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Mehr Macht für Aktionäre

Die Aktionäre als Eigentümer der Aktiengesellschaften in Deutschland könnten am ehesten beurteilen, wie gut sich ein Unternehmen langfristig entwickelt. Deshalb sollten sie auch über die Gehälter und Boni der Manager bestimmen, findet Lutz Goebel, Präsident des Verbands der Familienunternehmer.

Lutz Goebel im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Christiane Kaess: Nach dem Votum der Schweizer und den ersten EU-Initiativen, Managergehälter und Bankerboni zu begrenzen, ist eine Diskussion darüber entbrannt, wie sinnvoll dies ist. Wenn man oben mehr Geld reinsteckt, kommt dann unten mehr raus? Vereinfacht gesagt haben so Unternehmen den Nutzen von Millionenbezügen für ihre Vorstände und Manager interpretiert. Ob dem tatsächlich so ist, darüber hat mein Kollege Mario Dobovisek mit Lutz Goebel vom Verband der Familienunternehmer gesprochen. Er hat ihn zuerst gefragt, ob für Martin Winterkorn, dem VW-Vorstandschef, der 2012 ein Jahresgehalt von 14,5 Millionen Euro bekam, ein solches Einkommen angemessen ist.

    Lutz Goebel: Also wir haben momentan ein Akzeptanzproblem der sozialen Marktwirtschaft und aus diesem Grund bin ich der Auffassung, dass zweistellige Millionengehälter, unabhängig von der Leistung eines Herrn Winterkorn, nicht mehr vermittelbar sind in Deutschland. Und deswegen halte ich das Gehalt eindeutig für zu hoch.

    Mario Dobovisek: Wie wollen Sie messen, ob eine Managervergütung angemessen, ja leistungsgerecht ist?

    Goebel: Ja, das ist relativ schwer zu messen. Aber ich bin der Auffassung, wenn man sich die Entwicklung der Managergehälter über die letzten zehn, zwanzig Jahre anschaut, sind die in Größenordnungen angewachsen, die ziemlich unangemessen sind. Und ich bin auch der Auffassung, dass ein Herr Winterkorn für durchaus weniger Gehalt auch gerne arbeiten würde. Und man kann meines Erachtens auch nicht den Erfolg eines Konzerns unbedingt einer einzigen Person zumessen.

    Dobovisek: Wer definiert denn oder wer bestimmt denn, was angemessen ist und was nicht?

    Goebel: Ich denke, am besten sollten das die Eigentümer der Aktiengesellschaften, also die Aktionäre bestimmen. Die können das am ehesten daran sehen, wie gut sich das Unternehmen entwickelt, wie gut das Unternehmen strategisch aufgestellt, also langfristig aufgestellt ist, und ob eben der Erfolg nicht eine Einmalaktion ist, wie das ja schon mal bei Porsche zum Beispiel gewesen ist, sondern etwas, was darauf aufbaut, dass man jahrelang sich positiv weiterentwickelt hat.

    Dobovisek: Bedarf es dabei eines staatlichen Deckels, wie zum Beispiel von der Europäischen Union vorgeschlagen?

    Goebel: Der Meinung bin ich nicht, sondern ich bin der Meinung, dass die Aktionäre eben kontrollieren, was da maximal verdient wird, und die sollten darauf achten, dass es eben nicht zu hoch ist. Und es täte auch den Aktiengesellschaften, den Aufsichtsräten und den Vorstandsmitgliedern gut, wenn sie da etwas sensibler wären, weil die Bürger in Deutschland können das teilweise nicht mehr akzeptieren.

    Dobovisek: Nun würde die Frau an der Supermarktkasse sicherlich auch sagen, dass selbst eine Million Jahresgehalt zu viel wäre. Also noch einmal die Frage: Wer definiert, was zu hoch ist und was nicht zu hoch ist?

