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Mietpreisbremse
Königsweg oder Ablenkungsmanöver?

Immer häufiger gehen Menschen auf die Straße, um gegen exorbitant steigende Mieten und die Verdrängung aus ihren Wohnvierteln zu demonstrieren. Besonders der Berliner Wohnungsmarkt ist für Investoren zu einer Goldgrube geworden. Die geplante Mietpreisbremse soll Preissprünge deckeln - doch ist sie wirklich eine Hilfe gegen Gentrifizierung und Verdrängung?

Von Susanne Arlt und Uschi Götz | 18.09.2014
    "Hier entstehen exklusive Eigentumswohnungen" steht auf einem Werbebanner im Bezirk Mitte in Berlin.
    Der internationale Kapitalmarkt hat besonders die Hauptstadt als Renditepflaster entdeckt: 2013 zogen die Mietpreise in Berlin um dreizehn Prozent an. (picture alliance / dpa / Foto: Wolfram Steinberg)
    "Berlin ist eine Mieterstadt, wir haben die Spekulanten satt."
    Berlin ist eine Mieterstadt, wir haben die Spekulanten satt. In der Hauptstadt gehen Menschen auf die Straße, um gegen exorbitant steigende Mieten und die Verdrängung aus ihrem "Kiez", ihrem Viertel, zu demonstrieren. So auch an diesem Samstag:
    "Wohnraum ist keine Ware, wir wehren uns, wir bleiben, alle."
    Zu dem Protest aufgerufen hat das Aktionsbündnis "Wir bleiben alle". Gekommen sind Mütter mit ihren Kindern, Studierende, Hartz IV-Empfänger, politische Aktivisten und Senioren. Elvira Südow ist 85 Jahre alt. Weil sie nicht mehr so gut laufen kann, hat sie es sich mit fünf Nachbarinnen auf einem kleinen Planwagen bequem gemacht. "Zieh doch selber um" steht auf einem Plakat. Früher hat unser Mietshaus der Stadt gehört, erzählen Elvira Südow und Rita Leppien. Jetzt gehört es einer Immobiliengesellschaft und soll saniert werden:
    "Wohnraum ist keine Ware"
    "Uns wurde versprochen, wir können hier in Ruhe alt werden. Und bezahlbare Mieten bis an unser Lebensende, das ist uns versprochen worden. Damals vom Senat. Und der Senat hat 97 das Haus verkauft. Die sind natürlich daran interessiert eben jüngere Leute und vor allem hier, die Leute, die bezahlen können."
    Die Teilnehmer dieser Demo eint die Angst, bald ihre Mieten nicht mehr bezahlen zu können. Wohnraum ist rar geworden, seitdem immer mehr Menschen in die Hauptstadt ziehen und der internationale Kapitalmarkt die Metropole als Renditepflaster entdeckt hat. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zogen 2013 die Mietpreise um dreizehn Prozent an. Die Wohnungsnot ist in Berlin das Aufreger-Thema Nummer eins geworden.
    Berlin als Renditepflaster für den internationalen Kapitalmarkt
    "Wir begrüßen alle, die zu dieser Demo gekommen sind 'Wohnraum ist keine Ware'. Der Berliner Wohnungsmarkt ist für Investoren aus aller Welt zu einer Goldgrube geworden, es herrscht Goldgräberstimmung."
    Diese Stimmung herrscht aber nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Regionen in Deutschland. Vor allem in den boomenden Großstädten kommt es bei einer Neuvermietung oft zu Preissprüngen um die 20, 30 manchmal sogar 40 Prozent. Die schwarz-rote Bundesregierung will darum eine Mietpreisbremse einführen, der Gesetzentwurf soll in wenigen Tagen ins Kabinett.
    Das Gesetz soll die Preissprünge in Quartieren deckeln, in denen Wohnungsmangel herrscht. Bei einer Neuvermietung darf die Miete zum Beispiel nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Laut Bundesregierung dürften gut 4,2 Millionen der insgesamt 21 Millionen Mietwohnungen von der Mietpreisbremse betroffen sein. Doch wird der Gentrifizierung, der Preistreiberei und Verdrängung, damit ein Riegel vorgeschoben?
