Friedbert Meurer: Am Sonntag wollen CDU und CSU ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl beschließen. Die Frage, ob und wann die Steuern gesenkt werden, steht im Mittelpunkt. Eines ist sicher: dass die Mehrwertsteuer angehoben wird, das wird nicht im Wahlprogramm stehen. – Heinrich Oberreuter ist Politikwissenschaftler an der Universität Passau. Guten Tag, Herr Oberreuter.
Heinrich Oberreuter: Guten Tag, Herr Meurer!
Meurer: Glauben Sie, dass die Mehrwertsteuer nach der Wahl nicht angehoben wird?
Oberreuter: Sie stellen so Tausend-Dollar-Fragen. Wir haben ja diese Diskussion bei der letzten Bundestagswahl schon gehabt mit unterschiedlichen Positionen, die dann zu einer ganz überraschenden, nämlich zur denkbar höchsten Belastung, geführt haben. Diskutieren kann man das ganze im Grunde nur auf dem Hintergrund der unmäßigen Staatsverschuldung, der Belastung künftiger Generationen und der Notwendigkeit, dieses Problem in den Griff zu kriegen, aber es gibt natürlich schon harte politische Widerstände, gerade an der Mehrwertsteuer zu drehen, weil das natürlich die Bevölkerung insgesamt betrifft und dort natürlich in Sonderheit auch die mit den niedrigsten Einkommen.
Meurer: Warum, glauben Sie, macht Günther Oettinger, der baden-württembergische Ministerpräsident, diesen Vorschlag, den ermäßigten Satz anzuheben?
Oberreuter: Die einfachste Antwort wäre, er ist ein Schwabe und denkt an ausgeglichene Haushalte und er greift sich ein Glied aus der Kette.
Meurer: Da passt er ja zur Kanzlerin als schwäbische Hausfrau!
Oberreuter: Eigentlich kommt sie ja mehr aus Mecklenburg, aber wollen wir doch mal die Steuer in der Küche lassen. Ich meine, was für Oettingers Vorschlag von der Logik her spricht, das ist die Tatsache, dass es ja so wie es früher immer gewesen ist, nämlich dass der ermäßigte Steuersatz die Hälfte des normalen darstellt, seit längerer Zeit nicht mehr gegeben ist und insofern könnte man da zugreifen, ohne allzu intensiv in die Strukturen hineinzufuhrwerken. Aber Fakt ist natürlich, dass man genau die Lebensmittel trifft, dass man die Kultur trifft, Druck und Zeitungen trifft, also auch die Kultur, Kultur und Leben, und ob das nun ausgerechnet von der Auswirkung her das richtige Projekt wäre, darf man bezweifeln.
Meurer: Und wenn man es schmackhaft macht, was Oettinger ja auch sagt, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auch für die Gastronomie gilt und die Hotels, eine Forderung der CSU, dann würde der Satz angehoben, aber auf mehr Produkte und Dienstleistungen erweitert.
Oberreuter: Ja, so ist das, aber er würde damit natürlich einer Forderung der CSU entgegenkommen. Die CSU fühlt sich stark, sie ist auch stark im Unionsgefüge und sie wird von dieser Forderung so schnell nicht ablassen. Aber ich möchte schon darauf plädieren, dass man in dem finanzpolitischen Disaster, in dem man ist, in den Lücken, die sich in den Haushalten auftun, und in den Gestaltungsproblemen, die sich damit für die Zukunft damit verbinden, dass man da eigentlich doch ein Konzept bräuchte, einen zündenden Gedanken und eine Zukunftsoption und nicht ein Kurieren an Symptomen, an kleinen Wunden, an kleinen Chancen, da ein Pflästerchen, dort ein Pflästerchen, …
Meurer: Ist das die Umschreibung dessen, was im Wahlkampfprogramm im Moment geplant ist, den Einstiegssteuersatz um einen Prozentpunkt beispielsweise abzumildern?
