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"Merkel betritt Neuland"

Die Vorsitzende der Frauenunion, Maria Böhmer, hat den Weg der Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel als ungewöhnlich bezeichnet. Es gebe keine keine Vorbilder für Merkel. Sie betrete Neuland und könne dadurch neue Maßstäbe setzen.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Nun also ist es offiziell. Die K-Frage ist beantwortet. Natürlich keine Überraschung: Angela Merkel ist Kanzlerkandidatin der Union. Schon jetzt schreibt sie damit Geschichte. Noch nie in der bundesdeutschen Vergangenheit gab es diese weibliche Hauptrolle. Und es gibt bereits ein weiteres Drehbuch: Bleibt es bei der aktuellen Stimmung, gelingt Angela Merkel als erster Frau der Sprung ins Kanzleramt. Bei mir am Telefon ist nun die Unionsfraktionsvize und Vorsitzende der Frauenunion Maria Böhmer. Guten Morgen!

    Maria Böhmer: Guten Morgen!

    Heinlein: Frau Böhmer, warum ist Angela Merkel die richtige Kandidatin zur rechten Zeit am rechten Ort?

    Böhmer: Angela Merkel hat gezeigt, dass sie führen kann, dass sie das durchsetzen kann, was sie für richtig hält, das was sie aber vorher vermittelt hat, und ich glaube wir werden alle weiterhin sehr an ihr schätzen ihren analytischen Verstand, ihre klare Zielsetzung und ihre Sensibilität für Fragen, die die Menschen bewegen, und sie hat klar ein Ziel benannt, was zentral ist für unser Land: Arbeit.

    Heinlein: 2002, Frau Böhmer, nach dem Frühstück in Wolfratshausen gab es ein anderes Ergebnis. Sie verlor den Machtkampf gegen Edmund Stoiber. Was hat sich denn seither verändert in der Union? Warum ist sie plötzlich die richtige Kandidatin?

    Böhmer: Sie hat damals eine kluge Entscheidung getroffen und sie ist als Vorsitzende der Union, der CDU, als Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU hoch anerkannt. Wir haben es gemerkt in vielen Entscheidungen und ich glaube wer heute Angela Merkel wahrnimmt sieht: Es ist eine Frau, die eine klare Position hat in Fragen der sozialen Marktwirtschaft, aber genauso - das will ich an dieser Stelle ergänzen - klar sieht, dass sie als Frau besonders auch gefordert ist, wenn es darum geht, für Frauen Zeichen zu setzen, für Familien Zeichen zu setzen und den Brückenschlag zwischen den neuen und den alten Bundesländern zu realisieren.

    Heinlein: Kann man es auch so ausdrücken, Frau Böhmer, dass 2002 Ihre Partei, die Union, einfach noch nicht reif war für eine Frau als Kanzlerkandidatin?

    Böhmer: Natürlich ist das ein ungewöhnlicher Weg, den Angela Merkel gegangen ist: Nicht nur in der CDU, sondern ich glaube für Deutschland insgesamt, denn es ist immer wieder in Frage gestellt worden, wenn Frauen in die Politik gingen, wenn Frauen in der Wirtschaft Führungspositionen übernommen haben. Das heißt es gibt keine Vorbilder an dieser Stelle. Sie betritt in der Tat Neuland. Sie kann Maßstäbe setzen. Sie kann Ansporn sein. Aber Angela Merkel ist ja nicht nur gewählt worden von den Frauen in der Union. Sie ist von den Frauen und den Männern in der Union gewählt worden und genauso ist sie gestern vom Präsidium, was aus Männern und Frauen besteht, benannt worden als Kanzlerkandidatin. Von daher glaube ich wir leben heute im Jahr 2005 und das ist nicht mehr das Jahr 2002.

    Heinlein: Lassen Sie uns kurz, Frau Böhmer, noch bei diesem frauenpolitischen Aspekt bleiben. In diesem Bereich ist Angela Merkel - Sie sagten es selber - in der Vergangenheit nicht sonderlich aufgetreten. Sie hat sich zumindest öffentlich nie für weibliche Belange instrumentalisieren lassen. Erwarten Sie, dass sich dies nun ändern wird im Wahlkampf und darüber hinaus?

    Böhmer: Ich will eines noch einmal sehr deutlich sagen: Es geht ja bei Frauenfragen nicht darum, dass man sich instrumentalisieren lässt. Sie erinnern sich: Angela Merkel hat begonnen damals im Kabinett Kohl als Frauenministerin und mit ihr verbindet sich das zweite Gleichberechtigungsgesetz und die Ergänzung von Artikel III Grundgesetz, dem Gleichberechtigungsartikel. Aber sie sieht die Gleichberechtigungsfrage sicherlich viel breiter angelegt und wenn es jetzt um Arbeitsplätze geht, dann muss man genauso fragen, wie gelingt es, Arbeit zu schaffen für Männer und für Frauen, wie gelingt es, bei den sozialen Sicherungssystemen Reformen zu machen, die beiden Geschlechtern Rechnung tragen. Das ist glaube ich etwas, was für Angela Merkel selbstverständlich ist, dieses miteinander zu denken und miteinander zu verbinden. Ich glaube das ist auch der Weg, der uns in der Zukunft wichtig sein muss, für beide Geschlechter partnerschaftliche Politik zu gestalten.

    Heinlein: Wird sich eine Bundeskanzlerin Merkel besonders für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen? Kinderbetreuung und Ganztagsschulen waren ja nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit von Angela Merkel und von der Union.

    Böhmer: Da hat sich viel geändert in den letzten Jahren und Angela Merkel ist gerade diejenige gewesen, die die Tür aufgestoßen hat, deutlich aufgestoßen hat für diese Themen, denn als Generalsekretärin hat sie als erstes das Thema Familienpolitik oben auf die politische Agenda gesetzt. Sie hat damals eine Familienkommission eingerichtet, "Lust auf Familie, Lust auf Verantwortung", und sie hat Anfang dieses Jahres erneut eine Familienkommission eingerichtet, denn wir sehen ja, dass bei der Frage Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und für Väter, für Eltern - das ist die neue Weichenstellung -, wir in der Tat großen Handlungsbedarf haben in unserem Land. Die unionsregierten Länder sind hier besser aufgestellt als die SPD-regierten Länder, aber das wird niemand trösten vor Ort. Wir müssen mehr tun für Ganztagsangebote, im schulischen Bereich und im Bereich bevor die Kinder in die Schule kommen, und wir müssen vor allen Dingen den Bereich vor der Schule umgestalten zu einem Bildungsbereich. Mit Betreuung und Spiel allein ist es heute im Kindergarten nicht mehr getan.

    Heinlein: Sie haben zu Recht gesagt, Frau Böhmer, wir leben im Jahr 2005. Vieles was in der Vergangenheit eine Rolle gespielt hat ist heute nicht mehr aktuell. Dennoch: In der neuen Landesregierung von Schleswig-Holstein von CDU-Ministerpräsident Carstensen, gibt es keine einzige Ministerin. Ist dies ein Indiz, dass es Frauen mancherorts in der Union immer noch schwerer haben als Männer?

    Böhmer: Ich sage Ihnen, es ist immer wieder ein hartes Ringen. Das sieht man gerade, wenn es um die Aufstellung geht und um Mandate. Dort wo Wahlkreise zu vergeben sind, müssen wir Frauen hart kämpfen und das tun wir auch. Aber wir haben auch gerade einen Rückhalt durch die Satzung, die ein Quorum vorsieht. Das heißt wir müssen hier immer wieder auch in einer Partei im Wettbewerb stehen und ich glaube für uns alle ist es wichtig, dass jetzt die Inhalte und die Repräsentanz von Frauen stimmen.

    Heinlein: Hart kämpfen, Frau Böhmer, musste auch Annette Schavan, als es um die Nachfolge von Erwin Teufel in Baden-Württemberg ging. Da gab es bemerkenswerte Vorurteile gegen die unverheiratete Kandidatin Annette Schavan in ihrer Partei. Wie groß sind denn die innerparteilichen Vorbehalte gegen eine kinderlose geschiedene Protestantin aus dem Osten?

    Böhmer: Ich sehe keine Vorurteile an dieser Stelle und wir sollten uns auch verabschieden von Klischees. Es kommt hier darauf an, dass eine zukünftige Bundeskanzlerin dieses Land führt in eine Zukunft, so dass sich Deutschland im globalen Wettbewerb behaupten kann, dass die Rahmenbedingungen stimmen in unserem Land für die Schaffung von Arbeitsplätzen, dass die Wirtschaft wieder aufatmet, dass wir Bürokratie abbauen, die sozialen Sicherungssysteme reformieren und dass die Menschen vor allen Dingen wieder Mut und Zuversicht haben, denn daran krankt doch Deutschland. Viele sind perspektivlos, viele sind ängstlich, viele treibt es um, was wird morgen sein, und eine ganz zentrale Aufgabe wird es sein, diesen Menschen wieder Hoffnung zu geben, und das wollen wir mit unserer Politik.

    Heinlein: Mut, das war gestern, Frau Böhmer, auch ein Stichwort der kurzen Ansprache von Angela Merkel. Mut zur Ehrlichkeit hat sie versprochen. War das in der Vergangenheit anders bei der Union? Wurde nicht immer ehrlich gesagt, was man vor hat?

    Böhmer: Wir haben immer klar benannt, was wir machen wollen. Das heißt auch, dass wir um Lösungen gerungen haben. Wir werden uns jetzt vorbereiten durch die Aufstellung eines Wahlprogramms. Wir haben aber erleben müssen bei der jetzigen Bundesregierung, dass viele Probleme verkleistert worden sind, dass falsche Schwerpunkte gesetzt worden sind. Deshalb ist es glaube ich jetzt um so wichtiger, wieder Vertrauen zu gewinnen in der Bevölkerung für die Politik, für eine zukünftige Bundesregierung, indem man den Menschen ganz klar sagt: Das ist unser Programm, denn sie sollen wissen, was auf sie zukommt. Sie sollen damit eine Entscheidung treffen können. Angela Merkel hat gestern eines sehr deutlich gemacht: Sie will diesem Land dienen. Politik ist kein Selbstzweck, sondern Politik ist für die Menschen da. Das ist unser Ziel, das wir realisieren wollen mit unserer Politik.

    Heinlein: Sie hören es, der Wahlkampf hat schon begonnen. Werden Sie denn auch klar sagen, die Mehrwertsteuer wird steigen?

    Böhmer: Angela Merkel hat sehr deutlich gemacht, gerade gestern in ihrer Ansprache und in verschiedenen Interviews, dass ganz oben bei uns steht die Steuerreform. Wir brauchen ein einfaches Steuerrecht. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass diese Frage nicht von prioritärer Art ist, sondern dass sie im Zusammenhang zu beantworten ist. Deshalb sage ich, wir werden jetzt bei der Aufstellung des Wahlprogramms sehr genau überlegen müssen, wie wir an dieser Frage die Antwort geben. Ich glaube zentral ist, dass es bei der steuerlichen Seite zu Entlastungen für die Bürger kommt, denn wir können nicht immer mehr Geld aus den Taschen nehmen. Die Menschen brauchen mehr Geld in ihrem Portemonnaie, damit sie frei entscheiden können, wie sie leben wollen.

    Heinlein: Unionsfraktionsvize Maria Böhmer heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Frau Böhmer, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Böhmer: Danke!