Jürgen Liminski: 50 Milliarden Euro will die Bundesregierung zur Abstützung der Konjunktur in den Markt schleusen. Die Frage ist: wie soll das geschehen? Es ist ähnlich wie bei der Finanzkrise und dem Rettungspaket für die Banken auch die Frage nach Management oder Führung. Der große Pionier der Management-Lehre Peter Drucker meinte zu dem Unterschied, "das Management besteht darin, die Dinge gut zu machen, Führung aber besteht darin, gute Dinge zu machen". Sind Rettungspaket und Konjunkturprogramm gute Dinge, oder managt die Regierung nur gut die Krise? - Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich nun am Telefon den CDU-Politiker Friedrich Merz. Guten Morgen, Herr Merz.
Friedrich Merz: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr Merz, das 500-Milliarden-Programm zur Rettung der Banken scheint nicht recht zu greifen. Ackermann verkündete gestern für die Deutsche Bank, dass man das Staatsgeld nicht in Anspruch nehmen werde. Ähnlich verhalten sich andere Privatbanken. Muss man nachbessern, also die Auflagen verändern, oder mit Blick auf das Ausland eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken in Kauf nehmen? Konkret: Muss man teilverstaatlichen, um das Eigenkapitalvolumen zu erhöhen?
Merz: Ich glaube, es geht nicht um Teilverstaatlichung, Herr Liminski. Ich kann auf der einen Seite individuell gut verstehen, dass die Deutsche Bank sich nicht beteiligen will. Das scheint bei der Deutschen Bank auch in der Sache begründet zu sein. Aber für die gesamte Landschaft der Banken in Deutschland bedauere ich es sehr, dass es in der letzten Woche hier nicht zu signifikanten Fortschritten gekommen ist. Man muss vielleicht doch noch mal über die Regeln nachdenken. Ich habe das ja letzte Woche auch schon gesagt. Man könnte die Eigenkapitalquote heraufsetzen. Man könnte auch einzelne Banken zwingen, sich zu beteiligen. Darüber muss jedenfalls nachgedacht werden. So wie es im Augenblick ist, kann es nicht bleiben. Es gibt eine Kreditklemme, die sich zunehmend abzeichnet. Der Interbankenverkehr scheint, nicht wirklich wieder zu funktionieren. Also hier gibt es Nachbesserungsbedarf, ja.
Liminski: Liegt das an den Auflagen für die Vorstände, also die 500.000, die vom Finanzminister genannt worden sind?
Merz: Das scheinen mir doch eher Randthemen zu sein, auch wenn sie vielleicht in der Öffentlichkeit als besonders wichtig angesehen werden. Das größere Problem aus meiner Sicht scheint zu sein, dass es da ein gewisses Stigma-Problem gibt, also wenn wir uns zuerst melden, strafen uns die Kapitalmärkte mit schlechteren Aktienkursen ab, weil wir zugeben müssen, dass wir vielleicht doch ein Problem haben. Und, Herr Liminski, es wäre aus meiner Sicht nun wirklich ein bizarres Ergebnis, wenn der Bund am Ende des Tages mit seinem Rettungspaket die Landesbanken in Deutschland rettet, die ganz andere Probleme und viel länger zurückreichende Probleme haben, und die Geschäftsbanken und die, die es in Anspruch nehmen müssten, es nicht in Anspruch nehmen. Da läuft im Augenblick einiges nicht so, wie es laufen müsste.
Liminski: Also muss man die Banken zwingen?
Merz: Man muss das jedenfalls überprüfen. Ich könnte mir vorstellen, dass man zwingend für jede Bank (unabhängig davon, wo sie steht) sagt, ihr müsst euer Eigenkapital um 10 Prozent erhöhen, und wenn ihr das über den Kapitalmarkt nicht könnt, dann müsst ihr das Rettungspaket in Anspruch nehmen. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass man für alle die Mindestquoten heraufsetzt, also etwa auf 8, 9 oder gar 10 Prozent. Sehen Sie sich an, wie die britische Regierung das gemacht hat. Dort scheint es zu funktionieren. Im Übrigen: Ich bedauere sehr, dass es hier nicht auch zu europäisch abgestimmten Programmen gekommen ist. Das hätte ja jeder individuell finanzieren können, aber man hätte sich vielleicht doch in der Europäischen Union auf sehr viel konkretere Schritte abgestimmt vereinbaren müssen. Aber gut: Das ist jetzt nicht geschehen. Jetzt müssen wir uns Deutschland ansehen und da muss wohl nachgebessert werden, ja.