Oberreuter: Nun muss man sagen, sich das anzuschauen und das als eine große reformerische Leistung an der Steuerfront auszugeben, das entbehrt natürlich schon ein Stück weit der Glaubwürdigkeit. Es ist im Grunde ein allgemeiner Kampf um Wählerstimmen und der Versuch, der Öffentlichkeit ein Entlastungsseil sozusagen hinzuwerfen. Andere Parteien gehen ja an der Front noch sehr viel weiter und sind noch populistischer. Die Problematik sieht man ja eigentlich schon darin, dass in der Union ein Streit darüber besteht, wann denn diese kleinen Reformen in Kraft treten sollen. Die einen, die Bayern, wollen einen Termin; die anderen sagen, unser Argument ist ja, wir wollen damit die Binnennachfrage ankurbeln und das hängt dann wieder ab von blühenden Konjunkturen.
Meurer: Denken Sie, die CSU setzt sich mit dem Termin 2011 durch?
Oberreuter: Ich glaube nicht. Es wird sich keiner durchsetzen, sondern es wird irgendwann eine Kompromissformel geben, die jeden mit einem gewahrten Gesicht aus diesem Streit hervorgehen lässt. Es ist im Grunde auch von der Substanz her, glaube ich, relativ gleichgültig. Das Entscheidende ist, meine ich, dass in der Tat die Wirtschaft blüht, die Staatsfinanzen in Ordnung gebracht werden, und dazu braucht man in der Tat Initialzündungen. Ich glaube, der entscheidende Punkt beim Unionsansatz an der Steuerfront, das ist die Beseitigung des sogenannten Mittelstandsbauchs, die kalte Progression. Da könnten sie punkten, wenn sie das auch im Wahlkampf deutlich ins Zentrum ihrer Argumentation rücken.
Meurer: Wenn sie das nicht tut, gewinnt dann die FDP an Zulauf, noch mehr an Zulauf?
Oberreuter: Die FDP gewinnt von all denen, die der Union eine Politik unterstellen, die nicht für die Leistungsträger formuliert ist, die zu sehr von sozialpolitischen Argumenten getragen wird und die vor allen Dingen eines vermissen zu lassen scheint, nämlich eine ordnungspolitische klare Leitlinie, die sich an der sozialen Marktwirtschaft und an den Leistungen, die dort von den einzelnen zu erbringen sind, orientiert.
Meurer: Wie sehr beobachten Sie bei der CSU – da kennen Sie sich recht gut aus -, gibt es da wirklich eine Geschlossenheit in der Steuerfrage, oder tun sich beispielsweise zwischen Ministerpräsident Seehofer und Bundeswirtschaftsminister Guttenberg dort Risse auf?
Oberreuter: Es gibt zumindest eine Diskussion, und ich muss ja sagen, Diskussionen von und innerhalb von Parteien finde ich erfreulich. Gerade die CSU hat immer dazu geneigt, allzu frühzeitig Diskussionen auszutreten, indem sie ihre legendäre Geschlossenheit auf die Waagschale gelegt hat. Dass der Ministerpräsident und der Bundeswirtschaftsminister, jeder aus seiner eigenen Position, nach eigenem Recht ihre Ideen formulieren, halte ich eigentlich eher für erfreulich und ich halte überhaupt nichts davon, dem Bundeswirtschaftsminister vorzuschreiben, dass er in Berlin bayerische Interessen zu vertreten hat, noch dazu, wenn sich damit verbindet, dass bayerische Interessen im Vergleich zu dem, was für alle gilt, privilegiert werden müssten.
Meurer: Das hat sich angeblich die Landwirtschaftsministerin anhören müssen, die bayerischen Interessen und Vorschriften.
Oberreuter: Ja, gut, wir kennen die Auseinandersetzung. Die Landwirtschaftsministerin hat in einer spezifischen Frage, nämlich bei der Forschung in der grünen Gentechnik, ich sage mal dem Rat des Ministerpräsidenten Folge geleistet. Der Bundeswirtschaftsminister hat in all diesen Fragen der Subventionen und Aufrechterhaltung maroder Unternehmen eine Linie gefahren, die wirtschaftspolitisch, ordnungspolitisch orientiert ist, und da fährt man ihm in Bayern im Augenblick regionalpolitisch in die Flanke, was natürlich unsinnig ist. Das ist Willkür und in Bayern können keine anderen Vorschriften gelten und Entscheidungen getroffen werden als von miraus in Mecklenburg.
