Dirk-Oliver Heckmann: Für Verbraucherschutzminister Horst Seehofer ist es ein Meilenstein in der Geschichte des Bürgerschutzes, Kritiker sehen darin eher einen zahnlosen Tiger. Die Rede ist vom Verbraucherinformationsgesetz, das seit gestern in Kraft getreten ist. Ab heute haben Bürgerinnen und Bürger das Recht, sich bei den Behörden über Lebensmittel, Kosmetika, Spielzeug und Reinigungsmittel zu informieren. Bleibt die Frage, ob das Angebot auch genutzt wird. Darüber möchte ich diskutieren mit Bärbel Höhn, sie ist stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Guten Morgen!
Bärbel Höhn: Guten Morgen!
Heckmann: Und an der anderen Seite der Leitung sozusagen Otmar Bernhard von der CSU, Staatsminister für Verbraucherschutz in Bayern und Vorsitzender der entsprechenden Ministerkonferenz. Guten Morgen auch Ihnen!
Otmar Bernhard: Guten Morgen!
Heckmann: Herr Bernhard, Horst Seehofer spricht von einem Meilenstein. Ist das nicht ein bisschen hoch gegriffen?
Bernhard: Nein, ich glaube nicht. Das ist in der Tat ein großer Fortschritt, denn wir haben ja einen radikalen Wechsel. Wir haben bisher das Prinzip sozusagen der Amtsverschwiegenheit. Die Daten, die es gibt, die bleiben bei den Behörden. Und jetzt haben wir das Prinzip der Aktenöffentlichkeit. Das heißt, der Bürger kann abfragen, was die Behörde weiß, und das ist doch ein Riesenfortschritt.
Heckmann: Wieso sollen sich eigentlich Bürger über Gesundheitsgefahren informieren können? Sind die Behörden nicht dazu da eben, dass es gar nicht dazu kommt, dass sich die Bürger informieren müssen über solche Produkte, nicht dafür da, dass eben solche Produkte gar nicht in den Regalen stehen?
Bernhard: Das ist völlig richtig. Zunächst einmal muss man ja sehen, dass wir das Prinzip haben und auch den Willen haben, möglichst weitgehend von uns aus zu informieren, also aktiv zu informieren. Da haben wir ganz verschiedene Einrichtungen. Wir haben zum Beispiel in Bayern ein Verbraucherinformationssystem im Internet. Wir veröffentlichen alle Beprobungen unseres Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Wir haben jetzt einen Lebensmittelreport eingerichtet, wo zum Beispiel alle Pestizidwerte jede Woche veröffentlich werden. Und wenn es um Rechtsverstöße geht, und um Gefahren für die Gesundheit wird ohnehin von Behördenseite her informiert. Das heißt, das ist schon mal das Wichtigste, dass wir aktiv informieren. Und der Bürger kann sich darüber hinaus noch bei den Behörden informieren. Und das zusammen, glaube ich, ist wirklich ein Riesenfortschritt.
Heckmann: Frau Höhn, Sie sind zuständig für den Verbraucherschutz in Ihrer Fraktion. Also haben Sie auch Anlass sich zu freuen, oder?
Höhn: Nein, ich habe leider keinen Anlass, mich zu freuen, weil ich meine, das ist eine Mogelpackung, die uns hier vorgesetzt worden ist. Der Name ist zwar Verbraucherinformationsgesetz, aber die Menschen, die da Informationen haben wollen, werden schnell an die Grenze stoßen. Der erste Punkt ist: Behörden dürfen Auskunft geben oder müssen Auskunft geben, aber bei Unternehmen selber kann man nicht fragen. Das heißt, das hat man schon alles rausgenommen. Der zweite Punkt ist, dass man es auch eingeschränkt hat auf Lebensmittel und Bedarfsgegenstände. Und was da nicht drunter fällt, das kann man nicht erfragen. Außerdem ist es so, dass die Behörden sich bis zu vier Wochen Zeit nehmen können, ehe sie die Frage beantworten, teilweise kann es bei komplizierten Anfragen richtig teuer werden. Insofern sind so viel Ausnahmen hier gemacht worden, dass das wie ein löchriger Käse einfach vielleicht mal ursprünglich gut gemeint war von Herrn Seehofer, das will ich durchaus konstatieren. Ich glaube, dass er einen richtigen Schock hatte auch bei diesem Gammelfleischskandalen und dachte, da muss er jetzt endlich was tun. Aber was jetzt rausgekommen ist, da haben eben die Lobbyisten hart dran gearbeitet. Und das heißt, da ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Heckmann: Das heißt, Sie sind der Ansicht, dass Horst Seehofer eingeknickt ist vor den Lobbyisten?