Liminski: Die Finanzkrise greift auf die Wirtschaft über. Jetzt sollen 50 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden. Die FDP sagt, das sei zu wenig. Auch die SPD-Linke macht Druck. In der Union dagegen regt sich Widerstand. Norbert Röttgen spricht von Strohfeuer. Tatsache aber ist: der Abschwung ist da. Soll man zuschauen und die berühmte unsichtbare Hand des Marktes gewähren lassen, oder soll man führen und handeln?
Merz: Zunächst einmal stellt sich ja die Frage: Wie ist die Lage? In der Tat: der Abschwung ist da. Wir sind am Ende eines lang anhaltenden Konjunkturzyklus. Die Finanzkrise wird den Abschwung verschärfen. Wir befinden uns möglicherweise am Rande einer Rezession und müssen damit rechnen, dass das Jahr 2009 sehr schwierig wird. Dann muss man sehr nüchtern ansehen, was der Staat tatsächlich leisten kann. Ich teile die Einschätzung meines Kollegen Norbert Röttgen, dass hier keine Strohfeuer angezündet werden dürfen. Man kann das eine oder andere tun, aber man muss sehr sorgfältig darauf achten, dass hier nicht falsche Signale gesetzt werden. Insbesondere der Bundeshaushalt ist ohnehin in einer extrem angespannten Lage. Ich sage Ihnen mal einfach die Zahlen. Wir haben in den drei Jahren der Großen Koalition jetzt schon 65 Milliarden Euro zusätzliche Staatsverschuldung des Bundes. Gleichzeitig sind in diesen drei Jahren 60 Milliarden Euro höhere Steuereinnahmen in den Bundeshaushalt geflossen. Wir müssen auch aufpassen, dass wir das Haushaltsziel nicht völlig aus dem Blick verlieren. Insofern wäre meine Empfehlung, doch eher auf die Rahmendaten zu achten, und hier müsste wohl auch ein Blick nach Brüssel gerichtet werden. In Brüssel werden zurzeit einige Entscheidungen vorbereitet, die alles in Frage stellen, was wir in Deutschland wirtschaftspolitisch machen könnten. Ich nenne nur das Stichwort Emissionshandel. Wenn dieses Paket in Brüssel verabschiedet wird, ist das ein schwerer Schlag gegen die deutschen Arbeitsplätze und gegen die deutsche Industrie. Da sollte die Bundesregierung meines Erachtens etwas mehr darauf achten, was von dort kommt, und dann in Deutschland mit Augenmaß die richtigen Entscheidungen treffen. Hier könnten einige steuerliche Entlastungen helfen. Ich denke zum Beispiel an den Mittelstandsbauch unseres Steuertarifs. Ich denke aber auch an die heimlichen Steuererhöhungen, die jedes Mal eintreten, wenn die Lohn- und Gehaltssumme steigt. Hier profitiert der Staat überproportional. Also Stichwort "kalte Steuerprogression". Da könnte man etwas tun, aber man darf es nicht überschätzen. Der Staat kann nicht alles regeln, was jetzt durch die Weltkonjunktur auf uns zukommt.
Liminski: Die Konjunkturstütze Deutschlands ist der Export immer gewesen. Der bricht ein, weil die Weltwirtschaft erlahmt. Also muss man den Binnenkonsum beleben. Konsumieren würden Familien mit Kindern, wenn sie das Geld hätten. Sollte man nicht hier ansetzen, etwa indem man das Existenzminimum schon jetzt und in ganzer Höhe in die Kindergeldregelung einfließen lässt? Das hätte außer der Konsumbelebung ja auch den Vorteil, dass man eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts erfüllte.
