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"Menschen bei der Arbeit"

Eigentlich galt die Zeit der Hartz-IV-Stücke für abgelaufen. Nun wird das Genre durch die Berlinerin Henriette Dushe wiederbelebt. Ob "Menschen bei der Arbeit" am Kleinen Theater in Chemnitz allerdings für die Auferstehung der Arbeitslosen auf der Bühne sorgen wird, ist fraglich.

Von Hartmut Krug | 21.03.2010
    Henriette Dushes "Menschen bei der Arbeit" ist kein Produktionsstück, sondern ein später Nachkömmling der vor einigen Jahren grassierenden Hartz-IV-Stücke-Mode. Die 35-jährige, in Berlin lebende Hallenserin, die vor allem als Theaterpädagogin und Dramaturgin gearbeitet hat, erzählt darin weder eine klare Geschichte noch klagt sie an, sondern sie konstatiert, indem sie unterschiedlichste Texte aus Zeitung, Philosophie, Filmen und Liedern zu einem, wie sie selbst richtig sagt, "thematischen Geschwurbel" montiert.

    Ihr "Versuch über einen Zustand", in dem nicht mehr verwertbare Menschen ausweglos in einer Verwertungsgesellschaft gefangen sind, wird von fünf Spielern auf mehreren Ebenen durchforscht. Zunächst sieht man den Darstellern bei der Verfertigung ihrer Rollen, also bei ihrer Arbeit zu. Die fünf Arbeitssuchenden und bürokratischen Sachbearbeiter, in Chemnitz von vier Darstellern gespielt, werden mit Dirndl, Prinzessinnengewand oder Engelsflügeln zu sinnfrei skurrilen Figuren verfremdet oder als sinnloser Mensch oder Kugelschreiber bezeichnet. Zu Beginn zeigen sie, wie der Mensch sich während der Schöpfungsgeschichte zu sich selbst, zur Arbeit erhebt, was mit allerdings allzu viel Verhaltenheit zugleich als Entertainment gegeben wird, wobei die von der Autorin vorgesehene Showtreppe in Chemnitz aber leider ebenso fehlt wie die Verwandlung eines "sinnlos erscheinenden Mannes" in einen Bären. Auch die Erfahrung des Menschen fehlt, der sich während der Schöpfungsgeschichte in den aufrechten Gang begeben hat, dass er heute nicht mehr aufrecht gehen kann, weil er sich und seine Arbeits- und Sinnsuche als sinnlos erfährt, - da hilft auch kein 30-stündiger Kurs zum Erlernen des Ausfüllens eines Antrages.

    Auch die blühende "Landschaftswiese" mit Sachbearbeiterstühlen und einem zeltenden sinnlosen Mann ist gestrichen bei dieser Uraufführung. Ausgemalt wird in Chemnitz in spielfreudigem und assoziativem Montage-Stil vor allem die Tätigkeit der Sachbearbeiter. Sie wird dabei als sinnloses und in ihrer gedankenlosen Funktionalität unwürdiges Perpetuum-mobile-Tun deutlich. Auf dieser Spielebene besitzen sowohl Dushes Text wie die Chemnitzer Inszenierung beklemmend komische Momente. Oft aber verheddern sich beide zwischen ihren Bedeutungsebenen oder zwischen angestrebter tieferer Bedeutung und karikaturesker Verdeutlichung. Insgesamt bietet Henriette Dushes Stück weder formal noch inhaltlich etwas Neues. Regisseurin Alexandra Wilke hat sich unglücklicherweise vom Bühnenbildner Detlef Franke die ohnehin enge Spielfläche der Kleinen Bühne des Chemnitzer Schauspielhauses durch ein hässliches hölzernes Gestell noch mehr verengen lassen. Dazwischen drängen sich rund dreißig Mitglieder des Chemnitzer Liederkreises. Die Schauspieler, unter denen Susanne Stein als Engel mit ihrer trockenen Direktheit hervorsticht, haben da nur noch wenig Spielraum.

    Diese Hinzufügung des Chores durch eine Regisseurin, die auch sonst das Stück eher ungeschickt bearbeitet hat, führt zu einem inhaltlich unübersichtlichen und szenisch unschönen Spiel. Der Chor singt viel, meist anderes, volkstümlicheres, als die Autorin zur Musikuntermalung vorsah, und mit "We´ ll meet again" von Johnny Cash findet der inszenatorisch und dramaturgisch insgesamt doch recht verunglückte Abend seinen offenen Schluss, - der aber nichts offen und keine Hoffnung lässt.