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Metall- und Elektroindustrie
Betriebe hinken bei der Digitalisierung hinterher

Die IG Metall will einen deutschlandweiten Transformationsatlas erstellen, um den Stand der Digitalisierung in den deutschen Betrieben zu ermitteln. Aktuell sei der Handlungsbedarf in vielen Bereichen noch groß. Auch im Hinblick darauf, wie das Wegfallen von Arbeitsplätzen abgefedert werden könnte.

Von Jörg Sauerwein | 30.10.2018
    Ein Mitarbeiter arbeitet in der Karosseriebauhalle des BMW-Werkes Leipzig. Die herkömmlichen Roboter im Hintergrund sind durch ein Schutzgitter von den Arbeitern getrennt
    Kollege Roboter im BMW-Werk Leipzig (Zentralbild / dpa picture alliance / Peter Endig)
    Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt immer mehr, auch mit massiven Folgen für die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze. Vom Computer über intelligente Roboter bis hin zur künstlichen Intelligenz – was vor wenigen Jahren vielleicht noch wie Zukunftsmusik geklungen hat, ist in vielen Betrieben inzwischen Realität.
    Das bedeute, dass zwar einerseits viele neue Tätigkeiten und Berufe entstehen, andererseits aber auch viele Arbeitsplätze bedroht seien, sagt der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Und die Digitalisierung sei nicht das einzige Thema, das für Veränderungen sorgt. Dazu kämen unter anderem auch noch die Mobilitäts- und Energiewende. Oder zum Beispiel die Frage: Was bedeutet die derzeitige Debatte in der Klimapolitik denn für diejenigen, die im Moment noch in der Herstellung von Verbrennungsmotoren tätig sind?
    "Wir stellen dort fest, in relativ kurzer Zeit, in zwölf Jahren, wird für 100 000 Kolleginnen und Kollegen die Arbeit wegfallen. Für die stellt sich die Frage: Was tun? Wie können wir in zwölf Jahren Menschen von Arbeitsplatz A nach B qualifizieren? Das ist nicht trivial, oft fehlen die Voraussetzungen im Betrieb für Personalentwicklung. Oft fehlt aber auch natürlich zuerst mal die Idee, was können sie denn tun?"
    Vom Verbrennungs- zum Elektromotor
    In der Automobilindustrie sei man schon immer von Transformationsprozessen betroffen gewesen, sagt Mathias Möreke, der stellvertretende VW-Betriebsratsvorsitzende in Braunschweig. Aber zur Veränderung durch die fortschreitende Digitalisierung in der Fertigung komme jetzt parallel die Umstellung von Verbrennungs- auf Elektromotoren.
    "Ganz konkret heißt das, dass wir zurzeit im Umstieg sind von herkömmlichen Fertigungskonzepten, nehmen wir mal das Thema Kunststofftechnik, wo wir jetzt einen Teil der Beschäftigten - in dem Bereich arbeiten gerade 600 Kolleginnen und Kollegen - qualifizieren für die Batteriemontage. Und die müssen entsprechend qualifiziert werden, weil die dort im Hoch-Volt-Bereich arbeiten und das ist keine ungefährliche Tätigkeit."
    Wandel vieler Arbeitsbereiche
    Die Weiterqualifizierung sei aber nicht immer ganz einfach, sagt Möreke, denn mancher müsse erst mal wieder lernen zu lernen. Insgesamt seien von den gut 8.000 VW-Mitarbeitern in Braunschweig schon jetzt mehr als zehn Prozent der Arbeitsplätze in ihrer jetzigen Form nicht mehr zu halten. Und damit ist das Werk keine besondere Ausnahme. Auch in vielen anderen Unternehmen werde die Digitalisierung schon in absehbarer Zeit viele Arbeitsbereiche, wenn nicht sogar die Geschäftsfelder des Unternehmens selbst, komplett verändern, ahnt man bei der IG Metall. Auf dem zweitägigen Transformationskongress für gut 600 Gewerkschafter und Betriebsräte in Bonn berichtet Hofmann umso verblüffter über die Einstellung manches Unternehmers, die wirke, als ginge ihn die Digitalisierung gar nichts an.
    "Wir stellen erschreckt fest, dass über 30 Prozent der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie sich noch keinerlei Gedanken gemacht haben, was Digitalisierung für ihre Geschäftsmodelle bedeutet. Das halte ich für besorgniserregend, weil es kommt. Und Arbeitgeber, die sich nicht rechtzeitig darauf vorbereiten, sich keine Gedanken machen, wie sieht unsere betriebliche Strategie aus, spielen Vabanque mit den Interessen der Beschäftigten nach sicherer Arbeit."
    Die soziale Verantwortung eines Unternehmens sei es aber, sich Gedanken sowohl über die Zukunft des Betriebs als auch über die Beschäftigten zu machen. Politik, Gesellschaft und Gewerkschaften könnten die aktuelle digitale Transformation nur gemeinsam erfolgreich schaffen. Jetzt gelte es festzustellen, wie die einzelnen Unternehmen, aber auch Gewerkschaften aufgestellt sind und wie es um die Qualifizierungsmöglichkeiten bestellt ist.
    "… und wo sind die Beschäftigtengruppen, die voraussehbar unter Automatisierungsdruck leiden werden und was tun wir gerade dort."
    In den kommenden Monaten will die IG Metall einen deutschlandweiten Transformationsatlas erstellen. Damit wollen die Gewerkschafter herausfinden, wo und in welchen Betrieben das Thema Digitalisierung schon angekommen ist und wo noch dringender Handlungsbedarf besteht.