Höhn: Ja, ich glaube einfach, dass er sich wahrscheinlich nicht mehr richtig drum gekümmert hat und das dann einfach Leute gemacht haben und damit der Einfluss zu stark war, wie viel Ausnahmen da eben reingeschossen worden sind. Das passiert leider häufig bei Gesetzen, und da muss man einfach nachhaken, dass das wirklich was Gutes wird. Das ist auch schade, weil wir hatten ein richtig gutes Verbraucherinformationsgesetz, was Renate Künast auf den Tisch gelegt hat damals, das ist an der CDU/CSU gescheitert. Und das ist wirklich jetzt nicht gut, denn genau das hätte man ja auch noch mal rausholen können und umsetzen können. Es gab eine gute Vorlage.
Heckmann: Herr Bernhard, Sie haben es gehört. Die Unternehmen selbst haben keine Auskunftspflicht im Gegensatz zu den Behörden. Und die Behörden, die informieren beispielsweise auch nicht über Banken und Versicherer. Die ganze Sache ist beschränkt auf den Lebensmittelbereich und Bedarfsgegenstände, wie Frau Höhn es gerade formuliert hat. Werden also die Branchen geschützt, statt die Verbraucher?
Bernhard: Nein, ich glaube, wir konzentrieren uns auf das, was die Verbraucher am allermeisten interessiert. Wir haben in Bayern vor Kurzem eine Studie machen lassen, Verbrauchermonitor, und abfragen lassen, was interessiert die Verbraucher am meisten. Und da ist mit großem Abstand genannt worden Lebensmittel etc., also ist das das ganz wichtige Feld, wo ja auch den Behörden über die Kontrollen entsprechende Informationen vorliegen. Insofern, glaube ich, ist der Vorwurf nicht gerechtfertigt. Und das andere ist: Wir haben ja lange über diese Frage diskutiert, soll es einen Anspruch gegen Unternehmen geben. Da muss man auch mal Folgendes sehen, dass die Unternehmen zunächst schon einmal verpflichtet sind, in vielfacher Weise zu kennzeichnen, das, was sie in den Markt bringen. Wir diskutieren jetzt zurzeit gerade über ein System der Nährwertkennzeichnung. Wichtige Infos sind schon einmal auf den Waren aufzubringen. Und dann geht es mir auch um die Infos, die die Behörden hier, ist ja vorher betont, ohnehin schon nach außen geben, die Bürger informieren. Und wenn man dann abwägt, was übrig bleibt, dann, glaube ich, ist es schon vernünftig, dass die Unternehmen einen gewissen Anspruch haben, dass ihre Geschäftsgeheimnisse, Betriebsgeheimnisse gewahrt werden, dass sie - das ist auch ein wichtiger Aspekt - nicht ausgespäht werden von der Konkurrenz. Das kann man ja auch nicht wollen. Und ich will einen Aspekt, der vorhin, der bisher in der Diskussion überhaupt nicht aufscheint, nämlich das Ganze hat ja auch einen präventiven Zweck. Das heißt, wenn die Unternehmen wissen, dass die Behörden jetzt verschärft auch mit Namensnennung rausgehen können, dann hat das auch einen präventiven Effekt, dass sich viele überlegen werden, ob sie unter diesen Bedingungen Gesetz und Recht nicht einhalten, oder Hygienevorschriften, was es im Einzelnen ist. Und das ist, glaube ich, auch ein wichtiger Aspekt. Denn für eine Firma, glaube ich, ist nichts schlimmer, als wenn sie mit Namen und negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit erscheint.
Heckmann: Frau Höhn, wenn es nach Ihnen ginge, dann hätten Geschäftsgeheimnisse in Zukunft keine Chance mehr. Aber das würde möglicherweise auch das Ende für viele Unternehmen bedeuten?
Höhn: Nein, das stimmt ja nicht. Die entscheidende Frage ist ja, wie geht man wirklich mit Geschäftsgeheimnissen um. Und ich war zehn Jahre lang für diesen Bereich zuständig als Verbraucherministerin, und deshalb kann ich da eigentlich einiges zu sagen.
Heckmann: In Nordrhein-Westfalen?
