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Mensch-zu-Mensch-Übertragung der Vogelgrippe nicht auszuschließen

Nach den Berichten der WHO in Hongkong lässt sich die Mensch-zu-Mensch Übertragung des Vogelgrippe-Virus nicht ausschließen. Brunhilde Schweiger vom Referenzzentrum Influenza beim Robert-Koch-Institut bestätigt, dass diese Möglichkeit schon länger bekannt ist. Für die Virusmutation sei zwar vermutlich mehr Zeit nötig, aber man könne diesen Fall auch nicht mit Sicherheit ausschließen.

    Christine Heuer: Und wir sind jetzt verbunden mit Brunhilde Schweiger, sie leitet das Referenzzentrum Influenza beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Guten Tag, Frau Schweiger.

    Brunhilde Schweiger: Schönen guten Tag.

    Heuer: Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass Menschen sich inzwischen gegenseitig mit der Vogelgrippe anstecken?

    Schweiger: Die Wahrscheinlichkeit besteht natürlich und dass die besteht, das wissen wir nicht erst seit heute, sondern das ist schon uns natürlich lange bekannt. Wenn es einmal zum Überspringen eines Vogelvirus auf den Menschen kommt, das nicht absolut auszuschließen ist, dass sich das Virus so verändert, dass es möglicherweise dann auch wieder auf den nächsten Menschen übertragen wird. Bloß, das erfordert in der Regel doch eine ganze Reihe von Veränderungen im Erbmaterial des Virus und wir haben bis jetzt auch noch keine ganz gesicherten Nachweise darüber, dass es wirklich schon zu einer Übertragung gekommen ist.

    Heuer: Können Sie uns erklären, unter welchen Umständen ein solches Virus mutiert?

    Schweiger: Hier vermehrt sich das Virus zwar im Körper des Menschen, aber die Viren, die ausgeschieden werden, besitzen halt keine guten Bedingungen, um sich wieder an die Zelle eines neuen Menschen anheften zu können. Hier muss erst eine Reihe von Fehlviren sicherlich erzeugt werden und einer dieser Viren wird es dann schaffen, hat gute Bedingungen, dann doch wieder zu einer Infektion beim Menschen zu führen. Aber wir haben hier natürlich keine Beispiele aus der Vergangenheit, aber wir wissen, dass das schon einen recht längeren Anpassungsprozess erfordern würde.

    Heuer: Das heißt, so schnell kann das gar nicht passieren?

    Schweiger: Das hoffen wir zumindest.

    Heuer: Können Sie uns einen Zeitraum nennen?

    Schweiger: Einen Zeitraum kann man hier wirklich nicht vorhersehen. Es ist aus früheren Untersuchungen eben bekannt, dass sich Menschen sehr schwer mit Vogelviren infizieren lassen und diese infizierten Menschen, hier hat man versucht, die Viren auf andere Menschen zu übertragen und das ist nicht möglich gewesen. Und man hat diese Versuche natürlich nicht weiter fortgesetzt, so dass wir eben hier nicht in die Vergangenheit zurückschauen können und keine gesicherten Daten haben.

    Heuer: Wenn die Viren aber mutieren, Frau Schweiger, und eine Ansteckung von Mensch zu Mensch möglich wird, droht uns dann in diesem speziellen Fall eine Epidemie mit Gefahren für Millionen von Menschen?

    Schweiger: Die Gefahr besteht natürlich. Man wird versuchen, die Fälle, soweit es eben geht, sehr schnell aufzuspüren. Die ganze Bevölkerung ist natürlich alarmiert, die Gesundheitsbehörden natürlich auch in den entsprechenden Ländern wissen, was das bedeutet, so dass man hier auch schnell eingreifen muss. Wenn wirklich solche Informationen kommen, muss man auch erst einmal versuchen, einfache Quarantäne-Maßnahmen zu sichern und das Allerwichtigste ist natürlich, die Infektionsquelle, das heißt die infizierten Hühner, auszuschalten. Und in Ihrem Bericht wurde ja schon deutlich, dass hier in Thailand schon wirklich Millionen von Tieren getötet werden und hier ist ganz konsequentes Handeln gefragt.

    Heuer: Finden Sie denn, Frau Schweiger, dass die Behörden vor Ort in Asien so konsequent alle handeln, wie Sie das jetzt fordern?

    Schweiger: Wir hier von unserem Standpunkt, von dem Wissen, was wir hier haben, können wir das natürlich nicht absolut beurteilen, da wir nicht vor Ort sind. Aber der Bericht, dass fast 30 Millionen oder 26 Millionen Tiere getötet werden oder wurden, zeigt zumindest, dass man doch recht rasch voran schreitet.

