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Mehr Geld, mehr Kinder

Laut einer Studie haben Paare häufiger Kinder, wenn beide Partner erfolgreich einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Das liege daran, dass Selbstständige ihre Arbeitszeit so gestalten können, dass die Familie nicht zu kurz kommt, sagt der Leiter der Studie am Institut für Mittelstandsforschung der Uni Mannheim, René Leicht.

René Leicht im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Mann macht Karriere, Frau hütet Kinder – das Modell ist nun nicht mehr unbedingt zeitgemäß. Allerdings sind es eben doch meist die Frauen, die zugunsten von Kindern und Familie kürzertreten. Wie könnte man diesen Zustand ändern, also unter welchen Bedingungen lassen sich Familie und Beruf wirklich gut unter einen Hut bringen? Welche Rolle kann die selbstständige Arbeit dabei spielen? Dr. René Leicht hat ein Forschungsprojekt am Institut für Mittelstandsforschung der Uni Mannheim geleitet und dabei Antworten auf diese Fragen gefunden. Guten Tag, Herr Leicht!

    René Leicht: Schönen guten Tag!

    Burgwinkel: Herr Leicht, Sie haben Paare mit Doppelkarrieren untersucht, das heißt, beide sind dann erwerbstätig gewesen, mitunter allerdings in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen. Welche Konstellation ist denn da besonders geeignet, Frauen bei der Karriere zu unterstützen?

    Leicht: Ja, man muss sagen, bisher wurden ja beidseitige Karrieren, also Doppelkarrieren immer im Zusammenhang mit abhängiger Beschäftigung untersucht, und der Hintergrund war oftmals die öffentliche Debatte um die Erkenntnis, dass Frauen in Führungspositionen wenig vertreten sind, Sie kennen das, nur 16 Prozent im Topmanagement. Aber Führungsposition heißt ja aber auch nicht nur in abhängiger Beschäftigung: Frauen in selbstständiger Erwerbsarbeit können unter Umständen auch Karriere machen, was sich beispielsweise am Einkommen bemisst. Es interessierte ja aber nicht nur, ob Frauen Karriere machen, sondern auch, unter welchen Bedingungen, und da stellt sich nun die Frage: Wie sieht so eine Partnerschaft aus? Kann es gelingen, dass beide Partner eine Karriere durchlaufen, dennoch die Familie nicht zu kurz kommt? Wir haben also festgestellt, dass von den über 15 Millionen Paaren mit erwerbstätigen Partnern etwa 13 Prozent – gemessen an Einkommen, Bildung, betrieblicher Stellung oder auch Arbeitsvolumen – als sogenannte Doppelkarrierepaare zu bezeichnen sind. Und jetzt kommt es: Sind beide Partner selbstständig, dann erhöht sich diese Chance auf 30 Prozent, das heißt also, wenn beide Partner einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, sind sie viel öfter bei den Doppelkarrierepaaren zu finden. Im Vergleich dazu: Ist nur ein Partner selbstständig, ist der Anteil von Doppelkarrieren etwas geringer, aber in der abhängigen Beschäftigung ist es wesentlich weniger der Fall.

    Burgwinkel: Und was hat das jetzt für Konsequenzen in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Familie oder zum Beispiel auch mit dem Kinderwunsch bei Frauen und Männern?

    Leicht: Ja, das bedingt ja auch, dass man mit Selbstständigkeit eine höhere Flexibilität in der Organisation von Arbeit hat, also man ist zeitlich flexibler, man ist in dem Punkt Ort des Arbeitseinsatzes, also die Örtlichkeit, flexibler, und das heißt auch: Man hat dann die Möglichkeit, das Familienleben auch entsprechend dem zeitlichen Aufwand anzupassen. Und da ist es so, dass selbstständige Frauen aber auch Männer die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit so zu gestalten, dass die Familie nicht zu kurz kommt.