Merz: Ja, Herr Liminski, das kann man überlegen. Ich halte grundsätzlich mehr davon, dass man auf der Angebotsseite der Volkswirtschaft versucht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Auf der Nachfrageseite muss man aufpassen, dass man nicht die Haushalte entlastet, die ohnehin nicht höher konsumieren würden. Also anders ausgedrückt: es könnten in der Tat die Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden, um die Nachfrage etwas zu stabilisieren, und das könnte man über das Existenzminimum machen, das könnte man auch über den Steuertarif machen. Aber auch hier gilt: wir dürfen das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aus dem Blick verlieren. 2011 war einmal zugesagt, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu haben. Es wäre fatal, wenn jetzt im Windschatten des Konjunkturabschwungs dieses Ziel aufgegeben wird, denn wir haben eine große Aufgabe, die finanziert werden muss, und das ist die gesamte Bildungspolitik. Es wäre wirklich - ich sage es noch einmal - fatal, wenn jetzt zu Gunsten kurzfristiger Strohfeuer der Konjunktur das Haushaltsziel aufgegeben und die Bildungspolitik unterfinanziert bleibt. Das wäre eine meines Erachtens falsche wirtschaftspolitische Weichenstellung.
Liminski: Den Konsum könnte man ja auch beleben, indem man einfach mehr Löhne zahlt. Uns stehen jetzt Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie ins Haus. Mehr Lohn, das gäbe doch auch mehr Konsum. Sollten die Arbeitgeber in diesem übergeordneten Sinn einlenken?
Merz: Es ist eine gute politische Tradition in Deutschland, Herr Liminski, dass die Politik sich weitgehend aus den Tarifvertragsverhandlungen heraushält.
Liminski: Man kann es ja mal probieren.
Merz: Ja, will ich schon noch machen. Ich habe auf der einen Seite viel Verständnis dafür, dass die Arbeitnehmer jetzt nach vielen Jahren der Lohnzurückhaltung und der realen Lohnverluste, die es ja gegeben hat, jetzt sagen, wir wollen einen Teil auch für uns vom Konjunkturaufschwung haben. Auf der anderen Seite kommt diese Lohnrunde natürlich zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Insofern kann ich mich allen Appellen nur anschließen, hier Augenmaß walten zu lassen und auch auf die Beschäftigungswirkungen zu achten.
Liminski: Eine Frage zu Ihnen selbst, Herr Merz. Sie kandidieren nicht mehr, aber Ihre Kompetenz ist gefragt. Sie gehören auch zu einem Beraterkreis in der Union, der Konzepte mit marktwirtschaftlicher Orientierung für die Wahl ausarbeiten soll. Das habe ich jedenfalls in einer Zeitung heute gelesen. Und nach dem 28. September 2009 soll alles vorbei sein für den Homo Politikus Namens Merz?
Merz: Herr Liminski, meine Entscheidung ist getroffen, dass ich nach 20 Jahren aktiver Parlamentstätigkeit meinen Wahlkreis ordnungsgemäß abgebe und in neue Hände übergebe. Das heißt nicht, dass ich ein völlig unpolitischer Mensch werde, aber meine Schwerpunkte werden sich verschieben wieder ganz in Richtung meines Berufes. Ansonsten bin ich bereit, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wer immer das will. Aber meine Entscheidung ist getroffen.
Liminski: Für einen "elder statesman" sind Sie eigentlich noch ein bisschen jung, erst recht für einen Politiker der Partei Adenauers. Wenn die Partei später mal ruft, kann man sich da der Verantwortung einfach entziehen?
Merz: Ich habe immer gesagt, dass ich bereit bin, mitzuhelfen und auch zu unterstützen. Ich hoffe, dass die CDU sich so aufstellt, dass sie die Bundestagswahl 2009 gewinnen kann. Wenn ich dazu beitragen kann, tue ich das gerne. Wenn danach mein Rat oder meine Hilfe gefragt ist, tue ich das auch gerne. Aber noch einmal: meine Grundsatzentscheidung, aus dem Deutschen Bundestag auszuscheiden mit der Bundestagswahl 2009, ist getroffen und wird auch nicht rückgängig gemacht.