    Goebel: Wir befinden uns natürlich nicht im luftleeren Raum. Das heißt, wir müssen irgendwo gucken, dass wir wettbewerbsfähig sind, was die Gehälter anbetrifft. Deswegen würde ich es auch begrüßen, wenn es eine europäische Initiative gibt, die das praktisch in die Hauptversammlungen verlagert, und dass man praktisch dort ein vernünftiges Maß anlegt. Eine Volkswagen AG ist ja ein riesiges Unternehmen. Ich denke, auch die Verantwortung eines Vorstandsvorsitzenden ist gewaltig, und das kann man eben nicht vergleichen mit einem Filialleiter einer Lidl-Filiale. Das ist eben ein Unterschied, und deswegen muss man auch differenzieren können. Aber wir müssen europaweit dort praktisch auch wettbewerbsfähig bleiben.

    Dobovisek: In vielen Unternehmen sind es ja nicht die Kleinaktionäre, die die Jahreshauptversammlung dominieren. Hier haben vor allem die großen Fonds- und Beteiligungsgesellschaften das Sagen, die sich wenig um zu hohe Managergehälter kümmern, solange die Rendite stimmt. Was würde sich also ohne Deckel am Status quo ändern?

    Goebel: Ich denke, dass auch die Großaktionäre wie die Fonds ein Interesse daran haben müssten, wie die Reputation ihres Unternehmens ist. Und wenn die Hauptversammlungen tumultartig ablaufen würden, weil man über die Vergütungen nicht einig wird, weil eben eine ganze Reihe von Kleinaktionären sich dagegen aufbegehren, ich denke, das wird denen auch nicht gefallen. Also ich würde das schon für richtig halten, das in dieses Gremium zu tragen und das öffentlich zu diskutieren.

    Dobovisek: Sie setzen also auf, sagen wir, die Selbstbereinigung des Marktes?

    Goebel: Ja gut! Die Aktionäre sind ja diejenigen Leute im Prinzip, wo Haftung und Risiko zusammengeht, und das ist also an der Stelle der richtige Ort.

    Dobovisek: Ein zweites großes Thema: Es sind ja nicht alleine die Jahresgehälter, die Jahresvergütungen von Top-Managern, sondern auch die sogenannten Begrüßungsgelder und hohen Abfindungen, die zum Teil gezahlt werden. Sind solche Sonderzahlungen notwendig?

    Goebel: Man muss das immer ein bisschen differenzieren. Von Begrüßungsgeldern halte ich eigentlich überhaupt nichts, das halte ich nicht für notwendig. Bei den Abfindungen ist es halt so: Teilweise sind das Verträge, die auf drei oder fünf Jahre geschlossen sind, und wenn der Aufsichtsrat der Meinung ist, wir wollen uns von diesem Vorstand trennen, dann ist das ein gültiger Vertrag. Ich meine, ein Mieter will ja auch nicht, dass langfristig laufende Verträge einfach heillos gekündigt werden und er keinen Rechtsschutz hat. Und dann ist das ja eigentlich keine Abfindung in dem Sinne, sondern eine Ausbezahlung eines gültigen Vertrages dafür, dass man jemand abberufen hat. Und das würde ich an der Stelle akzeptieren. Aber irgendwo muss das auch seine Grenzen haben. Ich denke, zwei Jahresgehälter, dann dürfte es gut sein.

    Dobovisek: Wo muss das festgelegt werden?

    Goebel: Das müsste im Aufsichtsrat festgelegt werden oder in der Hauptversammlung. Mich wundert momentan zum Beispiel die Diskussion, dass die Gewerkschaften danach rufen, dass es hier eine gesetzliche Bestimmung geben muss. Die Gewerkschaften sitzen in Aktiengesellschaften überall im Aufsichtsrat und können voll mitwirken und die haben offensichtlich die riesigen Gehälter in der Vergangenheit mit akzeptiert.

    Kaess: Mein Kollege Mario Dobovisek im Gespräch mit Lutz Goebel vom Verband der Familienunternehmer.


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