    Preissprünge bei Neuvermietung bis zu 40 Prozent
    "Wir müssen dafür sorgen, dass die Wohnungen, die heute preiswert am Markt vorhanden sind, auch preiswert bleiben. Deswegen ist eine Mietpreisbremse, die kommen soll auf Bundesebene, ganz wichtig"
    , meint Engelbert Lütke-Daldrup. Der 57-Jährige ist Staatssekretär der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Aus seinem Mund klingt es ein bisschen, als sei die Mietpreisbremse der Heilsbringer. Für den angespannten Berliner Wohnungsmarkt macht der Staatssekretär vor allem die Zuwanderer verantwortlich. In den vergangenen drei Jahren seien 140.000 Menschen zusätzlich in die Hauptstadt gezogen:
    "Insofern gehört Berlin mittlerweile nicht mehr, wenn man eine Wohnung sucht, zu den echt preiswerten Standorten, sondern man hat erhebliche Preissprünge in Kauf zu nehmen. Neuvermietungsmieten liegen im Schnitt sicherlich über acht Euro, wir haben in der Innenstadt Mieten, die liegen bei über zehn Euro der Quadratmeter kalt."
    Berlin ist halt sexy. Berlin ist leider auch arm, um nicht zu sagen pleite. Die Pro-Kopf-Verschuldung liegt bei derzeit 21.844 Euro pro Einwohner. Da fällt es Politikern schwer, Geld für den sozialen Wohnungsbau in die Hand zu nehmen. Paradoxerweise ist dieser Schuldenberg zum großen Teil der zurückliegenden Wohnungspolitik zu verdanken.
    Schuldenberg führte zu Verkauf städtischer Wohnungsunternehmen
    Rückblick: Anfang der 60er-Jahre waren Wohnungen in Westberlin Mangelware. Das Land vergab darum langfristige Baudarlehen an Privatinvestoren. Das Geld für den Sozialwohnungsbau reichte im Berliner Haushalt aber hinten und vorne nicht. So kam man auf die Idee, nicht mehr die Baukosten, sondern die Kredite zu finanzieren. Ein Modell, das zur Selbstbedienung gewisser Kreise geradezu einlud: Die Privatbanken ließen sich die Kredite sehr lange und sehr gut vom braven Steuerzahler bezahlen. Der Effekt: Die Gebäude wurden doppelt so teuer.
    Dieses besondere Berliner System brachte den Stadtstaat im Jahr 2003 mit an den Rand des Ruins. Angesichts des Schuldenbergs wussten sich die Politiker von CDU, SPD und Linkspartei nicht anders zu helfen und verkauften schließlich 1998 und 2004 zwei große städtische Wohnungsunternehmen. Ein folgenschwerer Fehler, meint der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm:
    "Wir haben uns in Berlin den Luxus erlaubt, von ungefähr 480.000 öffentlichen Wohnungen, die den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gehört haben, über 240.000 zu verkaufen und zu privatisieren. Teilweise werden die jetzt von Fonds geleitet, von internationalen Investmentgesellschaften, die sind an der Börse.
    Liberalisierung, Privatisierung und Kürzung von Geldern
    Wir haben ab 2001 nach einer Phase der deutlichen Kürzung die öffentlichen Finanzierungen für soziale Sanierungsprogramme und für den sozialen Wohnungsbau vollkommen eingestellt. Dieses Dreieck aus Liberalisierung, Privatisierung und Kürzung von Geldern, das hat dazu geführt, dass wir die Wohnungssituation haben, die zur Zeit viele MieterInnen in der Stadt umtreibt und die Wohnungsversorgung schwierig macht."
    Ganz ähnlich ergeht es auch den Mietern im vergleichsweise reichen Baden-Württemberg. Das Land hat im vergangenen Jahr die stärkste Zuwanderung seit 20 Jahren erlebt. Rund 70.000 Menschen, vor allem Süd- und Osteuropäer, zog das gute Jobangebot im Südwesten an, und es zog sie in die großen Städte. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg spricht von einem "Trend zurück in die Stadt".
    Neben den Neubürgern zieht es aber auch immer mehr Menschen aus dem Hinterland nach Stuttgart, Ulm und Mannheim. Thomas Keck ist Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund in Reutlingen–Tübingen und Bezirksbürgermeister von Betzingen. Mit Sorge betrachtet er die Entwicklung:
    "Der Zug in die Städte ist stärker denn je, das ist unheimlich. Das hat mit dem kulturellen Angebot, überhaupt mit der Infrastruktur zu tun. Es sind nicht nur die jungen Leute, die in die Städte drängen, es sind auch die Alten, eben grad weil es eine gute Infrastruktur gibt, Ärzte etc. Der demografische Faktor kommt da noch drauf, wie ein Sahnehäubchen. Wir haben hier ja ein großes Hinterland auf der Schwäbischen Alb, die Leerstände, die es da gibt, in den Ortschaften auf der Alb, das ist schon hammerhart."