Höhn: In Nordrhein-Westfalen, also sozusagen in dem größten Bundesland, was wir haben. Da muss man einfach gucken, was sind Geschäftsgeheimnisse. Da sehen Sie, dass Sie ganz, ganz schnell an Ihre Grenzen stoßen. Nehmen wir jetzt zum Beispiel einen Fall, dass Wasser in den Schinken gespritzt wird. Wasser ist sehr schwer, da kann man richtig Geld machen, wenn man so was tut. Da werden sozusagen Stoffe reingespritzt, die Wasser ziehen, und damit wird der Schinken schwer. Das ist natürlich nicht gesundheitsgefährlich, weil wir gehen mal davon aus, das Wasser ist jetzt kein verschmutztes Wasser gewesen. Das heißt, wenn Sie da zum Beispiel ran wollen, an solche Information, ist das natürlich ein Betriebsgeheimnis, weil das ist ein Teil der Rezeptur. Das heißt, unter Betriebsgeheimnis fällt praktisch alles. Das Problem ist: Auch ich bin dafür, dass natürlich Unternehmen nicht irgendwie sofort in den Ruin getrieben werden, aber ich gehe davon aus, dass Behörden damit auch sehr sorgfältig sind. Das Problem ist nur, dass Behörden auch durch das sogenannte Birkel-Urteil aus Baden-Württemberg - damals musste ja die Behörde große Strafen zahlen an das Unternehmen -, dass sie da so reagieren, dass sie immer super vorsichtig sind und möglichst gar nichts rausgeben wollen, weil sie Angst haben, dass sie ein Verfahren der Unternehmen bekommen gegen sie. Das ist eigentlich die Situation. Und deshalb kann man - und das ist ja damals auch in den Vorlagen von Nordrhein-Westfalen oder auch von Renate Künast drin gewesen - eben den Punkt Betriebsgeheimnis so formulieren, dass natürlich auch Unternehmen nicht irgendwie überbotmäßig da ausgeplündert werden, aber dass diese Angst der Beamten, da sich nicht zu engagieren, da nicht rauszugehen, da nicht aktiv die Verbraucher zu informieren, dass die denen ein Stück genommen wird.
Heckmann: Den Punkt würde ich gerne weitergeben an Herrn Bernhard. Im Prinzip, das Gesetz ändert an dieser Sache nichts?
Bernhard: Ja, wir müssen zwei Dinge zunächst einmal unterscheiden. Ich habe jetzt gesagt, weil es um die Frage ging, Anspruch gegen Unternehmen, da habe ich gesagt: Es muss einen gewissen Bereich geben, wo ein Unternehmen nicht einfach Daten-, Betriebsgeheimnisse, Geschäftsgeheimnissen nach außen geben muss. Und der andere Bereich ist die Frage, wie weit wir gehindert sind, zu informieren durch das Thema Geschäftsgeheimnisse. Und da ist es so, das, was Geschäftsgeheimnis ist, die Behörden entscheiden. Das entscheidet nicht das Unternehmen. Das ist einmal ein ganz wichtiger Punkt. Und natürlich sieht man ja an diesem Urteil, das die Frau Höhn erwähnt hat, das ist natürlich nicht so ganz einfach gewesen. Weil wenn etwas dann nicht berechtigt ist, was an Information rausgegeben und falsch ist, wenn es irreführend ist, dann fügt es natürlich unter Umständen zu massiven Schadenersatzansprüchen. Und die Behörden, glaube ich, müssen dann schon ein gewisses Maß an Sorgfalt anwenden. Aber wir wollen offensiv davon Gebrauch machen, und wir entscheiden, was Geschäftsgeheimnis ist.
Heckmann: Frau Höhn, die Behörden entscheiden, was Geschäftsgeheimnisse sind, nicht die Unternehmen.
