden in einem historischen Tiefstbereich. Dieses rührt insbesondere auch daher, daß wir durch die tarifvertraglich geregelte Ausweitung der flexiblen Arbeitszeitgestaltung in deutlich weniger großem Umfang als früher Überstunden benötigen. Was jetzt noch an Überstunden in den Unternehmen anfällt, ist ein dringend erforderlicher Puffer, um Störungen, die im Betriebsablauf durch Maschinenausfälle, durch Qualitätsprobleme, durch Ausfall von Mitarbeitern entstehen, ausgleichen zu können. Daran können wir durch irgendwelche gesetzlichen oder tariflichen Maßnahmen nicht rütteln. Der Weg wäre vielmehr, die Ausgleichszeiten für die Arbeitszeit zu verlängern bis hin zur Lebensarbeitszeit. Dann haben wir das Überstundenproblem gut und auch im Sinne der zusätzlichen Beschäftigung gelöst.
Müller: Also in diesem Punkt, Herr Hundt, Ende der Fahnenstange für die Arbeitgeber?
Hundt: Eine Einschränkung über irgendwelche gesetzlichen, tariflichen oder sonstigen Maßnahmen der Überstundengestaltung in den Unternehmen wird mit den deutschen Arbeitgebern nicht machbar sein.
Müller: Welche Zugeständnisse haben Sie im Gepäck?
Hundt: Wir haben eine Menge von Möglichkeiten in der Ausweitung der Arbeitszeit. Ich plädiere beispielsweise bezüglich einer ausgeweiteten Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung zu einem Übergang zur Lebensarbeitszeit. Dieses können wir kombinieren mit betrieblichen Altersvorsorgeregelungen, so daß unsere Beschäftigten durch Einbringen von Gehaltsbestandteilen, durch Einbringen von Arbeitszeiten, beispielsweise gerade der Überzeiten, sich eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung aufbauen, die dann auch im Zusammenhang mit einer ausgeweiteten Altersteilzeit genutzt werden kann. Dieses sind dann Werkzeuge, die wirklich dazu führen, daß junge Menschen verstärkt wieder in Beschäftigung kommen können.
Müller: Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!