    Dramatische Wohnungsmarktsituation in Baden-Württemberg
    Die Wohnungsmarktsituation gilt mittlerweile als dramatisch in Baden-Württemberg. Laut Deutschem Mieterbund liegen im Südwesten die Mietpreise heute schon bei rund 20 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Aus dem Mietspiegelindex geht hervor: Über die Hälfte der Städte mit den höchsten Mieten in Deutschland finden sich in Baden-Württemberg.
    Besonders attraktiv sind schon immer baden-württembergische Universitätsstädte. Freiburg, Heidelberg, Konstanz und vor allem Tübingen gehören zu den begehrtesten Unistädten im ganzen Land. Allein Tübingen wächst pro Jahr um 1.000 Menschen, darunter viele Studenten. Etwa 500 neue Wohnungen werden jährlich neu gebaut, so der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer:
    "Aber wir kommen nicht hinterher, der Druck ist größer. Das ist auch ein Nebeneffekt des Erfolgs der Universität, sie ist exzellent geworden, sie hat 4.000 neue Studierende angezogen, die müssen irgendwo wohnen. In der Stadt sind in den letzten zehn Jahren fast 5.000 neue Arbeitsplätze hinzugekommen. Also 15.000 Leute unterbringen in einer Stadt mit etwa 80.000 Einwohnern ist eine riesige Herausforderung, und das kann nicht ohne Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt gehen."
    Familien fallen bei der Wohnungssuche hinten runter
    Besonders in Ballungszentren ist der Bedarf an Wohnungen gestiegen
    Besonders in Ballungszentren ist der Bedarf an Wohnungen gestiegen. Besonders der Wettbewerb zwischen Familien und Studierenden am Wohnungsmarkt spitzt sich immer mehr zu. (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Keck findet noch harschere Worte über den Wettbewerb zwischen Studierenden und Familien am Wohnungsmarkt:
    "Sie haben an vielen Stellen Wohngemeinschaften, die mit Familien um denselben Wohnraum konkurrieren. Aber Wohngemeinschaften sind gemeinhin finanziell potenter als eine Familie mit einem Normalverdiener, einem Einverdiener, ich sage immer: Polizist, mittlerer Dienst, verheiratet, zwei Kinder, der kann sich nicht mit einer WG messen, der kriegt die Wohnung nicht und fällt hinten runter."
    Hinten runter fallen Familien bei diesen Wohnungen:
    "Gerne WG! 72 Quadratmeter große Wohnung in einem Tübinger Ortsteil zu vermieten. Drei Zimmer, kalt 980 Euro, monatlich kommen 180 Euro Nebenkosten hinzu."
    Die nächste Wohnung wäre eindeutig für Topverdiener, doch der Vermieter denkt schon gleich an eine Wohngemeinschaft:
    "WG geeignet. Großzügige Altbauwohnung 140 Quadratmeter, 2.500 Euro warm."
    Ein Doktorand, 31 Jahre alt, er möchte seinen Namen nicht nennen, zog jüngst mit seiner Freundin zusammen. Auch sie ist Akademikerin. Fündig wurden sie in einem Teilort von Tübingen. Die Wohnung ist groß, rund 100 Quadratmeter, das Paar bezahlt 900 Euro warm.
    "Letzten Endes habe ich im Umkreis von Tübingen, also nicht in der Stadt drin, sondern im Umkreis auch gesucht."
    50 Prozent des Gesamteinkommens für Mietkosten
    900 Euro für 100 Quadratmeter, da kann man in Tübingen von Glück sprechen. 100 Quadratmeter ist im Schnitt die Wunschfläche für eine Familie, doch 900 Euro können viele nicht bezahlen. Noch vor wenigen Jahren galt: 25 Prozent des Monatseinkommens werden für Mietkosten eingeplant. Heute nennen vom Bürgermeister bis zum Mieterschutzbund alle die Zahl 50 Prozent des Gesamteinkommens, welche vor allem Familien mit Kindern für Mietkosten einkalkulieren müssten. Wem das zu teuer ist, der muss aus dem Zentrum in Richtung Hinterland ziehen.
    "Klar ist auch, dass es in der letzten Zeit eskaliert, weil die Neuvermietungsmieten so brutal gestiegen sind. Wenn Mietpreisschübe bei Neuvermietungen von 36 Prozent passieren, das ist kein Einzelfall, dann ist das hammerhart."