Liminski: Morgen steht Frau Ypsilanti zur Wahl an. Wenn sie gewählt wird, könnte das einen Durchbruch bedeuten für die SPD auch im Bund. Wird 2009 - wir haben ja gerade davon gesprochen - eine Richtungswahl?
Merz: 2009 ist eine Richtungswahl, unabhängig vom Wahlergebnis der Ministerpräsidentenwahl in Hessen morgen. Wir werden natürlich alle auf diesen Dienstag gespannt blicken, aber ich kann nur hoffen, dass es den Hessen erspart bleibt, dass das Land zum Experimentierfeld für eine geradezu abenteuerliche Wirtschafts- und Energiepolitik wird. Aber noch einmal: das liegt jetzt in den Händen der Landtagsabgeordneten im hessischen Landtag. Ich bin gespannt und hoffe, dass das Schlimmste verhindert wird.
Liminski: Es gäbe auf jeden Fall Folgen für den Bund und 2009 stellen sich dann viele Optionen zur Verfügung. Denkbar wäre dann übrigens auch eine Ampel. Was würden Sie denn Ihrem Wanderkameraden Westerwelle raten, wenn er vor der Frage steht, rot/rot/grün oder Ampel?
Merz: Ich weiß, wie darüber gedacht wird in der FDP, Herr Liminski, und das teile ich nun. Die FDP wird 2009 eine Koalitionsaussage wohl machen zu Gunsten der Union, was ich sehr begrüße, aber die FDP kann sich nicht bedingungslos an das Schicksal der CDU und der CSU binden. Und wenn die Alternative die ist, am Tag nach der Bundestagswahl 2009 eine Linksregierung in Deutschland zu haben oder eine SPD-geführte Bundesregierung mit Beteiligung der FDP, dann ist das unter allen denkbaren Alternativen immer noch die bessere. Aber das muss die FDP für sich alleine entscheiden. Da gebe ich keine öffentlichen Ratschläge.
Liminski: Durch die Krise führen, sie nicht nur managen. Das war der CDU-Politiker Friedrich Merz. Besten Dank für das Gespräch, Herr Merz.
Merz: Ich bedanke mich bei Ihnen.
Friedrich Merz: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr Merz, das 500-Milliarden-Programm zur Rettung der Banken scheint nicht recht zu greifen. Ackermann verkündete gestern für die Deutsche Bank, dass man das Staatsgeld nicht in Anspruch nehmen werde. Ähnlich verhalten sich andere Privatbanken. Muss man nachbessern, also die Auflagen verändern, oder mit Blick auf das Ausland eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken in Kauf nehmen? Konkret: Muss man teilverstaatlichen, um das Eigenkapitalvolumen zu erhöhen?
Merz: Ich glaube, es geht nicht um Teilverstaatlichung, Herr Liminski. Ich kann auf der einen Seite individuell gut verstehen, dass die Deutsche Bank sich nicht beteiligen will. Das scheint bei der Deutschen Bank auch in der Sache begründet zu sein. Aber für die gesamte Landschaft der Banken in Deutschland bedauere ich es sehr, dass es in der letzten Woche hier nicht zu signifikanten Fortschritten gekommen ist. Man muss vielleicht doch noch mal über die Regeln nachdenken. Ich habe das ja letzte Woche auch schon gesagt. Man könnte die Eigenkapitalquote heraufsetzen. Man könnte auch einzelne Banken zwingen, sich zu beteiligen. Darüber muss jedenfalls nachgedacht werden. So wie es im Augenblick ist, kann es nicht bleiben. Es gibt eine Kreditklemme, die sich zunehmend abzeichnet. Der Interbankenverkehr scheint, nicht wirklich wieder zu funktionieren. Also hier gibt es Nachbesserungsbedarf, ja.