Meurer: Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter von der Universität Passau, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Herr Oberreuter, und auf Wiederhören.
Oberreuter: Bitte schön! Auf Wiederhören.
Heinrich Oberreuter: Guten Tag, Herr Meurer!
Meurer: Glauben Sie, dass die Mehrwertsteuer nach der Wahl nicht angehoben wird?
Oberreuter: Sie stellen so Tausend-Dollar-Fragen. Wir haben ja diese Diskussion bei der letzten Bundestagswahl schon gehabt mit unterschiedlichen Positionen, die dann zu einer ganz überraschenden, nämlich zur denkbar höchsten Belastung, geführt haben. Diskutieren kann man das ganze im Grunde nur auf dem Hintergrund der unmäßigen Staatsverschuldung, der Belastung künftiger Generationen und der Notwendigkeit, dieses Problem in den Griff zu kriegen, aber es gibt natürlich schon harte politische Widerstände, gerade an der Mehrwertsteuer zu drehen, weil das natürlich die Bevölkerung insgesamt betrifft und dort natürlich in Sonderheit auch die mit den niedrigsten Einkommen.
Meurer: Warum, glauben Sie, macht Günther Oettinger, der baden-württembergische Ministerpräsident, diesen Vorschlag, den ermäßigten Satz anzuheben?
Oberreuter: Die einfachste Antwort wäre, er ist ein Schwabe und denkt an ausgeglichene Haushalte und er greift sich ein Glied aus der Kette.
Meurer: Da passt er ja zur Kanzlerin als schwäbische Hausfrau!
Oberreuter: Eigentlich kommt sie ja mehr aus Mecklenburg, aber wollen wir doch mal die Steuer in der Küche lassen. Ich meine, was für Oettingers Vorschlag von der Logik her spricht, das ist die Tatsache, dass es ja so wie es früher immer gewesen ist, nämlich dass der ermäßigte Steuersatz die Hälfte des normalen darstellt, seit längerer Zeit nicht mehr gegeben ist und insofern könnte man da zugreifen, ohne allzu intensiv in die Strukturen hineinzufuhrwerken. Aber Fakt ist natürlich, dass man genau die Lebensmittel trifft, dass man die Kultur trifft, Druck und Zeitungen trifft, also auch die Kultur, Kultur und Leben, und ob das nun ausgerechnet von der Auswirkung her das richtige Projekt wäre, darf man bezweifeln.
Meurer: Und wenn man es schmackhaft macht, was Oettinger ja auch sagt, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auch für die Gastronomie gilt und die Hotels, eine Forderung der CSU, dann würde der Satz angehoben, aber auf mehr Produkte und Dienstleistungen erweitert.
Oberreuter: Ja, so ist das, aber er würde damit natürlich einer Forderung der CSU entgegenkommen. Die CSU fühlt sich stark, sie ist auch stark im Unionsgefüge und sie wird von dieser Forderung so schnell nicht ablassen. Aber ich möchte schon darauf plädieren, dass man in dem finanzpolitischen Disaster, in dem man ist, in den Lücken, die sich in den Haushalten auftun, und in den Gestaltungsproblemen, die sich damit für die Zukunft damit verbinden, dass man da eigentlich doch ein Konzept bräuchte, einen zündenden Gedanken und eine Zukunftsoption und nicht ein Kurieren an Symptomen, an kleinen Wunden, an kleinen Chancen, da ein Pflästerchen, dort ein Pflästerchen, …
Meurer: Ist das die Umschreibung dessen, was im Wahlkampfprogramm im Moment geplant ist, den Einstiegssteuersatz um einen Prozentpunkt beispielsweise abzumildern?
Oberreuter: Nun muss man sagen, sich das anzuschauen und das als eine große reformerische Leistung an der Steuerfront auszugeben, das entbehrt natürlich schon ein Stück weit der Glaubwürdigkeit. Es ist im Grunde ein allgemeiner Kampf um Wählerstimmen und der Versuch, der Öffentlichkeit ein Entlastungsseil sozusagen hinzuwerfen. Andere Parteien gehen ja an der Front noch sehr viel weiter und sind noch populistischer. Die Problematik sieht man ja eigentlich schon darin, dass in der Union ein Streit darüber besteht, wann denn diese kleinen Reformen in Kraft treten sollen. Die einen, die Bayern, wollen einen Termin; die anderen sagen, unser Argument ist ja, wir wollen damit die Binnennachfrage ankurbeln und das hängt dann wieder ab von blühenden Konjunkturen.
