Freitag, 29. März 2024

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Mercator-Institut für Klimaforschung
GroKo-Pläne zum Klimaschutz unglaubwürdig

Das Mercator-Institut für Klimaforschung sieht die Vorhaben der neuen Großen Koalition in Sachen Klimaschutz kritisch. Es werde nur über Ziele gesprochen, jedoch nicht über die Instrumente, um diese zu erreichen, sagte Generalsekretärin Brigitte Knopf im Dlf.

Brigitte Knopf im Gespräch mit Jule Reimer | 05.03.2018
    Wasserdampfschwaden steigen vor Sonnenaufgang in den farbigen Morgenhimmel aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde der LEAG (Lausitz Energie Bergbau AG) hinter einem Karpfenteich in Peitz (Brandenburg).
    Aus Sicht von Brigitte Knopf ist der Koalitionsvertrag in Bezug auf den Klimaschutz ein mutloses Dokument (Patrick Pleul/dpa)
    Jule Reimer: Der Staatssekretär für Energiewende, Rainer Baake, tritt zurück. Begründung: Er könne die katastrophale Klimapolitik aus dem Koalitionsvertrag nicht mittragen. Das twitterte heute Morgen empört der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold und er lieferte direkt Auszüge aus Baakes Rücktrittsschreiben mit dazu. Er befinde sich nicht mehr in Übereinstimmung mit den Politiken und Zielen der Regierung, so Baake. Der Schritt klingt allerdings dramatischer als er ist, da das Bundeswirtschaftsministerium sowieso von der CDU übernommen wird und es absehbar war, dass Baake als Mitglied der Grünen dort eher nicht mehr weiterarbeiten würde. Allerdings: Die Kritik an der Klimapolitik kommt schon lange nicht mehr vom politischen Gegner.
    Ich bin jetzt verbunden mit der Physikerin und Generalsekretärin des Mercator-Instituts für Klimaforschung, Brigitte Knopf. Frau Knopf, Sie sind ja parteipolitisch nicht gebunden. Dieser Koalitionsvertrag, der erkennt an, dass es schwierig wird mit den Klimazielen im Jahr 2020. Aber im Jahr 2030 will die Bundesregierung dann ganz vorbildlich sein. Glauben Sie daran?
    Brigitte Knopf: Guten Tag, Frau Reimer. – Ich glaube nicht daran. Aus meiner Sicht ist das auch ein sehr mutloses Dokument in Bezug auf den Klimaschutz, weil er sich zu sehr im Klein-Klein verliert und nicht den großen Wurf wagt. Das ist ja eben in dieser Zusammenfassung schon zu hören gewesen. Von daher sehe ich hier auf dieser Basis eigentlich noch keine Grundlage, wie man die 2030er-Ziele erreichen möchte.
    "Es ist schon immer klug, Zwischenschritte zu machen"
    Reimer: Ist es klug, auf 2030 zu gucken? Das ist ja ein langer Zeitraum.
    Knopf: Ja, es ist ein langer Zeitraum. Es ist schon immer klug, Zwischenschritte zu machen. Man könnte sich auch noch einen Zwischenschritt für 2025 vorstellen. Aber das Grundproblem ist aus meiner Sicht zum einen ein Glaubwürdigkeitsproblem, denn diese GroKo, die ja nun schon länger regiert hat, hat es seit Jahren verschlafen, die Lücke zu schließen, die wir in Bezug auf die 2020-Ziele haben. Dort haben wir ja 40 Prozent Minderung beschlossen und alle haben immer wieder auf diese Lücke hingewiesen, aber es ist nichts unternommen worden. Deswegen stelle ich mir die Frage, warum soll es jetzt glaubwürdig sein, dass man diese 2030er-Ziele dann angeht, zumal in dem Dokument sehr viel wieder über Ziele geredet wird, aber wenig über Instrumente. Es ist auch angeklungen, es gibt praktisch nichts zur CO2-Bepreisung, außer dass man sagt, irgendwie global und irgendwie auf der G20-Ebene. Aber wir müssen natürlich auch erst mal die Hausaufgaben in Europa machen und auch auf der nationalen Ebene, und da sehe ich im Moment keinen Anknüpfungspunkt und insofern bin ich einfach sehr skeptisch, was die Zielerreichung angeht.