Liminski: Liegt das an den Auflagen für die Vorstände, also die 500.000, die vom Finanzminister genannt worden sind?
Merz: Das scheinen mir doch eher Randthemen zu sein, auch wenn sie vielleicht in der Öffentlichkeit als besonders wichtig angesehen werden. Das größere Problem aus meiner Sicht scheint zu sein, dass es da ein gewisses Stigma-Problem gibt, also wenn wir uns zuerst melden, strafen uns die Kapitalmärkte mit schlechteren Aktienkursen ab, weil wir zugeben müssen, dass wir vielleicht doch ein Problem haben. Und, Herr Liminski, es wäre aus meiner Sicht nun wirklich ein bizarres Ergebnis, wenn der Bund am Ende des Tages mit seinem Rettungspaket die Landesbanken in Deutschland rettet, die ganz andere Probleme und viel länger zurückreichende Probleme haben, und die Geschäftsbanken und die, die es in Anspruch nehmen müssten, es nicht in Anspruch nehmen. Da läuft im Augenblick einiges nicht so, wie es laufen müsste.
Liminski: Also muss man die Banken zwingen?
Merz: Man muss das jedenfalls überprüfen. Ich könnte mir vorstellen, dass man zwingend für jede Bank (unabhängig davon, wo sie steht) sagt, ihr müsst euer Eigenkapital um 10 Prozent erhöhen, und wenn ihr das über den Kapitalmarkt nicht könnt, dann müsst ihr das Rettungspaket in Anspruch nehmen. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass man für alle die Mindestquoten heraufsetzt, also etwa auf 8, 9 oder gar 10 Prozent. Sehen Sie sich an, wie die britische Regierung das gemacht hat. Dort scheint es zu funktionieren. Im Übrigen: Ich bedauere sehr, dass es hier nicht auch zu europäisch abgestimmten Programmen gekommen ist. Das hätte ja jeder individuell finanzieren können, aber man hätte sich vielleicht doch in der Europäischen Union auf sehr viel konkretere Schritte abgestimmt vereinbaren müssen. Aber gut: Das ist jetzt nicht geschehen. Jetzt müssen wir uns Deutschland ansehen und da muss wohl nachgebessert werden, ja.
Liminski: Die Finanzkrise greift auf die Wirtschaft über. Jetzt sollen 50 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden. Die FDP sagt, das sei zu wenig. Auch die SPD-Linke macht Druck. In der Union dagegen regt sich Widerstand. Norbert Röttgen spricht von Strohfeuer. Tatsache aber ist: der Abschwung ist da. Soll man zuschauen und die berühmte unsichtbare Hand des Marktes gewähren lassen, oder soll man führen und handeln?
Merz: Zunächst einmal stellt sich ja die Frage: Wie ist die Lage? In der Tat: der Abschwung ist da. Wir sind am Ende eines lang anhaltenden Konjunkturzyklus. Die Finanzkrise wird den Abschwung verschärfen. Wir befinden uns möglicherweise am Rande einer Rezession und müssen damit rechnen, dass das Jahr 2009 sehr schwierig wird. Dann muss man sehr nüchtern ansehen, was der Staat tatsächlich leisten kann. Ich teile die Einschätzung meines Kollegen Norbert Röttgen, dass hier keine Strohfeuer angezündet werden dürfen. Man kann das eine oder andere tun, aber man muss sehr sorgfältig darauf achten, dass hier nicht falsche Signale gesetzt werden. Insbesondere der Bundeshaushalt ist ohnehin in einer extrem angespannten Lage. Ich sage Ihnen mal einfach die Zahlen. Wir haben in den drei Jahren der Großen Koalition jetzt schon 65 Milliarden Euro zusätzliche Staatsverschuldung des Bundes. Gleichzeitig sind in diesen drei Jahren 60 Milliarden Euro höhere Steuereinnahmen in den Bundeshaushalt geflossen. Wir müssen auch aufpassen, dass wir das Haushaltsziel nicht völlig aus dem Blick verlieren. Insofern wäre meine Empfehlung, doch eher auf die Rahmendaten zu achten, und hier müsste wohl auch ein Blick nach Brüssel gerichtet werden. In Brüssel werden zurzeit einige Entscheidungen vorbereitet, die alles in