Wiese: Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, er habe sich nicht distanziert? Hat er sich noch weiter geäußert, inhaltlich? Hat er noch neue Dinge gesagt, die vielleicht völlig untragbar sind?
Meyer: Nein, es hat weiter Gespräche gegeben mit ihm und in diesen Gesprächen hat sich herausgestellt, dass Herr Hohmann zu dem steht, was er da gesagt hat und das ist für uns wirklich unverständlich und das tut uns leid. Er war sich über die Konsequenzen unserer Entscheidung dann sicher auch bewusst.
Wiese: Warum wundern Sie sich so darüber, dass Herr Hohmann zu dem, was er gesagt hat, auch steht. Er hat ja des Öfteren schon solche Dinge gesagt und er ist ja wohl noch zurechnungsfähig, oder?
Meyer: Sicher, aber man muss schon, und das finde ich auch richtig, einem Kollegen, und das ist ja wirklich eine schwere Entscheidung, auch Gelegenheit geben, wirklich auch nachzudenken und zu überlegen, ob das, was er da gesagt hat wirklich vertretbar ist. Also, ich finde es unvertretbar. Wir müssen hier aufpassen, gerade wenn man, und ich will das, auch konservativem Gedankengut in der CDU die Möglichkeit geben will, dass wir auch wählbar sind für Menschen, die zum Beispiel Patriotismus für eine wichtige Sache halten. Da muss man sehen, dass man auch wirklich eine Grenze zieht. Diese Grenze darf nicht überschritten werden in der Programmatik, sonst machen wir uns angreifbar und das darf wirklich beim besten Willen nicht sein. Die großen Volksparteien haben den Auftrag, das ist meine feste Überzeugung, wirklich bis an den Rand des demokratischen Spektrums die Wähler anzusprechen. Das hat bei uns in Deutschland auch sehr gut funktioniert, sowohl bei der SPD wie auch bei uns. Wir haben nie radikale Parteien im Bundesparlament gehabt, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern und das ist auch eine Aufgabe für die großen Volksparteien, aber da gehört dann eben auch dazu, eine klare Grenze zu haben, was ist noch verträglich und was eben nicht.
Wiese: Sie wollten, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Hohmann also durchaus noch eine Bewährungsfrist einräumen. Eine Bewährungsfrist für jemanden, der sich nach allgemeiner Meinung antisemitisch geäußert hat?
Meyer: Wenn es also wirklich dazu gekommen wäre, dass Herr Hohmann eingesehen hätte und einsehen würde, was da in seinen Äußerungen an Inhaltlichem enthalten ist, was wir nun überhaupt nicht verstehen und nicht tragen können, dann hätte es diese Bewährungsfrist auch mit Recht gegeben. So ist es eben jetzt der Fall, dass wir jetzt doch diese Konsequenz ziehen müssen und das ist sicherlich ein schwerer Schritt für jemanden, der innerhalb der Partei als Abgeordneter tätig ist. Und es ist ja auch für einen Bundestagsabgeordneten gar nicht einfach, jemanden aus der Partei auszuschließen. Trotzdem müssen wir diesen Schritt jetzt tun.
Wiese: Sie lehnten ja den Ausschluss Hohmanns unter anderem mit der Begründung ab, er sei im engeren Sinne kein Antisemit. Gilt das denn jetzt nicht mehr, ist er doch ein Antisemit?
Meyer: Ich finde, dass die Position, die ich da eingenommen habe, wohl sicher die Sache trifft. Er ist nach meinen Erfahrungen und nach dem, was ich da nachgelesen habe, eher jemand, der religiös fundamentalistisch eingestellt ist. Und das ist aber in der letzten Konsequenz für uns nicht entscheidend, sondern die Fragestellung ist, was hat er eben da gesagt. Sicher ist es eine Rede gewesen, die zumindest antisemitischen Tendenzen Vorschub leisten kann und das darf in Deutschland nicht sein. Wir müssen vor der deutschen Geschichte auch Verantwortung übernehmen und gerade das, was er da gesagt hat, die jüdischen Mitbürger zu instrumentalisieren für seine politischen Zwecke, das ist ein Punkt, aus welchem Beweggrund auch immer, den darf man als CDU Politiker auf keinen Fall tun.
Wiese: Aber Sie haben auch davor gewarnt, Herr Meyer, Hohmann durch einen Ausschluss zu einem Märtyrer zu machen. Gilt das denn jetzt nicht mehr? Jetzt wird er doch zum Märtyrer, oder?