Höhn: Ja, ich habe ja gerade eben deutlich gemacht, dass die Behörden eigentlich ängstlich sind an diesem Punkt, das weiß ich selber. Und wir haben in Nordrhein-Westfalen ja zu meiner Zeit auch viele Sachen veröffentlicht, die andere Länder nicht veröffentlicht haben. Von daher sind wir da erheblich weiter gegangen. Und deshalb weiß ich sehr genau, wie schwierig das ist. Ich sage mal einen anderen Fall. Da ging es um Gesundheitsgefahren. Da mussten wir schon alle informieren, weil wenn es um eine Gesundheitsgefahr geht, muss man natürlich informieren, weil ja Gefahr im Verzug ist. So, da geht es um Salmonellen in Schokolade um kurz vor Weihnachten. Da ist das Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Und da gehört enorm viel Mut dazu, das sage ich Ihnen, dann zu sagen: Wir veröffentlichen das alles. Weil dann natürlich - das war ein großes Unternehmen - eins dahintersteht und Ihnen richtig Druck macht und sagt: Einen Moment, wenn da nicht alles hieb- und stichfest ist, dann kommen Hundertmillionen Schaden auf Sie zu. Da können Sie mal gucken, was Sie da im Kabinett machen, wenn Sie das vom Finanzminister wiederhaben wollen. Also von daher wird in solchen Fällen, wird natürlich totaler Druck gemacht. Und deshalb muss man im Gesetz eine Regelung hineinschreiben, die wirklich den Beamten den Rücken stärkt und nicht, wie das jetzt im Gesetz gemacht worden ist, den Punkt Betriebsgeheimnis wirklich ganz breit lässt. Ich mache noch einen letzten Punkt, um zu sagen, wie man mit Betriebsgeheimnis umgeht. Das gilt zwar jetzt nicht auf Lebensmittel, aber ich habe mal nachgefragt, wie ist das bei den Subventionen der EU, welches Unternehmen bekommt welche Subventionen. Und da wurde damals gesagt von der Bundesregierung: Das sind Betriebsgeheimnisse, die veröffentlichen wir nicht. So weit geht das mit Betriebsgeheimnissen.
Heckmann: Ganz kurz zum Schluss, Frau Höhn, wir haben nicht mehr viel Zeit. Unterm Strich, ein Meilenstein für den Bürgerschutz - alles Augenwischerei?
Höhn: Ja, ich glaube, es sind vielleicht zehn Zentimeter auf einem ganz langen Weg. Und es soll in zwei Jahren überprüft werden, wir müssen einfach weiterarbeiten. Das Problem ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher richtig kämpfen müssen, um an ihre Informationen ranzukommen, und wir sind da noch weit von einer guten Lösung entfernt.
Heckmann: Herr Bernhard?
Bernhard: Ja, noch mal: Der Kern ist doch, dass der Verbraucher jetzt das gesamte Wissen, dass die Behörde hat, abfragen kann. Wer sagt, das ist kein Fortschritt, das ist für mich völlig unverständlich. Alles, was wir wissen, kann jetzt abgefragt werden, ist öffentlich. Das ist doch eine Riesensache.
Bärbel Höhn: Guten Morgen!
Heckmann: Und an der anderen Seite der Leitung sozusagen Otmar Bernhard von der CSU, Staatsminister für Verbraucherschutz in Bayern und Vorsitzender der entsprechenden Ministerkonferenz. Guten Morgen auch Ihnen!
Otmar Bernhard: Guten Morgen!
Heckmann: Herr Bernhard, Horst Seehofer spricht von einem Meilenstein. Ist das nicht ein bisschen hoch gegriffen?
Bernhard: Nein, ich glaube nicht. Das ist in der Tat ein großer Fortschritt, denn wir haben ja einen radikalen Wechsel. Wir haben bisher das Prinzip sozusagen der Amtsverschwiegenheit. Die Daten, die es gibt, die bleiben bei den Behörden. Und jetzt haben wir das Prinzip der Aktenöffentlichkeit. Das heißt, der Bürger kann abfragen, was die Behörde weiß, und das ist doch ein Riesenfortschritt.
Heckmann: Wieso sollen sich eigentlich Bürger über Gesundheitsgefahren informieren können? Sind die Behörden nicht dazu da eben, dass es gar nicht dazu kommt, dass sich die Bürger informieren müssen über solche Produkte, nicht dafür da, dass eben solche Produkte gar nicht in den Regalen stehen?
Bernhard: Das ist völlig richtig. Zunächst einmal muss man ja sehen, dass wir das Prinzip haben und auch den Willen haben, möglichst weitgehend von uns aus zu informieren, also aktiv zu informieren. Da haben wir ganz verschiedene Einrichtungen. Wir haben zum Beispiel in Bayern ein Verbraucherinformationssystem im Internet. Wir veröffentlichen alle Beprobungen unseres Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Wir haben jetzt einen Lebensmittelreport eingerichtet, wo zum Beispiel alle Pestizidwerte jede Woche veröffentlich werden. Und wenn es um Rechtsverstöße geht, und um Gefahren für die Gesundheit wird ohnehin von Behördenseite her informiert. Das heißt, das ist schon mal das Wichtigste, dass wir aktiv informieren. Und der Bürger kann sich darüber hinaus noch bei den Behörden informieren. Und das zusammen, glaube ich, ist wirklich ein Riesenfortschritt.
