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Metzner: Die Forschung an der FH hat an Auftrieb gewonnen

Der Präsident der FH Köln, Joachim Metzner, sieht auch künftig einen Bedarf an "praxisbezogenen und berufsorientierten Hochschulen", wie ihn die Fachhochschulen bieten. Neben der Berufstätigkeit wachse insbesondere in der Weiterbildung die Nachfrage.

Sandra Pfister im Gespräch mit Joachim Metzner | 13.10.2011
    Sandra Pfister: Die größte FH Deutschlands wird morgen 40 Jahre alt, die FH Köln. Deshalb sprechen wir jetzt mit ihrem Präsidenten, mit Joachim Metzner. Herr Metzner, wir haben das gerade gehört, was sich alles getan hat in der Zwischenzeit. Legen die Fachhochschulen jetzt in ihrem 40. Jubeljahr endlich ihren Minderwertigkeitskomplex ab?

    Joachim Metzner: Na, er ist ja schon wesentlich schwächer geworden, als er noch vor ein paar Jahren war, und dann muss man, glaube ich, noch mal unterscheiden. Unsere Studierenden haben ihre Minderwertigkeitskomplexe schon vor langer, langer Zeit abgelegt. Gehalten hat es sich eher bei den Hochschulleitungen ein bisschen und bei den Professoren, aber auch da geht es mit dem im Zuge der neu Berufenen der letzten Jahre doch sehr, sehr deutlich zurück. Es ist ein neues Selbstbewusstsein gewachsen, das hat vielleicht auch ein bisschen was zu tun mit dem Bologna-Prozess und den Angleichungen und Vergleichbarkeiten, die dadurch möglich geworden sind.

    Pfister: Da kommen wir gleich noch drauf zu sprechen. Sie sagten, dass das Selbstbewusstsein der Professorenschaft wächst, das hängt ja wahrscheinlich auch zusammen mit dem Bundesverfassungsgericht, was vor gut einem Jahr gesagt hat, FH-Professoren und Uniprofessoren sind gleichgestellt, sie sprechen ihnen nicht mehr die Wissenschaftlichkeit ab. Das ist schön für die Fachhochschulen, wieder eine Aufwertung - was ändert das in der Praxis?

    Metzner: Das hat dazu geführt, und das wird sich in den nächsten Jahren noch deutlicher herauskristallisieren, dass die Forschung an den Fachhochschulen ganz, ganz deutlich einen Auftrieb gewonnen hat, denn die Begründung des Bundesverfassungsgerichts war ja eben in der Hauptsache die, dass die Forschung an den Fachhochschulen Pflichtaufgabe geworden sei, als solche auch wahrgenommen wird, und das hat sozusagen die Wissenschaftlichkeit der Hochschulart neu begründet.

    Pfister: Wissenschaftlichkeit bis hin zur Promotion, wir haben das in dem Beitrag gerade gehört - wenn Studierende der Fachhochschulen mehr und mehr auch promovieren können sollen, werden sich dann Fachhochschulen und Universitäten immer ähnlicher?

    Metzner: In formaler Hinsicht ganz sicher. Das ist ein Trend, der ist schon älter als der Bologna-Prozess, der ja jetzt dieses neu erwachte oder verstärkte Interesse am Promovieren ausgelöst hat. Master, egal wo er gemacht worden ist, berechtigt formal gesehen zur Promotion. Aber wir sind uns ganz sicher, dass die Fachhochschule nicht sozusagen die Hochschule sein wird, an die man geht, weil man promovieren will. Das ist ganz sicherlich eine Perspektive, die wir nicht anstreben sollten und zumindest ich auch nicht anstrebe.

    Pfister: Jetzt kommen wir auf das, was Sie eingangs gesagt haben, nämlich den weiteren Trend zur Angleichung, der durch Bologna angestoßen wurde. Seit elf Jahren, seit dieser Zeit vergeben die Fachhochschulen die gleichen Abschlüsse wie die Unis, Bachelor und Master, der Zusatz FH, der ja früher immer dahinter stehen musste, der ist sogar unzulässig geworden, da verschwimmen die Unterschiede. Braucht man da tatsächlich noch zwei unterschiedliche Hochschultypen, wenn die FH auch in dieser Hinsicht der Universität immer ähnlicher wird?