    Dirk Wohltorf vom Immobilienverband Deutschland sagt: Nicht die Preise, sondern die Ansprüche der Mieter sind das Problem. Mit seinem Maklerbüro sitzt er im Norden Berlins, in Berlin-Frohnau – außerhalb des S-Bahn-Rings um die Innenstadt. Er vermittelt Wohnungen in Spandau oder Charlottenburg-Nord. An manchen Wochenenden komme kein einziger Kunde, um eine seiner inserierten und durchaus preisgünstigen Wohnungen zu besichtigen, sagt Wohltorf und betont: In Berlin herrsche keine generelle Wohnungsknappheit. Doch 3,8 Millionen Bürger könnten nicht alle innerstädtisch leben:
    Mietpreisbremse soll soziale Durchmischung erhalten
    "Da muss man einfach auch mal nach links und rechts gucken und das gilt für so eine Stadt wie Berlin, dass man halt nicht sagen kann, mein Grundrecht ist der sanierte Altbau in bester Citylage. Sondern ich muss mal nach Spandau gucken, nach Reinickendorf, mal nach Marzahn-Hellersdorf nach Neukölln-Süd und selbst in Charlottenburg-Nord gibt es in einigen Straßen Überangebot, da muss man mal drüber nachdenken, ob es nicht auch andere Lagen gibt, in denen man schön und vielleicht günstiger wohnen kann."
    Politiker möchten mit der Mietpreisbremse jedoch die viel beschworene soziale Durchmischung in den begehrten Bezirken wie Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain erhalten – soweit es sie noch gibt. Dirk Wohltorf winkt ab. Die Mietpreisbremse trage sozialistische und planwirtschaftliche Züge, sagt er. Auch helfe sie einkommensschwächeren Familien nicht. Wohltorf geht davon aus, dass stattdessen dem Schwarzmarkt Tür und Tor geöffnet werden:
    "Wenn die Mietpreisbremse kommt, wird trotzdem der Höherverdienende die Wohnung bekommen, vielleicht zu einem niedrigeren Preis als er sich eigentlich leisten kann. Und es wird ein Schwarzmarkt einsetzen. Das war schon zu Zeiten von Westberlin so als die Mieten reglementiert wurden. Da wurden damals 5.000 D-Mark für eine alte Spüle als Abstand gezahlt. Es werden Altmietverträge vorgezeigt, die gar nicht stimmen, um zu zeigen, dass es dann Bestandsschutz gibt. Das kann keiner überprüfen, das Personal ist nicht da, das weiß die Politik und trotzdem wird's gemacht."
    Kappung der Neuvermietungsmieten nützt vor allem der Mittelschicht
    Die Kappung der Neuvermietungsmieten klinge auf den ersten Blick vernünftig, sagt Stadtsoziologe Andrej Holm. Doch auf den zweiten Blick werde schnell klar: Sie nützt vor allem den Mittelschichten. Geringverdiener aber bräuchten Mieten unter dem Mietspiegel-Niveau. Das habe die Mietpreisbremse jedoch nicht zu bieten. 350.000 Berliner Haushalte erhalten Transferleistungen. Für sie Wohnraum bereitzustellen, darin versage der Markt. Also müssten die Kommunen die soziale Wohnungsversorgung sicherstellen:
    "Wer eine ehrliche soziale Wohnungspolitik auf die Beine stellen will, der wird Gelder in die Hand nehmen müssen. Und die Mietpreisbremse ist so ein Instrument, was für alle wie der Königsweg wirkt, weil er nämlich kein Geld kostet. Deshalb haben sich da auch alle so schnell drauf geeinigt und alle, die politisch Verantwortung haben, die begrüßen dieses Instrument. Aber das ist auch kein Wunder, weil es so ein Ablenkungsmanöver ist, weil es von den Instrumenten ablenkt, die tatsächlich eine größere Wirkung entfalten würden, die aber gleichzeitig auch Geld kosten würden, davor scheut man sich."
    Womit sich der Kreis wieder schließt. Aufgrund der desaströsen Finanzlage haben die sechs verbliebenen öffentlichen Wohnungsbau-Gesellschaften in den vergangenen Jahren Bauabteilungen geschrumpft, neue Wohngebäude nicht mehr finanziert. Im Bestand sind etwa noch 285.000 Wohnungen. Und nur ein geringer Teil davon ist für 5,50 Euro kalt pro Quadratmeter zu haben – laut Mietspiegel entspricht dies aktuell der Durchschnittsmiete in bestehenden Mietverhältnissen.
    Berlin bräuchte 700.000 Sozialwohnungen
    Im Moment hat Berlin noch 140.000 Sozialwohnungen. Der Bedarf an preisgünstigen Wohnungen liege jedoch bei 700.000, meint der Berliner Mieterverein. Immerhin – die rot-schwarze Landesregierung sei änderungsbereit, sagt Baustaatssekretär Lütke-Daldrup.