Heckmann: Frau Höhn, Sie sind zuständig für den Verbraucherschutz in Ihrer Fraktion. Also haben Sie auch Anlass sich zu freuen, oder?
Höhn: Nein, ich habe leider keinen Anlass, mich zu freuen, weil ich meine, das ist eine Mogelpackung, die uns hier vorgesetzt worden ist. Der Name ist zwar Verbraucherinformationsgesetz, aber die Menschen, die da Informationen haben wollen, werden schnell an die Grenze stoßen. Der erste Punkt ist: Behörden dürfen Auskunft geben oder müssen Auskunft geben, aber bei Unternehmen selber kann man nicht fragen. Das heißt, das hat man schon alles rausgenommen. Der zweite Punkt ist, dass man es auch eingeschränkt hat auf Lebensmittel und Bedarfsgegenstände. Und was da nicht drunter fällt, das kann man nicht erfragen. Außerdem ist es so, dass die Behörden sich bis zu vier Wochen Zeit nehmen können, ehe sie die Frage beantworten, teilweise kann es bei komplizierten Anfragen richtig teuer werden. Insofern sind so viel Ausnahmen hier gemacht worden, dass das wie ein löchriger Käse einfach vielleicht mal ursprünglich gut gemeint war von Herrn Seehofer, das will ich durchaus konstatieren. Ich glaube, dass er einen richtigen Schock hatte auch bei diesem Gammelfleischskandalen und dachte, da muss er jetzt endlich was tun. Aber was jetzt rausgekommen ist, da haben eben die Lobbyisten hart dran gearbeitet. Und das heißt, da ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Heckmann: Das heißt, Sie sind der Ansicht, dass Horst Seehofer eingeknickt ist vor den Lobbyisten?
Höhn: Ja, ich glaube einfach, dass er sich wahrscheinlich nicht mehr richtig drum gekümmert hat und das dann einfach Leute gemacht haben und damit der Einfluss zu stark war, wie viel Ausnahmen da eben reingeschossen worden sind. Das passiert leider häufig bei Gesetzen, und da muss man einfach nachhaken, dass das wirklich was Gutes wird. Das ist auch schade, weil wir hatten ein richtig gutes Verbraucherinformationsgesetz, was Renate Künast auf den Tisch gelegt hat damals, das ist an der CDU/CSU gescheitert. Und das ist wirklich jetzt nicht gut, denn genau das hätte man ja auch noch mal rausholen können und umsetzen können. Es gab eine gute Vorlage.
Heckmann: Herr Bernhard, Sie haben es gehört. Die Unternehmen selbst haben keine Auskunftspflicht im Gegensatz zu den Behörden. Und die Behörden, die informieren beispielsweise auch nicht über Banken und Versicherer. Die ganze Sache ist beschränkt auf den Lebensmittelbereich und Bedarfsgegenstände, wie Frau Höhn es gerade formuliert hat. Werden also die Branchen geschützt, statt die Verbraucher?
