Bindig: Guten Morgen.
Lange: Herr Bindig, rechnen Sie damit, dass diese Resolution eine Mehrheit bekommt?
Bindig: Das ist bei Sitzungen der Menschenrechtskommission in Genf immer sehr schwer vorauszusagen, weil dort nämlich nicht nur Leute sitzen, die sich engagiert für die Menschenrechte einsetzen, sondern es sind auch solche, die das eher verhindern wollen, und deshalb ist es eine offene Frage. Inhaltlich wäre es auf jeden Fall gerechtfertigt, dass eine solche Resolution verabschiedet wird.
Lange: Sie sind öfter in Tschetschenien gewesen. Was sind aus Ihrer Sicht die im Moment schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme?
Bindig: Leider mussten wir feststellen, dass sich die Lage bezüglich den Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien auch in diesem Jahr eher wieder verschlechtert hat. Es gibt Funde von Massengräbern. Es gibt Massentötungen. Es gibt das Verschwindenlassen von Personen. Es gibt extralegale Hinrichtungen und es gibt Berichte über Folter über Vergewaltigungen. Das läuft dann so ab, dass die Sicherheitskräfte nachts in die Dörfer gehen und einige Leute mitnehmen und die dann misshandelt werden. Es ist auch vorgekommen, dass an verschiedenen Stellen Menschen verhaftet oder mitgenommen worden sind - es ist ja kein reguläres Verhaften -, und dass sie dann in einem Massengrab gefunden wurden. Das schließt darauf, dass das also doch auch mit Duldung von Offiziellen geschieht. Aber Menschenrechtsverletzungen gibt es von russischen Sicherheitskräften, aber auch von der anderen Seite, den tschetschenischen Kämpfern; das möchte ich klarstellen.
Lange: Sie haben im Europarat immer den Dialog zu russischen Politikern gesucht, sich aber jetzt mit einem Bericht und mit der Forderung nach einem Tribunal schwere Vorwürfe eingehandelt. Bedeutet das, dass man generell eine andere Gangart jetzt gegenüber Russland wählt?
Bindig: Na ja, wir haben in vielen verschiedenen Resolutionen die Russen gemahnt, endlich dafür zu sorgen, dass die Sicherheitskräfte keine weiteren Menschenrechtsverletzungen mehr begehen. Was soll denn eine Organisation wie der Europarat, der ja eintritt für die Menschenrechte - das ist die Grundlage -, geradezu machen, wenn ein Mitgliedsland das immer wieder missachtet. Deshalb mussten wir schon mal ein wesentlich deutlicheres Signal setzen, und ich hoffe, dass man das in Genf auch tut, um der russischen Föderation, den Offiziellen dort klarzumachen, dass es ganz unakzeptabel ist, dass dort weitere schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
Lange: Vladimir Putin, der russische Präsident, erweckt öffentlich den Eindruck, dass er sich zumindest um eine politische Lösung bemüht. Halten Sie diese Bemühungen für aufrichtig?
Bindig: Ja, es gibt natürlich ein kleines politisches Verfahren - Lösung kann man nicht sagen. Es hat dieses Referendum in Tschetschenien gegeben, was allerdings nicht fair gewesen ist. Ich glaube, dass es eine Lösung erst geben kann, wenn man bereit ist, auch wirklich mit der anderen Seite zu verhandeln, und genau das wollen die Russen nicht, aber ohne dem wird es keine Möglichkeit geben, den Konflikt einzudämmen und ihn letztlich zu lösen.
Lange: Wer ist denn da auf der anderen Seite, mit dem die Russen überhaupt verhandeln könnten?
Bindig: Das ist der frühere gewählte Präsident Maschadow, der immer noch ein hohes Ansehen in Tschetschenien hat. Ich habe mit vielen Tschetschenen gesprochen, und sie sehen in ihm den legitimen Sprecher ihres Landes. Er wäre der Partner und gerade den akzeptieren die Russen nicht. Sie sind überhaupt nicht bereit, mit ihm zu verhandeln. Sicherlich gibt es dort auch extreme, radikale Islamisten, mit denen man nicht verhandeln können wird, aber es gibt die tschetschenischen Nationalisten, und mit denen kann man verhandeln.
Lange: Die russische Regierung ist nun Teil der Achse Berlin-Paris-Moskau. Alle drei Regierungen waren gegen den Irak-Krieg. Dieses Einvernehmen mit der russischen Führung, inwieweit verhindert das letztlich eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in Tschetschenien?
Bindig: Es war wichtig und ich halte es auch für richtig, dass man auf dem Sektor des Irak-Krieges gemeinsam zusammengearbeitet hat, wie ja Russland zwar unter dem Gesichtspunkt Tschetschenien gesehen werden muss, aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt. Auf der anderen Seite finde ich, dass eigentlich alle westlichen Regierungen Europas und auch die anderen Partner der Zusammenarbeit jetzt doch stärker Putin darauf hinweisen müssten, wie problematisch diese Menschenrechtsfrage in Tschetschenien immer noch ist, und wenn die Menschenrechtslage nicht endlich verbessert wird, dort es immer eine schwere Trübung gibt.
Lange: Bundeskanzler Gerhard Schröder unterhält ja geradezu freundschaftliche Beziehungen zu Vladimir Putin. Finden Sie bei dem ein offenes Ohr für Ihre Forderungen?
Bindig: Also ich habe natürlich Kontakte ins Bundeskanzleramt und insbesondere auch ins Außenministerium, welches für Menschenrechtsfragen zuständig ist, aber ich kann schon sagen, dass ich mit wünschte, dass man in Bezug auf Tschetschenien noch markanter auftreten würde.
