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Mehr Geld fürs Waschen, Schneiden, Legen

Weniger als drei Euro pro Stunde - damit soll in der Friseurbranche Schluss sein. Seit August gibt es einen Mindestlohn, und das hat auch Folgen. Die Lohnuntergrenze wirkt sich auf die Salons und auf die Preise für die Kunden aus.

Von Henry Bernhard | 04.10.2013
    Ein kleiner Friseursalon in Neustadt/Sachsen. Inhaberin Anke Anton föhnt einer Kundin die Haare, es ist der letzte Schliff am Kurzhaarschnitt. Ihren drei Angestellten muss sie ab dem ersten August mehr Geld bezahlen. Denn seit zwei Monaten gilt der Mindestlohn für Friseure von mindestens 7,50 Euro in West- und 6,50 Euro in Ostdeutschland. Trotz der Mehrkosten, sie findet das gut.

    "Mindestlöhne müssen sein. Weil Friseure eine spannende und anstrengende Arbeit tun. Auch in Schichtarbeit gefordert sind."

    Bisher galt für Friseure in Sachsen noch der alte Tarifvertrag aus dem Jahr 2003. Demnach lag der Grundlohn für eine Friseurin mit Berufserfahrung bei 830 Euro im Monat, ähnliches galt auch für Sachsen-Anhalt oder Thüringen. Der Sprung vom alten Tarifvertrag zum neuen Mindestlohn ist damit in den ostdeutschen Bundesländern besonders groß.

    Die Sonne scheint durch die großen Fenster herein. Es ist Freitagnachmittag, der Laden ist gut besucht. Drei Angestellte arbeiten in dem Salon von Anke Anton. Rund 50 Prozent ihrer Kosten gehen fürs Personal drauf. Um eine Preiserhöhung kommt sie wegen des Mindestlohns nicht drum rum:

    "Das kommt. Das kommt in einem geringen Maße, aber eine Preiserhöhung muss kommen."

    Um etwa zehn Prozent wird sie die Preise anheben. Trotzdem hat sie keine Angst davor, dass sie Kunden verlieren könnte. Denn schließlich ist die tschechische Grenze von hier aus nur elf Kilometer entfernt. Für ihre Kundinnen ist es Ehrensache, dass sie in Deutschland zum Friseur gehen. Davon, dass Salons wegen des Mindestlohns dichtmachen mussten, hat hier noch keiner etwas gehört. Neustadt hat 14.000 Einwohner, eine Kleinstadt, man kennt sich.

    "Also grundsätzlich bin ich gerne bereit für die Leistung einen Preis zu bezahlen. Wenn ich eine Stunde beim Friseur sitze und soll dann 25 Euro bezahlen, dann ist das eine Rechnung, die für mich nicht aufgeht."

    Wie Stammkundin Katja Schuster sind alle Kundinnen bereit, etwas höhere Preise zu akzeptieren. Sie können sich auch in anderen Branchen einen Mindestlohn gut vorstellen.

    "Über kurz oder lang, wenn man mit dem, was man bekommt, nicht zufrieden ist, dann sucht man sich was anderes."
    Friseurin Karolin Richter freut sich über den Mindestlohn, denn schließlich mag sie ihren Beruf.

    "Weil das ein Beruf ist, wo man mit Menschen arbeiten kann, sie positiv beeinflussen kann."

    Im April hatte sich die Gewerkschaft ver.di mit der Tarifgemeinschaft des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks und den Innungsverbänden auf einen Mindestlohn geeinigt. Bislang gilt er nur für die Betriebe, die der Innung angehören und Mitarbeiter zur Gewerkschaft gehören. In Sachsen betrifft das nur einen Bruchteil der Betriebe.

    Noch. Denn zurzeit läuft der Antrag zur Erklärung der Allgemeingültigkeit beim Bundesarbeitsministerium. Nach der Entscheidung müssen alle Betriebe den Mindestlohn zahlen. Doch schon jetzt gibt es Schwierigkeiten für die Arbeitnehmer, mit allen Tricks werde versucht, die Kosten zu senken, sagt Christel Tempel von Verdi:

    "Es wird versucht, Arbeitsverträge zu verändern, die Arbeitszeiten zu kürzen, um Geld zu sparen."
    Wenn die Allgemeinverbindlichkeit in ein paar Monaten kommt, wird es vor allem die Friseure hart erwischen, die statt auf Qualität auf niedrige Preise gesetzt haben, glaubt die sächsische Innungschefin Cornelia Scheuer-Barthel, die ihr Geschäft im kleinen Ort Mülsen bei Zwickau hat.

    "Ich rede vom Herrenhaarschnitt, die haben für fünf Euro Haare geschnitten, ich weiß nicht, wie die existiert haben."
    Ihre einzige Mitarbeiterin, Nadine Kluge, ist froh, dass sie jetzt ein Mindesteinkommen hat. Auch das Feedback der Kunden nicht immer, aber meistens, positiv.

    "Jeder hat seine Arbeit, hat seine Familie. Und jeder will von seiner Arbeit leben können."