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Metall-Arbeitgeber wollen Betrieben mehr Gestaltungsspielraum geben

Zagatta: Wenn in der Metallindustrie die Streiks drohen und verhandelt wird, dann ist Baden-Württemberg der Pilotbezirk, auf den alle schauen. So auch gestern, die Tarifverhandlungen in Böblingen sind allerdings gescheitert, vorerst zumindest keine Annäherung, hieß es hinterher. Die Warnstreiks sollen heute weitergehen. Wir sind mit Hans-Werner Busch verbunden, dem Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Herr Busch, ist das das übliche Geplänkel in den Tarifverhandlungen oder muss man das jetzt schon ernster nehmen?

Moderator: Martin Zagatta |
    Busch: Wir nehmen das von Anfang an ernst, deshalb, weil unser Lösungsvorschlag wirklich ein dicker Brocken für die IG Metall ist. Da kann sie sich auch gar nicht mit leicht tun. Insofern ist es ernst. Aber es ist natürlich immer auch ein ganzes Stück des Üblichen dabei.

    Zagatta: Sie sagen selbst, es ist ein dicker Brocken. Einige Experten nennen die Haltung der Arbeitgeber ja eine ganz harte Konfrontationsstrategie. Fühlen Sie sich ermutigt, weil die IG Metall zuletzt im Osten so kläglich gescheitert ist?

    Busch: Nein, das ist für uns überhaupt kein Vorbild, denn das war eine besondere Situation im Osten. Der Osten Deutschlands als Industrieregion muss sich überhaupt erst entwickeln und behaupten. Insofern konnten wir da den üblichen Mechanismen, die vor 20 Jahren vielleicht im Westen Deutschlands noch gerade erträglich waren, nicht nachgeben. Das ist etwas ganz anderes. Hier ist kein Nachtreten, was diese Runde jetzt angeht.

    Zagatta: Aber Sie haben es ja jetzt mit Leuten zu tun - im Westen auch - mit Herrn Peters und der Führung, die damals ja kläglich gescheitert ist. Hat das das Verhältnis zwischen Ihnen und der Führung, speziell zu der IG Metall, irgendwie verändert? Ist da etwas in Bewegung gekommen?

    Busch: Wir reden jetzt ebenso miteinander, wie wir das früher getan haben. Ob die IG-Metall-Führung selbst verunsichert ist, das kann sie nur selbst beantworten. Sie wissen ja selbst, wie lange es gedauert hat, bis sie sich wieder einigermaßen etabliert hat. Aber das sind alles Elemente, die für die inhaltliche Auslegung dieser Tarifrunde für uns keine Rolle gespielt haben und auch nicht für irgendwelche taktischen Winkelzüge eine Begründung sein können.

    Zagatta: Aber wie empfinden Sie denn die Stimmung bei diesen Verhandlungen? Ist das jetzt geschäftsmäßig, oder spielt da schon ein bisschen Verbitterung mit?

    Busch: Verbitterung - das weiß ich nicht, aber es ist auch nicht geschäftsmäßig. Denn wenn wir sagen, dass wir für die Weiterentwicklung des Flächentarifvertrages sind - was ja nicht etwas Formales ist, sondern heißt: Wir wollen das Instrument, das ja die großen Vorteile der Friedenssicherung über Zeit hat, erhalten. Dafür brauchen wir allerdings Veränderungen, und diese Veränderungen haben etwas mit dem Arbeitszeitvolumen, vor allen Dingen aber damit zu tun, dass wir den Betrieben mehr Gestaltungsspielraum geben. Das ist etwas, was inhaltlich nach vorne weist und was völlig außergewöhnlich ist für die IG Metall, was das bisher Übliche angeht.

    Zagatta: Sie sagen, mehr Gestaltungsspielraum. Die Gewerkschaft sagt, wenn in den einzelnen Betrieben selbst über eine Verlängerung der Arbeitszeit entschieden wird, dann werden die Arbeitnehmer in der Praxis erpressbar. Ist das so falsch?

    Busch: Ja, natürlich ist das falsch. Es sind natürlich nie Einzelfälle ausgeschlossen. Aber die IG Metall traut ihren Betriebsräten auch jetzt schon eine ganze Menge zu, denn das ist ja das Prinzip unseres Betriebsverfassungsgesetzes, dass die Betriebsräte Mitgestalter, Mitbestimmer im Betrieb sind. Und da ändert sich überhaupt nichts dran. Sie bekommen allerdings etwas mehr Verantwortung, was die wirtschaftlichen Kernelemente des Betriebes angeht. Im Übrigen befinden wir uns da ganz auf der Linie der aktuellen Debatte aus dem letzten Jahr in der Politik, als Politik forderte, wir brauchen gesetzliche Öffnungsklauseln. Wir haben immer gesagt, wir sollten es als Tarifvertragsparteien machen. Zu dem hat sich übrigens auch Herr Peters bekannt. Was wir jetzt wollen, ist eine Konkretisierung.

    Zagatta: Aber wenn Sie da jetzt schon die Politik ansprechen, einen Korridor von 35 bis 40 Stunden arbeiten zu lassen bei etwa gleichem Lohn oder ohne garantierten Lohnausgleich, dazu sagt ja nun die Politik, zumindest der SPD-Fraktionsvorsitzende Müntefering, dass sei eine klare Lohnsenkungspolitik, dass lehne er ab. Da haben die Gewerkschaften doch ein starkes Argument?

    Busch: Ich habe Herrn Müntefering erstmal unseren Lösungsvorschlag zugeschickt, damit er eine etwas bessere Sachbasis hat für Urteile, und da wird er dann auch sehen, dass wir keine Lohnsenkung machen, denn erstens: Das Einkommen bleibt erhalten auch für den Fall, dass eine längere Arbeitszeit vereinbart wird. Zum anderen bieten wir ja auch an, dass wir in dieser Tarifrunde eine Lohnerhöhung vereinbaren, was auf jeden Fall eine Sicherung des Realeinkommens bedeuten wird.

    Zagatta: Aber die Gewerkschaften sagen, wenn wesentlich länger gearbeitet wird, unter Umständen fünf Stunden mehr in der Woche, der Lohn dann ganz geringfügig steigt, dann kommt unter dem Strich ja heraus, der Stundenlohn sinkt.

    Busch: Die Stundenkosten sinken. Das ist allerdings auch, das muss ich sagen, für viele Unternehmen notwendig und insofern Absicht dieses Modells, dass die Unternehmen, die das benötigen, es auch tatsächlich vereinbaren können. Denn wir stehen ja vor welcher Situation? Wir stehen vor der Situation, dass die deutsche Kernbranche der Industrie, also Metall- und Elektroindustrie, darüber entscheidet, wo demnächst investiert wird, in Deutschland oder im Ausland. Und wir wissen aus Befragungen unserer Mitglieder, dass die Frage der Kosten immer wichtiger wird bei dieser Entscheidung, und da möchten wir sie eigentlich ermuntern, hier in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen. Und ich denke, bei der Alternative bei gleichem Lohn mehr Arbeitsplätze in Deutschland oder bei wesentlich mehr Lohn weniger Arbeitsplätze zu haben, da ist die erste Alternative die bessere.

    Zagatta: Als Stärke der deutschen Autobauer galt ja bisher die Qualität. Können da Arbeitsplätze so einfach in Nachbarländer, nach Osteuropa zum Beispiel verlagert werden?

    Busch: Ja, das beobachten wir ja. Es sind nicht mehr die Billigarbeitsplätze, auf die die IG Metall verweist. Darum geht es gar nicht so sehr. Sondern wir stellen fest - und das lässt sich sehr gut auch statistisch nachvollziehen - dass immer mehr hoch qualifizierte Arbeitsplätze ins Ausland abwandern. Das sollten wir uns nicht leisten. Das bedeutet, dass wir den Sockel der Arbeitslosigkeit auf Sicht noch weiter erhöhen.

    Zagatta: Herr Busch, noch kurz zum Geld. Da schwebt Ihnen vor, zwei mal 1,2 Prozent anzubieten, über einen längeren Zeitraum. Wirtschaftsforscher sagen ja, dass auch die Metallindustrie einen leichten Aufschwung, um die zwei Prozent oder mehr, erwarten kann. Warum sollen die Beschäftigten daran nicht Teil haben?

    Busch: Wenn wir 1,2 Prozent anbieten, dann bewegen wir uns in dem, was wir seit Jahren immer als Maßstab nehmen, nämlich in der mittelfristigen Produktivitätsentwicklung. Wir haben gesagt, wir müssen etwas drunter bleiben, wenn wir Arbeitsplätze schaffen wollen. Die mittelfristige Produktivitätsentwicklung liegt bei 1,4 Prozent. 1,2 Prozent ist gewissermaßen dieses Angebot, aber jeder weiß ja auch, dass das immer der Beginn von Verhandlungen ist, aber am Ende sieht das Ergebnis immer anders aus als das Angebot. Aber wir können das nicht getrennt sehen, sondern wir müssen beides parallel verhandeln, das Arbeitszeitthema wie auch das Lohnthema. Ich bin ziemlich sicher, dass wir zum Schluss - es sei denn, die IG Metall tut sich nun in allem extrem schwer - zu einem vernünftigen Ergebnis kommen werden.