Lange: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Lange: Herr Bindig, rechnen Sie damit, dass diese Resolution eine Mehrheit bekommt?
Bindig: Das ist bei Sitzungen der Menschenrechtskommission in Genf immer sehr schwer vorauszusagen, weil dort nämlich nicht nur Leute sitzen, die sich engagiert für die Menschenrechte einsetzen, sondern es sind auch solche, die das eher verhindern wollen, und deshalb ist es eine offene Frage. Inhaltlich wäre es auf jeden Fall gerechtfertigt, dass eine solche Resolution verabschiedet wird.
Lange: Sie sind öfter in Tschetschenien gewesen. Was sind aus Ihrer Sicht die im Moment schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme?
Bindig: Leider mussten wir feststellen, dass sich die Lage bezüglich den Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien auch in diesem Jahr eher wieder verschlechtert hat. Es gibt Funde von Massengräbern. Es gibt Massentötungen. Es gibt das Verschwindenlassen von Personen. Es gibt extralegale Hinrichtungen und es gibt Berichte über Folter über Vergewaltigungen. Das läuft dann so ab, dass die Sicherheitskräfte nachts in die Dörfer gehen und einige Leute mitnehmen und die dann misshandelt werden. Es ist auch vorgekommen, dass an verschiedenen Stellen Menschen verhaftet oder mitgenommen worden sind - es ist ja kein reguläres Verhaften -, und dass sie dann in einem Massengrab gefunden wurden. Das schließt darauf, dass das also doch auch mit Duldung von Offiziellen geschieht. Aber Menschenrechtsverletzungen gibt es von russischen Sicherheitskräften, aber auch von der anderen Seite, den tschetschenischen Kämpfern; das möchte ich klarstellen.
Lange: Sie haben im Europarat immer den Dialog zu russischen Politikern gesucht, sich aber jetzt mit einem Bericht und mit der Forderung nach einem Tribunal schwere Vorwürfe eingehandelt. Bedeutet das, dass man generell eine andere Gangart jetzt gegenüber Russland wählt?
Bindig: Na ja, wir haben in vielen verschiedenen Resolutionen die Russen gemahnt, endlich dafür zu sorgen, dass die Sicherheitskräfte keine weiteren Menschenrechtsverletzungen mehr begehen. Was soll denn eine Organisation wie der Europarat, der ja eintritt für die Menschenrechte - das ist die Grundlage -, geradezu machen, wenn ein Mitgliedsland das immer wieder missachtet. Deshalb mussten wir schon mal ein wesentlich deutlicheres Signal setzen, und ich hoffe, dass man das in Genf auch tut, um der russischen Föderation, den Offiziellen dort klarzumachen, dass es ganz unakzeptabel ist, dass dort weitere schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
Lange: Vladimir Putin, der russische Präsident, erweckt öffentlich den Eindruck, dass er sich zumindest um eine politische Lösung bemüht. Halten Sie diese Bemühungen für aufrichtig?
Bindig: Ja, es gibt natürlich ein kleines politisches Verfahren - Lösung kann man nicht sagen. Es hat dieses Referendum in Tschetschenien gegeben, was allerdings nicht fair gewesen ist. Ich glaube, dass es eine Lösung erst geben kann, wenn man bereit ist, auch wirklich mit der anderen Seite zu verhandeln, und genau das wollen die Russen nicht, aber ohne dem wird es keine Möglichkeit geben, den Konflikt einzudämmen und ihn letztlich zu lösen.
Lange: Wer ist denn da auf der anderen Seite, mit dem die Russen überhaupt verhandeln könnten?
Bindig: Das ist der frühere gewählte Präsident Maschadow, der immer noch ein hohes Ansehen in Tschetschenien hat. Ich habe mit vielen Tschetschenen gesprochen, und sie sehen in ihm den legitimen Sprecher ihres Landes. Er wäre der Partner und gerade den akzeptieren die Russen nicht. Sie sind überhaupt nicht bereit, mit ihm zu verhandeln. Sicherlich gibt es dort auch extreme, radikale Islamisten, mit denen man nicht verhandeln können wird, aber es gibt die tschetschenischen Nationalisten, und mit denen kann man verhandeln.
Lange: Die russische Regierung ist nun Teil der Achse Berlin-Paris-Moskau. Alle drei Regierungen waren gegen den Irak-Krieg. Dieses Einvernehmen mit der russischen Führung, inwieweit verhindert das letztlich eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in Tschetschenien?
Bindig: Es war wichtig und ich halte es auch für richtig, dass man auf dem Sektor des Irak-Krieges gemeinsam zusammengearbeitet hat, wie ja Russland zwar unter dem Gesichtspunkt Tschetschenien gesehen werden muss, aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt. Auf der anderen Seite finde ich, dass eigentlich alle westlichen Regierungen Europas und auch die anderen Partner der Zusammenarbeit jetzt doch stärker Putin darauf hinweisen müssten, wie problematisch diese Menschenrechtsfrage in Tschetschenien immer noch ist, und wenn die Menschenrechtslage nicht endlich verbessert wird, dort es immer eine schwere Trübung gibt.
Lange: Bundeskanzler Gerhard Schröder unterhält ja geradezu freundschaftliche Beziehungen zu Vladimir Putin. Finden Sie bei dem ein offenes Ohr für Ihre Forderungen?
Bindig: Also ich habe natürlich Kontakte ins Bundeskanzleramt und insbesondere auch ins Außenministerium, welches für Menschenrechtsfragen zuständig ist, aber ich kann schon sagen, dass ich mit wünschte, dass man in Bezug auf Tschetschenien noch markanter auftreten würde.
Lange: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio