Freitag, 03. Mai 2024

Archiv

Merkels Geburtstagsfeier
Immer noch "unglaublich neugierig"

Rund 1.000 Gäste waren am Donnerstagabend zur Feier des 60. Geburtstags von Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gekommen. Merkel bekannte dabei, dass es sie nach einer ruhigen Kindheit in der Uckermark "ein bisschen in die Welt hinaus" gezogen habe.

Von Stephan Detjen | 18.07.2014
    Der Geburtstag war am Anfang eher spartanisch: Mitten in der Nacht, nach dem wie immer späten Endes des Gipfels in Brüssel, als die Pressekonferenz der Kanzlerin mit dem unglücklich vereinsamten Ständchen eines Fernsehkorrespondenten begann:
    "Happy birthday, liebe Bundeskanzlerin, happy birthday to you“
    Merkel nahm es wie fast alles, was ihr auf den politischen Bühnen dieser Welt schon an Merkwürdigkeiten begegnet ist: gelassen.
    "Ja, hätt ich mitsingen sollen, dann wär’s besser geworden."
    Es sollte ja auch noch besser werden. Nach nächtlichem Rückflug ließ Merkel immerhin die Morgenlage, zu der sie sich sonst um halb neun mit ihrem engsten Mitarbeiterstab im Kanzleramt trifft, ausfallen. Tagsüber Krisenmanagement, Telefonate über die eskalierenden Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten. Abends im Adenauerhaus der CDU aber klappte es dann dafür doch noch mit einem ordentlichen Ständchen:
    "Happy birthday, liebe Angela, happy birthday to you …"
    Vortag des Historikers Osterhammel im Mittelpunkt
    Rund 1.000 Gäste waren gekommen. Natürlich die Parteispitze der CDU, ehemalige Kabinettskollegen wie Rita Süßmuth, Theo Waigel, Sabine Leutheusser Schnarrenberger, politische Weggefährten wie Christian Wulff und Annette Schavan, Freunde wie Wolf Biermann, Familie. Manch einer hatte die Einladung vor ein paar Wochen schon voreilig weggeworfen oder höflich abgesagt. Die CDU hatte ganz unscheinbar zu einem geschichtswissenschaftlichen Vortrag in die Parteizentrale eingeladen. Ein Abend in der Veranstaltungsreihe "Berliner Gespräche" war annonciert worden.
    "Naja, Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem kommt", frotzelte Sigmar Gabriel. Merkel hatte den SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler um ein kurzes Grußwort gebeten. Und der bekannte, zunächst gestutzt zu haben.
    "Als sie mir dann allerdings den Grund für die Einladung erklärten, bin ich doch etwas nachdenklich geworden. Sie meinten nämlich, das hätten Sie bei der letzten Feier mit dem damaligen Koalitionspartner FDP ja auch so gemacht (Gelächter im Saal). Das Ergebnis ist ja bekannt!"
    Lobeshymnen und kleine, politische Seitenhiebe sollten an diesem Abend eigentlich Nebensache bleiben. Zumindest was die Redezeit anging, stand der knapp einstündige Vortrag des Konstanzer Historikers Jürgen Osterhammel ganz im Mittelpunkt. Osterhammel wird in der Fachwelt für seine Beschreibung wechselseitiger Selbst- und Fremdwahrnehmungen in der global vernetzten Welt hoch gepriesen.
    "Wenn der Handlungsrahmen fast aller Politik heute ein internationaler oder gar ein globaler ist, verliert das ausschließliche Interesse an der eigenen Geschichte etwas von seiner früheren Selbstverständlichkeit. Selbstverständlich sollte vielmehr sein, dass wir uns so breit wie möglich orientieren, dass wir - und in dem Fall heißt wir: die Politik - auch in den schulischen Bildungsplänen mehr historische Weltneugier zulassen."
    Weltneugier - ein Stichwort für Merkel, die später am Abend doch auch noch einmal auf die eigene, so erstaunlich verlaufene Geschichte zurückblickte.
    "Sie sind im Umgang normal"
    "Eine Eigenschaft hab ich irgendwie mitbekommen. Ich bin bislang jedenfalls unglaublich neugierig."
    Dass es in ihrem Leben dann so kommen konnte wie kam, habe vielleicht mit einem gewissen Mangel an Möglichkeiten zu tun gehabt, diese Neugierde während der Kindheit auf dem Land in der Uckermark zu befriedigen:
    "Da hatte ich Ruhe, Zeit zur Besinnung, konnte Tiefenerfahrung von Wiesen, Fluren, Tieren und sonstigem machen, aber hatte auch noch genug Kraft, dass es mich dann irgendwann ein bisschen in die Welt hinauszog."
    Nur kurz antwortete Merkel auf Festvortrag und die drei Grußadressen des Abends: von Fraktionschef Volker Kauder, der Chefin der CSU-Landesgruppe in Berlin Gerda Hasselfeld - und eben Sigmar Gabriel.
    "Ich bin immer wieder beeindruckt wie wenig prätentiös, Sie ihr Amt als Bundeskanzlerin ausführen. Sie sind im Umgang so normal, wie es sich die Mehrzahl der Menschen unseres Landes von ihren Politikerinnen und Politikern wünscht. Und dieser Umgang ist nicht gekünstelt. Das ist so bei Ihnen."
    Niemand wird nach diesem Abend noch behaupten können, dass Respekt und Wertschätzung dieses Vizekanzlers für seine Regierungschefin nicht echt seien.
    Vorsitzender des Merkel-Fanclubs
    "Immerhin gelte ich seit der letzten Großen Koalition in der SPD als Vorsitzender des sozialdemokratischen Fanclubs von Angela Merkel. Glauben Sie nicht? Fragen Sie Herrn de Maiziere, der ist mein Zeuge! Ich gebe zu: Es ist zeitweise einfach gewesen, Vorsitzender zu werden wegen der überschaubaren Zahl an Mitgliedern. Aber die steigt."
    Man lobte und staunte - Volker Kauder auch über die eigene Partei: "Wer hätte gedacht,dass die Männer dominierte CDU so etwas hervorbringt, meine sehr verehrten Damen und Herren."
    Es gab wenig später einen Moment, in dem selbst der nüchternen Kanzlerin die Stimme zu stocken schien. Sigmar Gabriel behielt nämlich nicht Recht mit der launigen Mutmaßung, frühere Koalitionspartner würden bei solchen Gelegenheiten so einfach aus dem Gedächtnis Angela Merkels verschwinden:
    "Deshalb möchte ich heute an einen erinnern, der gerne hier wäre, nämlich an Guido Westerwelle, mit dem ich heute telefonieren konnte. Von dem ich sie alle ganz herzlich grüßen sollte. Und das zeigt uns, dass man für einander einstehen sollte. In guten und in schlechten Tagen."
    Der Historiker Jürgen Osterhammel hatte in seinem Vortrag von verschiedenen Zeithorizonten und Schichten der Geschichte gesprochen. Der Geburtstagsabend Angela Merkels hatte mindestens drei Schichten: eine wissenschaftliche, eine politische und eine sehr persönliche.