    Metzner: Also ob man zwei ganz deutlich gegeneinander abgesetzte Hochschultypen braucht, das wage ich in der Tat zu bezweifeln. Was man braucht, sind unterschiedliche Hochschulen, aber nicht sozusagen in zwei Korsette gepresst, namens Universität und namens Fachhochschulen, sondern unterschiedliche Profile, das ist wichtig. Und insofern ist es auch interessant und spannend, dass sich parallel zu dieser Entwicklung im Bologna-Prozess eben auch in diesem Zeitraum der letzten zehn, 15 Jahre eine Binnendifferenzierung innerhalb der Hochschularten abgespielt hat. Die Fachhochschule Köln ist mit vielen, vielen Fachhochschulen nicht vergleichbar, und ein gleicher Prozess lässt sich auch bei den Universitäten herausstellen. Das heißt, wir brauchen unterschiedliche Hochschulen in einem breiten Spektrum, aber wir brauchen nicht ein Schubladensystem, das nur aus zwei Schubladen besteht.

    Pfister: Ist das ein Plädoyer für eine Art Selbstabschaffung der Fachhochschulen?

    Metzner: Das will ich nicht sagen, aber es gibt durchaus Universitäten, die sich dem Typus Fachhochschule immer deutlicher angenähert haben im gleichen Zeitraum, und es gibt Fachhochschulen, die sozusagen ihre universitären Elemente stärker ausgeprägt haben, als das bislang der Fall war. Also insofern kommt es zu einer Vermischung, aber das muss - und ich sag mal zu einer Reduzierung dieser sogenannten Typenreinheit, aber ich sehe darin eher einen Vorteil, weil ein breites Spektrum für die Studierenden sinnvoller ist als ein Schachtelsystem.

    Pfister: Damit würde sich in etwa das erfüllen, was zumindest die nordrhein-westfälischen Politiker vor 40 Jahren wollten, dass die Fachhochschulen nur ein Zwischenmodell sind und sich früher oder später mit den Universitäten vereinigen. Anders gesagt, sorgt gerade ihr Erfolg, ihre allmähliche Aufwertung dafür, dass sie sich am Ende dann selbst abschaffen?

    Metzner: Das glaube ich nicht, denn es wird immer einen Bedarf geben an besonders praxisbezogenen und berufsorientierten Hochschulen, egal ob das jetzt Universitäten oder Fachhochschulen sind, und da haben die Fachhochschulen mit Sicherheit gerade auch in Nordrhein-Westfalen die Nase vorn.

    Pfister: Sie sind bei der Hochschulrektorenkonferenz auch zuständig für Weiterbildung, haben dort Ihren Schwerpunkt. Die Weiterbildung von Berufstätigen, ist das nicht ein Bereich, in dem sich die Fachhochschulen noch viel stärker profilieren könnten?

    Metzner: Mit Sicherheit, und das wird auch kommen. Wir merken zurzeit schon, dass es einen unterschiedlichen Trend gibt, was die Nachfrage nach Masterstudienplätzen angeht, zwischen den Hochschularten. Das heißt, an den Universitäten ist es sehr, sehr üblich, dass die Leute nach dem Bachelorabschluss sofort versuchen weiterzustudieren mit einem konsekutiven Masterstudiengang. Bei den Fachhochschulen macht sich im Gegensatz dazu aber eher ein Trend breit, dass man zunächst einmal nach diesem relativ kurzen Bachelorstudium sieht, dass man in den Beruf kommt, Berufserfahrung erwirbt, aber mit der klaren Intention, nach einer gewissen Zeit in Weiterbildungsstudiengänge hineinzugehen. Und ich denke mal, dass das ein Hochschulartenunterschied ist, der sich in den nächsten Jahren noch weiter verstärken wird.

    Pfister: Und der dann auch attraktiv wäre für Bachelorabsolventen, die ihren Abschluss an einer Universität gemacht haben.

    Metzner: Auch das wird eine Rolle spielen. Das wird im Wesentlichen davon abhängen, ob die Universitäten bereit sind und auch genug Kapazitäten haben, um gleichfalls in den Weiterbildungsmarkt sozusagen mit einzudringen. Das kann man im Moment noch nicht so richtig abschätzen, das hängt auch ein bisschen zusammen mit den Folgen der demografischen Entwicklung, die alle noch nicht so richtig einschätzen können, aber dass es einen wachsenden Bedarf geben wird an Weiterbildung in den nächsten Jahren, das steht völlig außer Frage.

    Pfister: Ein Punkt interessiert mich noch: Fachhochschulen, das hörte man in letzter Zeit immer wieder, protzen gerne ein bisschen damit, dass sie eigentlich die besseren Studierenden abbekommen, also die mit den besseren Schulnoten. Wie kommt das eigentlich?

    Metzner: Das ist eine ganz banale Folge des Numerus clausus. Die Fachhochschulen haben ja, in Anführungszeichen, "das Problem", dass sie relativ wenig Studienplätze haben, und das heißt, dass im Gegensatz zu den Universitäten die meisten Fachhochschulstudiengänge mit Numerus clausus belegt sind, der automatisch dazu führt, dass die Bewerberinnen und Bewerber, die dann auch tatsächlich kommen können, bessere Noten haben.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.