Meurer: Denken Sie, die CSU setzt sich mit dem Termin 2011 durch?
Oberreuter: Ich glaube nicht. Es wird sich keiner durchsetzen, sondern es wird irgendwann eine Kompromissformel geben, die jeden mit einem gewahrten Gesicht aus diesem Streit hervorgehen lässt. Es ist im Grunde auch von der Substanz her, glaube ich, relativ gleichgültig. Das Entscheidende ist, meine ich, dass in der Tat die Wirtschaft blüht, die Staatsfinanzen in Ordnung gebracht werden, und dazu braucht man in der Tat Initialzündungen. Ich glaube, der entscheidende Punkt beim Unionsansatz an der Steuerfront, das ist die Beseitigung des sogenannten Mittelstandsbauchs, die kalte Progression. Da könnten sie punkten, wenn sie das auch im Wahlkampf deutlich ins Zentrum ihrer Argumentation rücken.
Meurer: Wenn sie das nicht tut, gewinnt dann die FDP an Zulauf, noch mehr an Zulauf?
Oberreuter: Die FDP gewinnt von all denen, die der Union eine Politik unterstellen, die nicht für die Leistungsträger formuliert ist, die zu sehr von sozialpolitischen Argumenten getragen wird und die vor allen Dingen eines vermissen zu lassen scheint, nämlich eine ordnungspolitische klare Leitlinie, die sich an der sozialen Marktwirtschaft und an den Leistungen, die dort von den einzelnen zu erbringen sind, orientiert.
Meurer: Wie sehr beobachten Sie bei der CSU – da kennen Sie sich recht gut aus -, gibt es da wirklich eine Geschlossenheit in der Steuerfrage, oder tun sich beispielsweise zwischen Ministerpräsident Seehofer und Bundeswirtschaftsminister Guttenberg dort Risse auf?
Oberreuter: Es gibt zumindest eine Diskussion, und ich muss ja sagen, Diskussionen von und innerhalb von Parteien finde ich erfreulich. Gerade die CSU hat immer dazu geneigt, allzu frühzeitig Diskussionen auszutreten, indem sie ihre legendäre Geschlossenheit auf die Waagschale gelegt hat. Dass der Ministerpräsident und der Bundeswirtschaftsminister, jeder aus seiner eigenen Position, nach eigenem Recht ihre Ideen formulieren, halte ich eigentlich eher für erfreulich und ich halte überhaupt nichts davon, dem Bundeswirtschaftsminister vorzuschreiben, dass er in Berlin bayerische Interessen zu vertreten hat, noch dazu, wenn sich damit verbindet, dass bayerische Interessen im Vergleich zu dem, was für alle gilt, privilegiert werden müssten.
Meurer: Das hat sich angeblich die Landwirtschaftsministerin anhören müssen, die bayerischen Interessen und Vorschriften.
Oberreuter: Ja, gut, wir kennen die Auseinandersetzung. Die Landwirtschaftsministerin hat in einer spezifischen Frage, nämlich bei der Forschung in der grünen Gentechnik, ich sage mal dem Rat des Ministerpräsidenten Folge geleistet. Der Bundeswirtschaftsminister hat in all diesen Fragen der Subventionen und Aufrechterhaltung maroder Unternehmen eine Linie gefahren, die wirtschaftspolitisch, ordnungspolitisch orientiert ist, und da fährt man ihm in Bayern im Augenblick regionalpolitisch in die Flanke, was natürlich unsinnig ist. Das ist Willkür und in Bayern können keine anderen Vorschriften gelten und Entscheidungen getroffen werden als von miraus in Mecklenburg.
Meurer: Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter von der Universität Passau, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Herr Oberreuter, und auf Wiederhören.
Oberreuter: Bitte schön! Auf Wiederhören.