Freitag, 17. Mai 2024

Schlechtes Abschneiden bei PISA-Studie
Mehr Investitionen in die Bildung gefordert - Augenmerk auch auf sozialen Fragen

Am Tag nach dem historisch schlechten Abschneiden in der PISA-Bildungsstudie wird über die Konsequenzen diskutiert. Gefordert wird zielgerichtetere Priorisierung, mehr Flexibilität, der Abbau sozialer Hürden - und immer wieder mehr Geld.

06.12.2023
    Berlin: Bei der Vorstellung der Pisa-Studie 2022 in der Bundespressekonferenz liegt ein Exemplar der Studie. Im Frühjahr 2022 wurden fast 8000 Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen in Deutschland getestet.
    Vorstellung Pisa-Studie 2022 (Christophe Gateau/dpa)
    Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Prien, sagte im Deutschlandfunk, es sei ein miserables Ergebnis. Das müsse nicht nur nüchtern analysiert werden, sondern auch Konsequenzen haben. Dabei gehe es um Finanzmittel, aber auch um die Entwicklung des Unterrichts und die Förderung basaler Kompetenzen schon im Kita-Bereich. Bereits dort liege der Schlüssel zu mehr Bildungserfolg, betonte die CDU-Politikerin.
    Das ganze Interview mit Karin Prien können Sie hier nachlesen.
    In Deutschland fehlen laut aktuellen Zahlen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) derzeit rund 430.000 Kita-Plätze, obwohl es einen Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab dem Alter von einem Jahr gibt.
    Auch die SPD-Vorsitzende Esken verlangte massive Investitionen in die Bildung. Das sogenannte Startchancenprogramm der Bundesregierung, mit dem ab dem nächsten Schuljahr Schulen in benachteiligter Lage gefördert werden, sei ein guter Ansatz. Es müsse aber wesentlich breiter angelegt werden, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

    Bildungsforscher: Priorisierung statt Gießkanne

    Der Bildungsforscher Olaf Köller vom Kieler Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik riet zu gezielten Investitionen. Es werde darauf ankommen, die Schulen mit den Schülerinnen und Schülern zu identifizieren, die besonders hohen Förderbedarf hätten. Es gehe darum, dorthin dann Mittel zu geben und woanders möglicherweise nicht. Man müsse also wirklich priorisieren, sagte Köller der Deutschen Presse-Agentur. Der Bildungsforscher gehört auch dem deutschen PISA-Team an.
    Entscheidend seien auch Basiskompetenzen wie Deutsch als Lernsprache für Nicht-Muttersprachler. Köller sagte, das Startchancenprogramm der Bundesregierung greife hier nicht: Stattdessen gehe es insbesondere um Schulsozialarbeit.

    Bundesschülerkonferenz: Es liegt nicht an Generation Z, sondern an mangelnder politischer Priorisierung

    Der Vorsitzende der Bundesschülerkonferenz, Fabricius, warnte davor, die Schuld für das schlechte Abschneiden bei den Schülerinnen und Schülern zu suchen. Das Ergebnis gehe auf mangelnde politische Priorisierung zurück, sagte Fabricius im Deutschlandfunk Kultur. Der hessische Abiturient forderte mehr Freiheit für Lehrkräfte sowie mehr Unterstützung durch multiprofessionelle Teams, denen zum Beispiel auch Schulsozialarbeiter angehörten. Viele Lehrer seien chronisch überlastet, weil sie zu viele Aufgaben zu bewältigen hätten.
    Fabricius forderte neben einer besseren finanziellen Ausstattung für das Schulsystem, starre Konzepte wie Frontalunterricht und 45-minütige Unterrichtsstunden zu überdenken.

    Lehrerverbände weisen auf soziale Hürden hin

    Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hängen die Misserfolge in der Bildung auch mit sozialen Faktoren zusammen. Deutschland brauche einen Masterplan gegen Bildungsarmut und soziale Gerechtigkeit, sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die enge Kopplung von Schulerfolg und Elternhaus ist weiterhin das Kardinalproblem des Schulsystems in Deutschland. Um erfolgreich gegenzusteuern, müssen die Grundkompetenzen der Kinder durchgängig gefördert und soziale Hürden im Schulsystem abgebaut werden." Die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler müsse ohne Wenn und Aber verbessert werden, sagte Bensinger-Stolze.
    Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, forderte unter anderem verpflichtende vorschulische Sprachstandstests sowie kleinere Klassen und Lerngruppen. Der Schlüssel zu nachhaltigem Bildungserfolg seien Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Identifikation mit der hiesigen Kultur einschließlich der Schulkultur, sagte Düll den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

    Bildung in Deutschland im Vergleich historisch schlecht

    Bei der gestern veröffentlichtenPISA-Studie hatten die deutschen Schüler so schlecht abgeschnitten wir noch nie. Ursachen dafür sehen die Autorinnen und Autoren der Studie unter anderem in der Corona-Pandemie. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schulschließungen einen negativen Effekt auf den Kompetenzerwerb hatten. In Deutschland sei der Distanzunterricht weniger mit digitalen Medien und mehr mit Materialien, die an die Jugendlichen geschickt wurden, bestritten worden als im OECD-Durchschnitt. Als weitere Ursache für das schlechte deutsche Abschneiden wurde die Heterogenität vieler Klassen etwa aufgrund teils schlechter Deutsch-Kenntnisse angeführt.
    Die Macher der Studie verwiesen auch darauf, dass nur sehr wenige OECD-Staaten zwischen 2018 und 2022 Teile ihrer Ergebnisse verbessern konnten, beispielsweise Japan im Lesen und in den Naturwissenschaften sowie Italien, Irland und Lettland in den Naturwissenschaften. In Mathematik hätten die Jugendlichen in Singapur, Japan und Korea im Schnitt die höchsten Kompetenzen. Im Lesen stünden Singapur, Irland, Japan, Korea und Estland an der Spitze. In den Naturwissenschaften hätten Singapur, Japan, Korea, Estland und Kanada die besten Werte erreicht.
    An der Studie nahmen Schüler im Alter von 15 Jahren aus 81 Ländern teil. PISA steht für "Programme for International Student Assessment" und ist die größte internationale Schulleistungsvergleichsstudie. Es werden die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen beim Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften erfasst. Seit dem Jahr 2000 wird sie alle drei Jahre durchgeführt.
    Diese Nachricht wurde am 06.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.