    "Politik muss auch lernfähig sein. Jetzt hat man gelernt, der Wohnungsmarkt ist wieder ein zentrales Thema in der Stadt, wir müssen wieder neue Wohnungen bauen, wir müssen Bestand besser schützen und wir müssen auch dafür sorgen, dass der Anteil kommunalen Wohnungsbestands steigt und daran arbeiten wir gerade."
    Auch im Südwesten der Republik wollen die Wohnungsbaupolitiker nun Fehler aus der Vergangenheit korrigieren. Baden-Württembergs Landeswirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid von der SPD will zusätzlich zur Bundesregelung bis 2015 eine eigene Mietpreisbremse einführen:
    "Es kommt auf alle Fälle, da können sich die Mieterinnen und Mieter darauf verlassen. Wir würden uns wünschen, dass der Bund davor seine Mietpreisbremse eingeführt hat, damit wir Klarheit haben. Aber wir werden unabhängig vom Bund auf der aktuellsten Datengrundlage, also den Zensusergebnissen, eine Mietpreisbremse bei uns einführen, soweit wir zuständig sind als Land, das ist unabhängig von dem, was der Bund macht. Wir hätten uns übrigens gewünscht, dass der Bund alles bundesweit einheitlich regelt. Das war mit der Union nicht machbar."
    "Justizminister offensichtlich eingeknickt"
    Die Einschränkungen, die Justizminister Heiko Maas inzwischen bei der Mietpreisbremse des Bundes angekündigt hat, findet sein Genosse aus Baden-Württemberg hinnehmbar:
    "Wenn man jetzt bei Neubauten gewisse Ausnahmen bei der Mietpreisbremse zulässt, dann halte ich das für vertretbar. Wir werden den Wohnungsmangel nicht per staatlichem Dekret einfach beseitigen können, und deshalb wird es immer einen Interessenausgleich zwischen Vermietern und Mietern geben müssen. Insofern bin ich Heiko Maas dankbar, dass er die Mietpreisbremse vorbereitet und einführen will. Wenn man an der einen oder anderen Stelle Zugeständnisse machen muss, dann ist es so."
    Das sehen einige Sozialdemokraten anders. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sagte, er erwarte, dass die Mietpreisbremse ein scharfes Schwert für den Schutz der Mieter sei und kein stumpfes Küchenmesser. Beim Mieterbund ist man enttäuscht über die Einschränkungen:
    "Ich sehe mit Schrecken, dass der Justizminister offensichtlich eingeknickt ist, jetzt sollen ja Neubauten herausgenommen werden. Das ist eine deutliche Verschlechterung für die Mieterinnen und Mieter. Ich weiß nicht, welchem Druck er da immer nachgibt."
    Auch in den Ballungsräumen von Baden-Württemberg rächt sich jetzt, dass städtische Wohnungen einst großzügig verkauft wurden. Heute werden sie dringend gebraucht. Stuttgarts OB Fritz Kuhn, ein weiterer Grüner, hat ebenfalls schon Neubauten und neue Grundstückspolitik angekündigt. Spät, sehr spät, findet dies Herbert Jansen, Leiter des Bereichs Sozialpolitik beim Caritasverband der Diözese Stuttgart-Rottenburg. Er sagt, die Misere sei seit Beginn der 1990er-Jahre erkennbar gewesen – habe sich zu der Wirtschaftskrise 2008/2009 nur noch einmal zugespitzt:
    Verkauf städtischer Wohnungen rächt sich
    "Interessant war für mich, die Beobachtung aus der letzten Zensuszählung heraus, wo es in Stuttgart einen Wohnraumüberschuss von über 10.000 Wohnungen gab, die leer standen. Gleichzeitig wurde beobachtet, dass immer mehr Wohnungen, große Wohnungen, von weniger Menschen bewohnt werden. Da gibt es auch innerhalb der Wohnungswirtschaft natürlich einen Handlungsbedarf."
    Die grün-rote Landesregierung korrigiere viele Fehlentwicklungen, doch der aktuelle und künftige Bedarf an bezahlbaren Wohnungen sei nicht so schnell zu decken:
    "Das kann man nicht von heute auf morgen aus dem Boden heraus stampfen. Das, was die Landesregierung auf den Weg bringt, das ist der Versuch, etwas aufzufangen oder abzumildern. Das Gros an Sozialwohnungen, das besteht nicht mehr, das ist nicht mehr da."