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Mehrheit des Bundestages billigt Nato-Beitritt der Slowakei

    Engels: Die Slowakei ist also in dieser Woche unser Thema. Das Land geriet nach der Spaltung der Tschechoslowakei 1992 im Vergleich zum weiterentwickelten Tschechien etwas in den Hintergrund. Zum einen hatte die Slowakei schwierigere wirtschaftliche Altlasten aus der sozialistischen Zeit zu bewältigen, zum zweiten verschlechterte der in den neunziger Jahren regierende Ministerpräsident Vladimir Mečiar das internationale Ansehen Bratislavas. Doch nach dem Abtritt Mečiars holte die Slowakei unter der Regierung Dzurinda rasant auf. 1999 Mitgliedschaft im Europarat, 2000 in der OECD, und im Jahre 2004 wird das Land nach erfolgreichem Referendum zeitgleich mit neun anderen Kandidaten auch der EU beitreten. Gestern billigte der Deutsche Bundestag zudem auch formal mit großer Mehrheit den geplanten Nato-Beitritt von sieben osteuropäischen Ländern, darunter auch den der Slowakei. Vor der Sendung sprachen wir mit dem Präsidenten der Slowakei Rudolf Schuster. Er reagierte wie folgt auf den Bundestagsbeschluss:

    Schuster: Zunächst möchten wir uns herzlich bei dem Parlament bedanken, dass es uns unterstützt und geholfen hat. Die Slowakei hat in den letzten Jahren sicher gute Fortschritte gemacht, auch auf diesem Gebiet. Wir werden sieben neue Mitglieder aus diesem Teil der Welt sein, der vorher durch den Eisernen Vorhang isoliert war. Jetzt kommen wir Gott sei Dank zu den entwickelten Ländern zurück. Wir denken, dass wir auch zu mehr Sicherheit durch unsere Hilfe beitragen können. Ich denke, die Slowakei hat bewiesen, dass sie zu diesem Teil der Welt gehört. Wir möchten auch in der Zukunft zeigen, dass wir hilfreich sein können. Unsere Soldaten sind, wie Sie wissen, in der ganzen Welt verteilt. Wir haben über 700 Soldaten draußen. Wir waren ja auch bei der Irak-Krise in Kuwait zusammen mit der tschechischen Armee dabei.

    Engels: Da möchte ich direkt einmal einhaken. Beim Thema Irak hat sich ja auch innerhalb der Nato eine Spaltung - zumindest eine Zeit lang - aufgetan. Auch in der Slowakei haben Kriegsgegner in Ihrem Land seinerzeit Unterschriften gesammelt, um ein Referendum über den Nato-Beitritt zu erzwingen. Gibt es denn nach diesem Irak-Konflikt wesentlichen Widerstand in der Slowakei, in der Bevölkerung gegen diesen Nato-Beitritt?

    Schuster: Sie wissen, wie das ist, wenn Krieg ist. Die Leute haben immer Angst. Das war auch bei der Kosovo-Krise der Fall. Sogar eine Partei, die Herr Mečiar geführt hat, war dagegen. Heute ist die Situation aber in unserem Parlament so, dass nur eine kleine Partei mit sechs oder sieben Prozent - die Kommunistische Partei - gegen den Beitritt zur Nato ist. Auch die Koalition, die Opposition unterstützt unseren Beitritt zur Nato. Wenn die Leute in dieser Zeit Angst gehabt haben, dass auch bei uns Terroranschläge passieren könnten, kann man das verstehen. Die Leute aber, die organisiert Unterschriften gesammelt haben, wollten eigentlich ein Referendum erreichen. Sie haben es aufgegeben, denn die Leute haben sie mit ihren Unterschriften nicht unterstützt.

    Engels: Aber die grundsätzliche Frage bleibt ja: Damals, als die Slowakei mit den Brief der Acht unterschrieben hat, mit dem die US-Irakpolitik unterstützt wurde, gab es ja heftige Kritik beispielsweise von Seiten des französischen Staatspräsidenten Chirac. Fürchten Sie, dass Sie sich einmal in Fragen der Sicherheitspolitik zwischen der EU und der Nato beziehungsweise der USA entscheiden müssen?

    Schuster: Ich denke, es wäre ein Fehler, wenn wir uns zwischen der EU und der Nato zerteilen müssten. Vielfach sind es ja die gleichen Länder, die in der Nato und der EU sind. Wir müssen zusammen einen Weg finden. Wir haben uns so entschlossen, und wir haben uns nicht schlecht entschlossen, auch wenn wir dafür kritisiert wurden. Wir sind davon überzeugt, dass es ein guter Schritt war sowohl für die Slowakei als auch für die anderen, die sich angeschlossen haben. Es ist schwierig für die Länder, die schon lange in der Nato und in der EU sind, diese Länder, die erst auf dem Weg dorthin sind, zu verstehen. Ich denke, auch dieses Problem löst sich langsam. Die Probleme, die da waren, gehen langsam vorbei.