Frage stellen, was wir in Deutschland wirtschaftspolitisch machen könnten. Ich nenne nur das Stichwort Emissionshandel. Wenn dieses Paket in Brüssel verabschiedet wird, ist das ein schwerer Schlag gegen die deutschen Arbeitsplätze und gegen die deutsche Industrie. Da sollte die Bundesregierung meines Erachtens etwas mehr darauf achten, was von dort kommt, und dann in Deutschland mit Augenmaß die richtigen Entscheidungen treffen. Hier könnten einige steuerliche Entlastungen helfen. Ich denke zum Beispiel an den Mittelstandsbauch unseres Steuertarifs. Ich denke aber auch an die heimlichen Steuererhöhungen, die jedes Mal eintreten, wenn die Lohn- und Gehaltssumme steigt. Hier profitiert der Staat überproportional. Also Stichwort "kalte Steuerprogression". Da könnte man etwas tun, aber man darf es nicht überschätzen. Der Staat kann nicht alles regeln, was jetzt durch die Weltkonjunktur auf uns zukommt.
Liminski: Die Konjunkturstütze Deutschlands ist der Export immer gewesen. Der bricht ein, weil die Weltwirtschaft erlahmt. Also muss man den Binnenkonsum beleben. Konsumieren würden Familien mit Kindern, wenn sie das Geld hätten. Sollte man nicht hier ansetzen, etwa indem man das Existenzminimum schon jetzt und in ganzer Höhe in die Kindergeldregelung einfließen lässt? Das hätte außer der Konsumbelebung ja auch den Vorteil, dass man eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts erfüllte.
Merz: Ja, Herr Liminski, das kann man überlegen. Ich halte grundsätzlich mehr davon, dass man auf der Angebotsseite der Volkswirtschaft versucht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Auf der Nachfrageseite muss man aufpassen, dass man nicht die Haushalte entlastet, die ohnehin nicht höher konsumieren würden. Also anders ausgedrückt: es könnten in der Tat die Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden, um die Nachfrage etwas zu stabilisieren, und das könnte man über das Existenzminimum machen, das könnte man auch über den Steuertarif machen. Aber auch hier gilt: wir dürfen das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aus dem Blick verlieren. 2011 war einmal zugesagt, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu haben. Es wäre fatal, wenn jetzt im Windschatten des Konjunkturabschwungs dieses Ziel aufgegeben wird, denn wir haben eine große Aufgabe, die finanziert werden muss, und das ist die gesamte Bildungspolitik. Es wäre wirklich - ich sage es noch einmal - fatal, wenn jetzt zu Gunsten kurzfristiger Strohfeuer der Konjunktur das Haushaltsziel aufgegeben und die Bildungspolitik unterfinanziert bleibt. Das wäre eine meines Erachtens falsche wirtschaftspolitische Weichenstellung.
Liminski: Den Konsum könnte man ja auch beleben, indem man einfach mehr Löhne zahlt. Uns stehen jetzt Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie ins Haus. Mehr Lohn, das gäbe doch auch mehr Konsum. Sollten die Arbeitgeber in diesem übergeordneten Sinn einlenken?
Merz: Es ist eine gute politische Tradition in Deutschland, Herr Liminski, dass die Politik sich weitgehend aus den Tarifvertragsverhandlungen heraushält.
Liminski: Man kann es ja mal probieren.
Merz: Ja, will ich schon noch machen. Ich habe auf der einen Seite viel Verständnis dafür, dass die Arbeitnehmer jetzt nach vielen Jahren der Lohnzurückhaltung und der realen Lohnverluste, die es ja gegeben hat, jetzt sagen, wir wollen einen Teil auch für uns vom Konjunkturaufschwung haben. Auf der anderen Seite kommt diese Lohnrunde natürlich zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Insofern kann ich mich allen Appellen nur anschließen, hier Augenmaß walten zu lassen und auch auf die Beschäftigungswirkungen zu achten.