    Heuer: Das hieße ja, dass die Behörden in Asien aus SARS dazu gelernt haben?

    Schweiger: Das wollen wir alle hoffen.

    Heuer: Ich möchte noch einmal auf die Gefahr dieser Epidemie zu sprechen kommen. Wie groß ist diese Gefahr, womit kann man das vergleichen? Ich habe gelesen, dass es Vergleiche gibt zur Spanischen Grippe, die 1918 in Europa grassiert hat?

    Schweiger: Tatsache ist jedenfalls, wenn wir in das vergangene Jahrhundert zurückschauen, da gab es drei große Influenza-Pandemien und wir wissen natürlich, dass diese Pandemien dadurch ausgelöst wurden, dass ein vollkommen neues Virus, die Fachleute sagen dazu ein vollkommen neuer Subtyp, es geschafft hat, die Menschen zu infizieren. Und da sie gegen derartige Viren halt keine Antikörper hatten, da sie damit noch nie in Berührung gekommen sind, kam es eben zu diesen weltweiten Epidemien, die wir als Pandemien bezeichnen, und hier war die Spanische Grippe von 1918 auf jeden Fall die, die die meisten Todesopfer forderte.

    Heuer: Das Tropeninstitut rät jetzt von Süd-Ost-Asien-Reisen ab, beziehungsweise rät den Menschen, die trotzdem reisen möchten, zu einer Grippeimpfung. Bietet eine normale Grippeimpfung denn unter diesen Umständen genügend Schutz?

    Schweiger: Die Grippeimpfung, wie sie derzeit verfügbar ist, bietet gegen diese H5N1-Infektionen keinen Schutz. Aber sie würde der Gefahr begegnen, dass es theoretisch zu einer Doppelinfektion käme, dass also Menschen sich dort mit einem normalen Grippevirus infizieren würden - also mit einem menschlichen Grippevirus, und parallel noch möglicherweise mit diesem Geflügelpest-Virus. Wenn man geimpft ist, könnte es also nicht zu so einer Doppelinfektion kommen. Und diese Doppelinfektion, das ist eben die Gefahr, dass dann ein Virus entsteht, was es also viel leichter hat, sich im Menschen zu vermehren, weil es ja eben ein Teil des menschlichen Influenza-Virus dazu nutzen würde.

    Heuer: Haben Sie noch andere Ratschläge für Reisende, wie die sich vor Ort verhalten sollen?

    Schweiger: Also, diejenigen, die die Reisewarnungen nicht so akzeptieren wollen oder eventuell berufliche Gründe haben, in diese Länder zu fahren. Hier würde ich sehr, sehr davor warnen, sich in die Nähe von lebendem Geflügel zu begeben, das heißt also zum einen sicherlich auf keine Farm zu gehen, da man ja wirklich nie weiß, ob generell schon kein weiterer Ausbruch mehr erfolgt, das wird man ja immer erst retrospektiv also sehen, ob in den letzten drei Wochen keine Ausbrüche zu verzeichnen waren, ob wirklich Ruhe ist, und zum anderen trifft man lebendes Geflügel natürlich auch auf Märkten an. Und davor rate ich ganz dringend sich fern zu halten, da man ja natürlich nicht weiß, ob man möglicherweise auf infiziertes Geflügel treffen würde.

    Heuer: Es gibt ja noch keine Medikamente, auch keinen Impfstoff gegen die Vogelgrippe, wie schnell kann denn so etwas für den Menschen entwickelt werden, Frau Schweiger?

    Schweiger: Also, Medikamente sind schon verfügbar, und zwar sind das diejenigen, die gegen auch die menschlichen Influenza-Viren helfen, weil die einen ganz zentralen Punkt am Virus angreifen, so dass, soweit wir das bis jetzt wissen, sie auch gegen diese Vogelgrippe einsetzbar sein würden oder könnten. Und was den Impfstoff anbelangt, hier braucht man schon etwas Zeit. Die WHO setzt gerade alle Register in Bewegung, um ganz schnell einen geeigneten Impfstoff-Kandidaten zu entwickeln, und sobald da die Sicherheitsprüfungen abgeschlossen sind, dann kann dieses Virus auch den Impfstoffherstellern als Saatvirus zur Verfügung gestellt werden.

    Heuer: Brunhilde Schweiger war das, die Leiterin des Referenzzentrum für Influenza beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Schweiger, und ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

    Schweiger: Ja, auf Wiederhören.