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Mietspiegel
Instrument mit begrenzter Aussagekraft?

Wie hoch darf die Miete sein? Darüber soll ein Mietspiegel Auskunft geben. Doch sein Zustandekommen ist umstritten. Denn ein Mietspiegel berücksichtigt nur veränderte Mieten. Kritiker glauben, das treibe die Mieten weiter hoch.

Von Sina Fröhndrich | 21.03.2019
Altbau-Häuser in der Wittgensteinstraße in Köln Lindenthal.
1000 von 11.000 Kommunen können auf einen Mietspiegel zurückgreifen (imago / Hardt)
Ursula Zimmermann hat einen Din-A4-Zettel aus einem großen Karton hervorgekramt. Ein ausgefüllter Umfragebogen, einer von vielen - mit denen Zimmermann Daten sammelt - und für die Rheinische Immobilienbörse alle zwei Jahre den Kölner Mietspiegel erstellt - am Ende kommt ein Faltblatt heraus.
Berücksichtigt werden Wohnungen, bei denen sich etwas geändert hat - durch einen neuen Mietvertrag oder eine angepasste Miete. Ziel des Mietspiegels: die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln und die Entwicklung des Marktes abzubilden.
"Sowohl Mieter als auch Vermieter können Mietspiegel erst einmal zur Preisorientierung nutzen", sagt Wolfgang Neußer vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn, das dem Bundesbauministerium unterstellt ist. "Beide Seiten wissen dann ungefähr, was am Markt für die angebotene Wohnung realistischerweise genommen werden kann, man hat eine Orientierung."
Mietspiegel als neutrales Instrument
Auch für Gutachter und Investoren ist ein Mietspiegel wichtig. Es handele sich um ein neutrales Instrument, betont Ursula Zimmermann in Köln. "Das ist ja nicht so, dass der Mietspiegel irgendwas bewerten soll: Ich sag immer, es ist wie bei einem Meteorologen, der sagt, es regnet erstmal - wir wollen ja nicht, dass die Mieten höher oder niedriger werden, wir wollen zeigen, was da ist."
Nur: Welche Daten Ursula Zimmermann dafür bekommt, ist reiner Zufall. 24.000 Fragebögen landen im Durchschnitt auf ihrem Schreibtisch - digital und analog - ausgefüllt von Mietern und Vermietern in Köln. Mit Angaben zur Wohnlage, Baualter, Modernisierung, Größe und Miete. "Das sind ungefähr sieben Prozent, die wir abdecken."
Einfache Mietspiegel werden auch als Rotweinmietspiegel bezeichnet
Denn: Die Rückmeldung ist freiwillig. Eine Auskunftspflicht für alle Mietwohnungen wäre hilfreich, sagt Zimmermann. "Wenn das verpflichtend wäre, wäre das die Lösung, weil: diejenigen, die hochpreisig vermieten, sagen, ja, das ist nicht genug, die, die eine günstige Wohnung suchen, sagen, das ist illusorisch, das kann ich nicht ausgeben, wenn wir alle Mieten hätten, wären das ein paar Zahlen mehr, aber dann könnte das keiner mehr anzweifeln."
Einfache Mietspiegel wie in Köln werden deswegen auch als Rotweinmietspiegel bezeichnet - weil sie nicht repräsentativ sind und auch nicht nach wissenschaftlichen Vorgaben erhoben werden. Sie seien ausgehandelt zwischen Mieter- und Vermieterverbänden beim Rotwein.
Mehr Anerkennung genießt der qualifizierte Mietspiegel - er muss repräsentativ sein und nach wissenschaftlich anerkannter Methode erstellt werden. Damit sei das Instrument vor Gericht akzeptierter, sagt Wolfgang Neußer. Ihm zufolge können inzwischen fast Tausend von 11.000 Kommunen in Deutschland auf einen Mietspiegel zurückgreifen - in der Regel sind es einfache.
Betrachtungszeitraum soll verlängert werden
Doch treibt ein Mietspiegel, der ausschließlich Mieterhöhungen berücksichtigt, um abzubilden, wie sich der Markt entwickelt hat, nicht die Preise? Würden alle Mieten, auch die die sich nicht verändert haben, einbezogen, hätte das vermutlich einen dämpfenden Effekt, glaubt Ursula Zimmermann.
Wolfgang Neußer hält das für weniger plausibel: "Es gibt Städte, in denen kein Mietspiegel erstellt wird, aus genau dem Grund, die behaupten, sie würden damit Preissetzungen vorgeben, das würde ich aber eher nicht so sehen."
Eine Dämpfung des preistreibenden Effekts erhofft sich Bundesjustizministerin Katarina Barley, indem der Betrachtungszeitraum von vier auf sechs Jahre verlängert wird.