Bernhard: Nein, ich glaube, wir konzentrieren uns auf das, was die Verbraucher am allermeisten interessiert. Wir haben in Bayern vor Kurzem eine Studie machen lassen, Verbrauchermonitor, und abfragen lassen, was interessiert die Verbraucher am meisten. Und da ist mit großem Abstand genannt worden Lebensmittel etc., also ist das das ganz wichtige Feld, wo ja auch den Behörden über die Kontrollen entsprechende Informationen vorliegen. Insofern, glaube ich, ist der Vorwurf nicht gerechtfertigt. Und das andere ist: Wir haben ja lange über diese Frage diskutiert, soll es einen Anspruch gegen Unternehmen geben. Da muss man auch mal Folgendes sehen, dass die Unternehmen zunächst schon einmal verpflichtet sind, in vielfacher Weise zu kennzeichnen, das, was sie in den Markt bringen. Wir diskutieren jetzt zurzeit gerade über ein System der Nährwertkennzeichnung. Wichtige Infos sind schon einmal auf den Waren aufzubringen. Und dann geht es mir auch um die Infos, die die Behörden hier, ist ja vorher betont, ohnehin schon nach außen geben, die Bürger informieren. Und wenn man dann abwägt, was übrig bleibt, dann, glaube ich, ist es schon vernünftig, dass die Unternehmen einen gewissen Anspruch haben, dass ihre Geschäftsgeheimnisse, Betriebsgeheimnisse gewahrt werden, dass sie - das ist auch ein wichtiger Aspekt - nicht ausgespäht werden von der Konkurrenz. Das kann man ja auch nicht wollen. Und ich will einen Aspekt, der vorhin, der bisher in der Diskussion überhaupt nicht aufscheint, nämlich das Ganze hat ja auch einen präventiven Zweck. Das heißt, wenn die Unternehmen wissen, dass die Behörden jetzt verschärft auch mit Namensnennung rausgehen können, dann hat das auch einen präventiven Effekt, dass sich viele überlegen werden, ob sie unter diesen Bedingungen Gesetz und Recht nicht einhalten, oder Hygienevorschriften, was es im Einzelnen ist. Und das ist, glaube ich, auch ein wichtiger Aspekt. Denn für eine Firma, glaube ich, ist nichts schlimmer, als wenn sie mit Namen und negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit erscheint.
Heckmann: Frau Höhn, wenn es nach Ihnen ginge, dann hätten Geschäftsgeheimnisse in Zukunft keine Chance mehr. Aber das würde möglicherweise auch das Ende für viele Unternehmen bedeuten?
Höhn: Nein, das stimmt ja nicht. Die entscheidende Frage ist ja, wie geht man wirklich mit Geschäftsgeheimnissen um. Und ich war zehn Jahre lang für diesen Bereich zuständig als Verbraucherministerin, und deshalb kann ich da eigentlich einiges zu sagen.
Heckmann: In Nordrhein-Westfalen?
Höhn: In Nordrhein-Westfalen, also sozusagen in dem größten Bundesland, was wir haben. Da muss man einfach gucken, was sind Geschäftsgeheimnisse. Da sehen Sie, dass Sie ganz, ganz schnell an Ihre Grenzen stoßen. Nehmen wir jetzt zum Beispiel einen Fall, dass Wasser in den Schinken gespritzt wird. Wasser ist sehr schwer, da kann man richtig Geld machen, wenn man so was tut. Da werden sozusagen Stoffe reingespritzt, die Wasser ziehen, und damit wird der Schinken schwer. Das ist natürlich nicht gesundheitsgefährlich, weil wir gehen mal davon aus, das Wasser ist jetzt kein verschmutztes Wasser gewesen. Das heißt, wenn Sie da zum Beispiel ran wollen, an solche Information, ist das natürlich ein Betriebsgeheimnis, weil das ist ein Teil der Rezeptur. Das heißt, unter Betriebsgeheimnis fällt praktisch alles. Das Problem ist: Auch ich bin dafür, dass natürlich Unternehmen nicht irgendwie sofort in den Ruin getrieben werden, aber ich gehe davon aus, dass Behörden damit auch sehr sorgfältig sind. Das Problem ist nur, dass Behörden auch durch das sogenannte Birkel-Urteil aus Baden-Württemberg - damals musste ja die Behörde große Strafen zahlen an das Unternehmen -, dass sie da so reagieren, dass sie immer super vorsichtig sind und möglichst gar nichts rausgeben wollen, weil sie Angst haben, dass sie ein Verfahren der Unternehmen bekommen gegen sie. Das ist eigentlich die Situation. Und deshalb kann man - und das ist ja damals auch in den Vorlagen von Nordrhein-Westfalen oder auch von Renate Künast drin gewesen - eben den Punkt Betriebsgeheimnis so formulieren, dass natürlich auch Unternehmen nicht irgendwie überbotmäßig da ausgeplündert werden, aber dass diese Angst der Beamten, da sich nicht zu engagieren, da nicht rauszugehen, da nicht aktiv die Verbraucher zu informieren, dass die denen ein Stück genommen wird.
Heckmann: Den Punkt würde ich gerne weitergeben an Herrn Bernhard. Im Prinzip, das Gesetz ändert an dieser Sache nichts?