    Engels: Kommen wir nun zur EU. An einem EU-Referendum vor einigen Wochen haben sich ja nur rund 52 Prozent der wahlberechtigten Slowaken beteiligt, doch die stimmten dann mit über 90 Prozent für den EU-Beitritt. Welche Hoffnungen, aber auch welche Ängste verknüpfen die Menschen in Ihrem Land mit der EU?

    Schuster: Bei uns müssen über 50 Prozent der Wähler teilnehmen, nur sechs Prozent waren dagegen. Es hat eine große Bedeutung, dass die Leute den Beitritt mehrheitlich unterstützt haben. Wir werden jetzt einige Probleme haben, denn die ökonomischen Reformen hat niemand gerne. Wir hatten ein bisschen Angst, dass wir vielleicht durch die Preiserhöhungen für Energie und so weiter, die zum Glück erst im Januar stattgefunden haben, Probleme bekommen werden. Laut Meinungsumfragen war der Prozentsatz in der Bevölkerung für einen EU-Beitritt viel höher, manchmal hatten wir über achtzig Prozent Unterstützung. Eins ist sicher: Wir wissen, dass wir ab nächstem Jahr für drei Jahre 500 Millionen Euro pro Jahr bekommen. Wir müssen uns gut vorbereiten, so dass das Geld sinnvoll für Projekte innerhalb dieser drei Jahre eingesetzt wird. Gerade jetzt gibt es innerhalb des Landes große Kritik, wir seien nicht gut genug darauf vorbereitet, das Geld, das wir von der EU bekommen, sinnvoll auszugeben. Auch in der Sitzung, die ich mit dem Minister und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten geführt habe, der für die Koordination des Beitritts zur EU verantwortlich ist, wird dieses Problem gesehen. Aber die Hoffnung, dass wir die Probleme meistern können, ist viel größer. Das Beispiel Irlands, das vor dreißig Jahren die gleichen Problem wie die Slowakei heute hatte, ist ein gutes Beispiel für uns: hohe Arbeitslosigkeit und viele junge Leute, die das Land verlassen haben. Heute kommen sie langsam zurück. Das Lebensniveau lag damals bei sechzig Prozent des Durchschnitts in der EU. Heute ist es bei über 130 Prozent. Das ist ein gutes Beispiel. Irland ist ein kleines Land. Wir in der Slowakei können uns ein wenig mit Irland vergleichen. Deshalb möchten wir auch diese Erfahrungen ausnutzen. Die Befürchtungen sind also nicht so groß wie die Erwartungen. Das Lebensniveau wird steigen, die Arbeitslosigkeit wird sinken. Ich sehe für die Zukunft, für die jüngere Generation, dass wir auf dem besten Weg sind, dass das, wovon wir immer nur geträumt haben, Wirklichkeit wird. Wir müssen uns einzig gut darauf vorbereiten, dass wir diese Erwartungen auch erfüllen. Das hängt ja auch von uns ab, wie gut wir vorbereitet sind.

    Engels: Sie haben die hohe Arbeitslosigkeit und die Jugend angesprochen. Nun dürfen die Slowaken sich für eine Übergangszeit von sieben Jahren nicht überall in der EU zum Arbeiten niederlassen. Wird das für Enttäuschungen sorgen?

    Schuster: Ich denke, es wird sich im praktischen Leben ganz anders abspielen. Viele Länder, zum Beispiel Luxemburg, in dem ich zu Besuch war, wird seine Türen für Fachleute aus der Slowakei öffnen. Ich bin überzeugt, dass sich auch Österreich und Deutschland ganz anders verhalten werden, wenn es zu konkreten Schritten kommt. Wir haben umgekehrt Angst davor, dass gute, junge Fachleute das Land verlassen werden. Wenn sie ins Ausland gehen, um Erfahrungen zu sammeln, ist das gut. Wenn sie aber nicht zurückkommen und dort bleiben, tut uns das leid, denn wir möchten die besten Leute nicht für immer verlieren. Ich habe allerdings keine große Angst davor, denn die Arbeitslosigkeit sinkt langsam von ehemals 18 auf jetzt 15 Prozent. Langsam ändert sich auch diese Situation. Ich denke, man muss in Deutschland, Österreich und anderen Ländern keine Angst haben, von der Slowakei besetzt zu werden. Die Slowaken bleiben gerne zu Hause. Die jungen Leute, die gerne wegmöchten, die sofort ein gesteigertes Lebensniveau haben möchten, sind die besten, die durch Sprachkenntnisse professionell gut vorbereitet sind. An denen besteht in der ganzen Welt immer Interesse.

    Engels: So weit Rudolf Schuster, Präsident der Slowakei. Wir haben das Gespräch vor der Sendung aufgezeichnet.

    Link: Interview als RealAudio