    Burgwinkel: Nun ist eine Selbstständigkeit ja nicht unbedingt eine Arbeit, wo man ganz frei über seine Zeit verfügen kann, das heißt, eine gewisse Konkurrenz unter Paaren, wo beide selbstständig sind, ist doch nicht von der Hand zu weisen?

    Leicht: Das ist richtig, und da sehen wir auch eine gewisse Falle, denn wir haben gleichzeitig festgestellt, dass, wenn beide Partner selbstständig sind, dass es dann auch so sein kann oder öfter der Fall ist, dass eher die Frau diesen Flexibilitätsspielraum nutzt, das heißt, eben dann doch auch die traditionellen Rollenbilder wieder zur Wirkung kommen und die Frau dann sich stärker um die Kinder kümmert. Das ist zwar jetzt weniger der Fall als bei den abhängig Beschäftigten, aber dennoch: Auch hier, bei den Selbstständigen, besteht diese Gefahr. Und das Entscheidende ist aber sicherlich, dass im Vergleich zur abhängigen Beschäftigung die Paare überhaupt die Möglichkeit haben, wenn sie selbstständig sind, solche Dinge auszuhandeln, das heißt, die Paare haben die Möglichkeit, ihr Familienglück auf der einen Seite und eben die Anforderungen im Arbeitsleben auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Und das können abhängige Beschäftigte oftmals nicht, weil im Betrieb eben dann der Chef oder die Chefin dann eben diesen Faktor Familienglück eben nicht gleich mitbewertet.

    Burgwinkel: Haben denn auch selbstständige Doppelverdiener mehr Kinder dann?

    Leicht: Ja, das ist eines unserer Ergebnisse: Wir haben festgestellt, das mag vielleicht überraschen, dass Selbstständige häufiger Kinder haben, wenn sie zu den Doppelkarriere-Paaren gehören, als bei den abhängig Beschäftigten, auch dort verglichen mit Doppelkarriere-Paaren. Das heißt also, dass die Balance zwischen Familie und Arbeit die Selbstständigen offenbar besser bewältigen können, dass sie das besser arrangieren können, dass hier Kinder im Haushalt sind und dass sie dafür auch Sorge tragen.

    Burgwinkel: Es sind also nicht nur finanzielle Aspekte, die einen vielleicht dazu bringen sollten, zu überlegen, ob eine Selbstständigkeit nicht besser ist als eine Festanstellung.

    Leicht: Nein, also es sieht so aus, als wenn das Familienglück bei Selbstständigen auch eher gesichert ist, und wir haben nicht nur die materiellen Aspekte zugrunde gelegt jetzt, wenn wir Doppelkarrieren untersuchen, sondern auch Faktoren zugrunde gelegt wie jetzt beispielsweise Zufriedenheit mit dem Arbeitsleben und so weiter. Und das scheint nun so zu sein, dass Selbstständige hier bessere Werte aufweisen als die abhängig Beschäftigten, das heißt, auch stärker zufrieden sind mit ihrer Arbeit.

    Burgwinkel: Aber auch mehr Risiken tragen.

    Leicht: Sie tragen mehr Risiken, aber man muss dazu sagen: Sie sind auch natürlich im täglichen Umgang mit Management-Fragen viel stärker gewohnt, sozusagen bestimmte Dinge zu regeln. Und so wie sie das Arbeitsleben als Selbstständige regeln können, wie sie managen können, wie sie organisieren können, so können sie ja offenbar auch stärker ... sind sie stärker in der Lage, auch das Familienleben besser zu organisieren. Und das mag sicherlich ein Vorteil sein, der im Hintergrund eine Rolle spielt.

    Burgwinkel: Ein Plädoyer für die Selbstständigkeit von Dr. René Leicht. Wir sprachen über die Ergebnisse der Studie zu Doppelkarrieren und Selbstständigkeit, durchgeführt am Institut für Mittelstandsforschung der Uni Mannheim.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.