Bernhard: Ja, wir müssen zwei Dinge zunächst einmal unterscheiden. Ich habe jetzt gesagt, weil es um die Frage ging, Anspruch gegen Unternehmen, da habe ich gesagt: Es muss einen gewissen Bereich geben, wo ein Unternehmen nicht einfach Daten-, Betriebsgeheimnisse, Geschäftsgeheimnissen nach außen geben muss. Und der andere Bereich ist die Frage, wie weit wir gehindert sind, zu informieren durch das Thema Geschäftsgeheimnisse. Und da ist es so, das, was Geschäftsgeheimnis ist, die Behörden entscheiden. Das entscheidet nicht das Unternehmen. Das ist einmal ein ganz wichtiger Punkt. Und natürlich sieht man ja an diesem Urteil, das die Frau Höhn erwähnt hat, das ist natürlich nicht so ganz einfach gewesen. Weil wenn etwas dann nicht berechtigt ist, was an Information rausgegeben und falsch ist, wenn es irreführend ist, dann fügt es natürlich unter Umständen zu massiven Schadenersatzansprüchen. Und die Behörden, glaube ich, müssen dann schon ein gewisses Maß an Sorgfalt anwenden. Aber wir wollen offensiv davon Gebrauch machen, und wir entscheiden, was Geschäftsgeheimnis ist.
Heckmann: Frau Höhn, die Behörden entscheiden, was Geschäftsgeheimnisse sind, nicht die Unternehmen.
Höhn: Ja, ich habe ja gerade eben deutlich gemacht, dass die Behörden eigentlich ängstlich sind an diesem Punkt, das weiß ich selber. Und wir haben in Nordrhein-Westfalen ja zu meiner Zeit auch viele Sachen veröffentlicht, die andere Länder nicht veröffentlicht haben. Von daher sind wir da erheblich weiter gegangen. Und deshalb weiß ich sehr genau, wie schwierig das ist. Ich sage mal einen anderen Fall. Da ging es um Gesundheitsgefahren. Da mussten wir schon alle informieren, weil wenn es um eine Gesundheitsgefahr geht, muss man natürlich informieren, weil ja Gefahr im Verzug ist. So, da geht es um Salmonellen in Schokolade um kurz vor Weihnachten. Da ist das Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Und da gehört enorm viel Mut dazu, das sage ich Ihnen, dann zu sagen: Wir veröffentlichen das alles. Weil dann natürlich - das war ein großes Unternehmen - eins dahintersteht und Ihnen richtig Druck macht und sagt: Einen Moment, wenn da nicht alles hieb- und stichfest ist, dann kommen Hundertmillionen Schaden auf Sie zu. Da können Sie mal gucken, was Sie da im Kabinett machen, wenn Sie das vom Finanzminister wiederhaben wollen. Also von daher wird in solchen Fällen, wird natürlich totaler Druck gemacht. Und deshalb muss man im Gesetz eine Regelung hineinschreiben, die wirklich den Beamten den Rücken stärkt und nicht, wie das jetzt im Gesetz gemacht worden ist, den Punkt Betriebsgeheimnis wirklich ganz breit lässt. Ich mache noch einen letzten Punkt, um zu sagen, wie man mit Betriebsgeheimnis umgeht. Das gilt zwar jetzt nicht auf Lebensmittel, aber ich habe mal nachgefragt, wie ist das bei den Subventionen der EU, welches Unternehmen bekommt welche Subventionen. Und da wurde damals gesagt von der Bundesregierung: Das sind Betriebsgeheimnisse, die veröffentlichen wir nicht. So weit geht das mit Betriebsgeheimnissen.
Heckmann: Ganz kurz zum Schluss, Frau Höhn, wir haben nicht mehr viel Zeit. Unterm Strich, ein Meilenstein für den Bürgerschutz - alles Augenwischerei?
Höhn: Ja, ich glaube, es sind vielleicht zehn Zentimeter auf einem ganz langen Weg. Und es soll in zwei Jahren überprüft werden, wir müssen einfach weiterarbeiten. Das Problem ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher richtig kämpfen müssen, um an ihre Informationen ranzukommen, und wir sind da noch weit von einer guten Lösung entfernt.
Heckmann: Herr Bernhard?
Bernhard: Ja, noch mal: Der Kern ist doch, dass der Verbraucher jetzt das gesamte Wissen, dass die Behörde hat, abfragen kann. Wer sagt, das ist kein Fortschritt, das ist für mich völlig unverständlich. Alles, was wir wissen, kann jetzt abgefragt werden, ist öffentlich. Das ist doch eine Riesensache.