Liminski: Eine Frage zu Ihnen selbst, Herr Merz. Sie kandidieren nicht mehr, aber Ihre Kompetenz ist gefragt. Sie gehören auch zu einem Beraterkreis in der Union, der Konzepte mit marktwirtschaftlicher Orientierung für die Wahl ausarbeiten soll. Das habe ich jedenfalls in einer Zeitung heute gelesen. Und nach dem 28. September 2009 soll alles vorbei sein für den Homo Politikus Namens Merz?
Merz: Herr Liminski, meine Entscheidung ist getroffen, dass ich nach 20 Jahren aktiver Parlamentstätigkeit meinen Wahlkreis ordnungsgemäß abgebe und in neue Hände übergebe. Das heißt nicht, dass ich ein völlig unpolitischer Mensch werde, aber meine Schwerpunkte werden sich verschieben wieder ganz in Richtung meines Berufes. Ansonsten bin ich bereit, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wer immer das will. Aber meine Entscheidung ist getroffen.
Liminski: Für einen "elder statesman" sind Sie eigentlich noch ein bisschen jung, erst recht für einen Politiker der Partei Adenauers. Wenn die Partei später mal ruft, kann man sich da der Verantwortung einfach entziehen?
Merz: Ich habe immer gesagt, dass ich bereit bin, mitzuhelfen und auch zu unterstützen. Ich hoffe, dass die CDU sich so aufstellt, dass sie die Bundestagswahl 2009 gewinnen kann. Wenn ich dazu beitragen kann, tue ich das gerne. Wenn danach mein Rat oder meine Hilfe gefragt ist, tue ich das auch gerne. Aber noch einmal: meine Grundsatzentscheidung, aus dem Deutschen Bundestag auszuscheiden mit der Bundestagswahl 2009, ist getroffen und wird auch nicht rückgängig gemacht.
Liminski: Morgen steht Frau Ypsilanti zur Wahl an. Wenn sie gewählt wird, könnte das einen Durchbruch bedeuten für die SPD auch im Bund. Wird 2009 - wir haben ja gerade davon gesprochen - eine Richtungswahl?
Merz: 2009 ist eine Richtungswahl, unabhängig vom Wahlergebnis der Ministerpräsidentenwahl in Hessen morgen. Wir werden natürlich alle auf diesen Dienstag gespannt blicken, aber ich kann nur hoffen, dass es den Hessen erspart bleibt, dass das Land zum Experimentierfeld für eine geradezu abenteuerliche Wirtschafts- und Energiepolitik wird. Aber noch einmal: das liegt jetzt in den Händen der Landtagsabgeordneten im hessischen Landtag. Ich bin gespannt und hoffe, dass das Schlimmste verhindert wird.
Liminski: Es gäbe auf jeden Fall Folgen für den Bund und 2009 stellen sich dann viele Optionen zur Verfügung. Denkbar wäre dann übrigens auch eine Ampel. Was würden Sie denn Ihrem Wanderkameraden Westerwelle raten, wenn er vor der Frage steht, rot/rot/grün oder Ampel?
Merz: Ich weiß, wie darüber gedacht wird in der FDP, Herr Liminski, und das teile ich nun. Die FDP wird 2009 eine Koalitionsaussage wohl machen zu Gunsten der Union, was ich sehr begrüße, aber die FDP kann sich nicht bedingungslos an das Schicksal der CDU und der CSU binden. Und wenn die Alternative die ist, am Tag nach der Bundestagswahl 2009 eine Linksregierung in Deutschland zu haben oder eine SPD-geführte Bundesregierung mit Beteiligung der FDP, dann ist das unter allen denkbaren Alternativen immer noch die bessere. Aber das muss die FDP für sich alleine entscheiden. Da gebe ich keine öffentlichen Ratschläge.
Liminski: Durch die Krise führen, sie nicht nur managen. Das war der CDU-Politiker Friedrich Merz. Besten Dank für das Gespräch, Herr Merz.
Merz: Ich bedanke mich bei Ihnen.