    Reimer: Relativ konkret ist ja die sogenannte Kohlekommission. Wir haben kein Ausstiegsdatum für die Nutzung der Braunkohle, aber immerhin diese Kommission. Welche konkreten Forderungen haben Sie denn an diese Kommission? Wie muss die aussehen, personell, vom Zeitplan her, dass da was bei rauskommt?
    Knopf: Im Moment ist es ganz interessant. Man hat das Gefühl, diese Kohlekommission ist eine Eier legende Wollmilchsau. Alle Konfliktthemen, vor denen sich die GroKo gedrückt hat, die auszudiskutieren, nämlich was wäre ein Enddatum für den Kohleausstieg, sagt man 2035 oder 2040 oder was auch immer, das ist nicht drin. Es wird auch nichts dazu gesagt, ob man jetzt relativ schnell den Einstieg in den Ausstieg bewältigen möchte mit ein paar Kraftwerken vom Netz nehmen. Es wird auch nichts dazu gesagt, will man das über den CO2-Preis machen, will man es europäisch machen, will man es per Ordnungsrecht machen. Auch dazu wird nichts gesagt: Entschädigungszahlungen für Kohlekraftwerksbetreiber. Zu dem allem sagt die Politik nichts und verlagert diese ganzen Themen, die ja wirklich komplex sind, in diese Kommission, und die Kommission ist damit völlig überfrachtet. Sie soll die 2020-Ziele erreichen, sie soll den Weg für 2030 ebnen, sie soll nebenbei noch den Strukturwandel bewältigen, und da ist tatsächlich fraglich, was sie erreichen kann.
    "Wir müssten über Instrumente reden"
    Reimer: Blicken wir mal auf die anderen Akteure, zum Beispiel die Wirtschaft. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat eine Studie herausgegeben: "Klimapfade". Wenn man die liest, hat man den Eindruck, oh, das lässt sich machen: 85 Prozent CO2-Reduktion bis zum Jahr 2050 ist möglich, wenn wir jetzt mal ein bisschen Gas geben. In der Pressemitteilung selber klingt der BDI dann aber doch wieder relativ verzagt. Sind die schizophren?
    Knopf: Na ja, der BDI ist ja ein Verband von mehreren Mitgliedsunternehmen, und da herrscht keine Einigkeit. Das sieht man an dem Dokument, oder nicht an dem Dokument selber, sondern, wie Sie sagen, an der Pressemitteilung. Das Schöne ist, dass der BDI nun schwarz auf weiß eine Studie vorgelegt hat – und das finde ich einen sehr konstruktiven Ansatz -, wo er gesagt hat, 80 Prozent Minderung bis 2050 sind machbar. Ich glaube, es muss jetzt einen weiteren Dialog geben, wie ist das genau umzusetzen, und da wird man schauen. Ich würde mir vom BDI auch wünschen, über CO2-Bepreisung zu sprechen. In dem Dokument ist nämlich auch klar, das läuft auch alles über den CO2-Preis, und ich denke, wir müssten da über Instrumente reden.
    Umwelt und Handel vereinbar?
    Reimer: Handel und Klimaschutz – wird da genug getan? Wir haben ja Handelsabkommen, die möglicherweise dem Klimaschutz widersprechen könnten, und eine CO2-Bepreisung würde ja zum Beispiel auch da korrigierend eingreifen.
    Knopf: Ja. In den Handelsfragen ist es ganz interessant, dass die EU neulich erst beschlossen hat, dass in den Handelsfragen es immer eine Referenz geben soll, dass das Paris-Abkommen ratifiziert wurde und auch implementiert wurde. Darauf hat Frankreich sehr stark gedrängt. Da muss man mal gucken, was das heißt, zum Beispiel in Bezug auf das TTIP-Abkommen, was ja gerade auf Eis liegt. Aber zwischen Europa und den USA ist dann genau die Frage, wie diese Entscheidung der EU dann wirklich umgesetzt wird. Es ist generell so, dass vermehrt Umweltfragen in den Handelsabkommen eine Rolle spielen. Aus Klimasicht ist das begrüßenswert. Man muss aber mal gucken, wie sich das in der Umsetzung dann wirklich zeigt, ob das einen Effekt hat.
    Reimer: Brigitte Knopf vom MCC, dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin zum schwarz-roten Koalitionsvertrag. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.