Meyer: Aber es wäre natürlich ganz besonders so gewesen, wenn wir unüberlegt, ohne Fristen und ohne richtige Nachdenkungsmöglichkeiten für Herrn Hohmann diesen Schritt getan hätten. Ich hoffe, dass wir jetzt dadurch, dass wir gezeigt haben, wir haben ihm die Chance gegeben, dass wir diese Gefahr haben klein halten können. Es ist ganz sicher so, dass Hohmann sich dadurch hat verleiten lassen, dass er auch in der Öffentlichkeit von einigen da Zustimmung bekommen hat, vielleicht auch von Menschen, die gar nicht richtig nachgelesen haben, was er denn nun wirklich gesagt hat. Und diese Diskussion werden wir auch weiterhin offensiv führen müssen. Das ist unerlässlich, gerade für eine große Volkspartei, an den Rändern wirklich die Grenze zu ziehen und klar zu ziehen, damit alle Wähler wissen, wofür steht die CDU.
Wiese: Sie sagen, er hat Zustimmung bekommen in der Öffentlichkeit. Hat er vielleicht auch Zustimmung in der Fraktion bekommen? Anders gefragt: Sie brauchen eine zwei Drittel Mehrheit für den Ausschluss in der Fraktion, sind Sie zuversichtlich, dass sie diese zwei Drittel Mehrheit bekommen?
Meyer: Na sicher. Wir werden diese Tage auch nutzen, um mit den Kollegen zu sprechen. Da soll sich auch niemand etwas vormachen, das ist menschlich gesehen sicher für niemanden ein leichter Schritt, einen Kollegen aus der eigenen Fraktion auszuschließen. Das ist ein Punkt, da tut sich sicher jeder schwer mit vor dem menschlichen Hintergrund von Zusammenarbeit in einer solchen Fraktion, wie sie eigentlich sein sollte.
Wiese: Wie groß ist denn die Sympathie, die in der Fraktion Hohmann entgegen schlägt?
Meyer: Ich weiß es hier nicht zu trennen. Es ist sicherlich ein Unterschied zu machen zwischen politischen Aussagen und den Notwendigkeiten, die zu einem solchen Ausschluss führen. Dass es möglicherweise einzelne gibt, die mit ihm länger zusammengearbeitet haben, aber deswegen sind ja gerade die Gespräche geführt worden, auch von Kollegen, die bisher auch für ihn mit zuständig waren auch als Arbeitsgruppenleiter und so weiter. Das ist genau der Punkt, dass wir die Zustimmung sicherlich nicht haben in den inhaltlichen Bereichen und wir müssen uns darum kümmern, dass hier wirklich ein klarer Schnitt, und möglichst von allen, gezogen wird. In einer geheimen Abstimmung kann man Beweggründe nie nachvollziehen. Gewissenserforschung ist auch nicht die Aufgabe eines Generalsekretärs.
Wiese: Wie bewerten Sie denn den politischen Schaden, den die diese Affäre angerichtet hat für ihre Partei. Gilt Parteichefin Angela Merkel nun nicht als zögerlich, als zaudernd, entscheidungsschwach und von außen beeinflussbar?
Meyer: Das Umgekehrte wäre wahrscheinlich der Fall. Ich kann mir eine Parteivorsitzende, die nicht in solchen Situationen versucht, zunächst einmal dem Betroffenen auch eine Bedenkfrist zu geben, nicht gut vorstellen. Wir wollen keine Parteivorsitzende, die im Hau-Ruck-Verfahren und scharfmacherisch agiert, sondern es geht zunächst auch darum, hier dem Einzelnen wirklich eine Gelegenheit zu geben. Das ist Voraussetzung auch in unserem demokratischen System. Ich bin ganz fest der Meinung, dass Angela Merkel hier richtig gehandelt hat und würde sie da auch jederzeit bestärken.
Wiese: Auch eine Gelegenheit geben, einem anderen Abgeordneten, der sich antiislamisch geäußert hat, Henry Nitzsche nämlich?
Meyer: Da muss ich also sagen, dass ist unerträglich dummes Zeug. Der Kollege ist im Moment krank, aber sobald der wieder da ist, werden wir auch mit dem sehr ernsthaft zu reden haben. Ich kann nur sagen, wie kann man nur so dummes Zeug reden? Aber, das hat nicht die Qualität dessen, was Martin Hohmann in seiner Rede da vorgetragen hat.
Wiese: Warum nicht? Wo ist da der Unterschied?
Meyer: Es handelt sich um einzelne Sätze. Es handelt sich nicht um die Frage einer Art ausgearbeiteten Gedankengebäudes, wie das Herr Hohmann hier vorgetragen hat. Das ist schon qualitativ ein gewaltiger Unterschied, obwohl das, was Herr Nitzsche gesagt hat, nach allgemeiner Auffassung in unserer Fraktion dummes Zeug ist. Wenn Sie mal überlegen - unerträglich im Übrigen -, in meinem Heimatkreisverband sind von knapp 2.000 Mitgliedern der CDU 45 türkischstämmige Mitglieder, was müssen die eigentlich denken, wenn sie dieses dumme Zeug hören, was Herr Nitzsche da erzählt hat?
Wiese: Das war CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, vielen Dank für das Gespräch.