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Milchgipfel
"Meine Hoffnungen sind nicht sehr groß"

Die grüne Europa-Abgeordnete Maria Heubuch erwartet von dem sogenannten Milchgipfel, der gerade in Berlin läuft, keine grundlegenden Verbesserungen. Heubuch, die auch Milchbäuerin ist, sagte im Deutschlandfunk, man werde sich lediglich auf ein Pflaster hier und ein Pflaster dort einigen. Sie beklagt, dass wichtige Akteure bei dem Treffen fehlen.

Maria Heubuch im Gespräch mit Jasper Barenberg | 30.05.2016
    Milchglas mit Münzen
    Die Milchpreise sind im Keller. Beim sogenannten Milchgipfel soll das geändert werden. (dpa / Paul Zinken)
    Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ist nicht zu dem Treffen geladen, das Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ausrichtet. Deswegen ist Maria Heubuch von den Grünen nicht optimistisch, dass es wirklich Verbesserungen gebe für einen höheren Milchpreis. Schmidt habe ausschließlich diejenigen Akteure an den Tisch geholt, die sich einig seien in ihrer Wachstumsstrategie.
    Neue Märkte zu erschließen sei wenig sinnvoll, so Heubuch, das habe in ihren 36 Jahren als Milchbäuerin in Krisensituationen noch nie geholfen. Woher sollten diese Märkte kommen?
    Die vom Minister vorgeschlagenen Verbesserungen würden nur punktuell helfen, sagte Heubuch. Das Übel sei die Überproduktion: "Da müssen wir ran." Wenn die Milchmengen nicht reduziert würden, und zwar europaweit, mache der Gipfel wenig Sinn.
    "Immer dann, wenn der Markt aus den Fugen gerät, ist es doch sinnvoll, in einer sozialen Marktwirtschaft hier einzugreifen", sagte Heubuch. Die Milchquote hätte man durchaus verbessern können, anstatt sie vor zwei Jahren abzuschaffen.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat Maria Heubuch, Grünen-Abgeordnete im Europaparlament, Mitglied auch im Bundesverband Deutscher Milchbauern, seit vielen Jahren engagiert auch in der Interessenvertretung der Milchbauern. Schönen guten Tag, Frau Heubuch.
    Maria Heubuch: Guten Tag.
    Barenberg: Christian Schmidt, der Bundeslandwirtschaftsminister von der CSU, verspricht jetzt schnelle Hilfe, schnelle Unterstützung, und meint vor allem Kredite, Bürgschaften und Steuerentlastungen. Wie weit hilft das?
    Heubuch: Das hilft natürlich nur punktuell und wenn wir es nicht gleichzeitig verbinden mit einer Mengenreduzierung, glaube ich nicht, dass es sehr viel Sinn macht. Die Kommission hat letzte Woche bei der Anhörung sogar selber zugegeben, dass die Gelder bis jetzt nicht gegriffen haben, weil wir das Übel nicht bei der Wurzel gepackt haben, und das ist die Überproduktion und da müssen wir ran.
    Maria Heubuch, baden-württembergische Kandidatin für das EU-Parlament, spricht am 13.05.2014 im Kulturzentrum Tollhaus in Karlsruhe (Baden-Württemberg) beim Wahlkampfhöhepunkt zur Europawahl der Grünen Baden-Württembergs.
    Maria Heubuch (Grüne), Mitglied des Europäischen Parlaments (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    "Wir haben keine gleichen Kräfte am Markt"
    Barenberg: Das heißt, man müsste politischerseits den Bauern vorschreiben, wie viel sie produzieren sollen und wie viel nicht?
    Heubuch: Nein! Ich glaube, die Politik muss organisieren, europaweit organisieren, dass die Bauern die Möglichkeit haben, freiwillig die Menge zu reduzieren, und sie brauchen einen Ausgleich dafür. Sonst können sie ja ihre Kosten nicht decken. Aber es muss europaweit organisiert werden und ich glaube, die Politik muss es organisieren.
    Barenberg: Warum kann der Markt das nicht selber regulieren?
    Heubuch: Weil wir keine gleichen Kräfte am Markt haben. Unsere Molkereiindustrie hat ja darauf gesetzt, mehr Milch zu bekommen, um endlich am Weltmarkt viele Marktanteile zu gewinnen, und das haben sie gemacht auf Kosten unserer Höfe. Hier haben wir kein gleiches Interesse und daher kann es der Markt nicht regeln. Oder wenn wir es den Markt regeln lassen, werden wir sehr viele Höfe verlieren. Das sind Arbeitsplätze und ich halte das für eine sehr schlechte Idee.
    Barenberg: Daher auch Ihre Kritik, dass der Landwirtschaftsminister nichts von Bonuszahlungen hält, die man den Landwirten dafür geben soll, dass sie Milch nicht produzieren?
    Heubuch: Ja natürlich, weil wir müssen doch an die Menge ran, und das können wir nicht dem freien Spiel überlassen. Wenn es die Molkereien in die Hand nehmen, dann werden sie es nach ihren eigenen Interessen tun. Aber wir haben doch als Gesellschaft das Interesse, dass flächendeckend Landwirtschaft betrieben wird und dass wir auch noch Milch dort produzieren, wo wir Randregionen haben, wo wir die reinen Grünlandregionen haben, wo die Milch eigentlich hingehört, und dann dürfen wir es eben nicht dem freien Markt überlassen. Dann muss die Politik das organisieren.
    Bauern Ausgleich für nicht gelieferte Milch anbieten
    Barenberg: Und das wäre dann nicht der Einstieg in ein neues System der Subventionierungen, wie wir es bei der Quote ja jahrzehntelang gehabt haben und alle einigermaßen froh waren, dass es abgeschafft war?
    Heubuch: Über die Quote könnte man streiten und es waren sicher nicht alle einigermaßen froh. Man hätte auch diese Quote verbessern können. Aber wir müssen mit der jetzigen Situation umgehen und wir können das doch jetzt in dieser Zeit tun, wo wir die Überproduktion haben. Wir müssen es nicht auf Dauer tun. Aber immer dann, wenn der Markt aus den Fugen gerät, ist es doch sinnvoll, in einer sozialen Marktwirtschaft hier auch einzugreifen.
    Barenberg: Das ist dieser Teufelskreis: Die Preise verfallen, die Landwirte produzieren immer mehr, um überhaupt noch etwas daran zu verdienen. Jetzt haben Sie gesagt, es soll um freiwilligen Verzicht gehen. Wie soll der organisiert werden?
    Heubuch: Wenn wir den Bauern anbieten - und die Molkerei Friesland Campina hat es ja vorgemacht -, wenn wir anbieten, entweder für jeden nicht gelieferten Liter Milch 30 Cent zu bekommen, oder für die restliche Milch einen Aufschlag zu bekommen, sodass es sich finanziell darstellen lässt auf einem Hof, dann werden die Bauern mitmachen. Davon bin ich überzeugt. Sollte das alles nicht greifen, haben wir immer noch die Möglichkeit, obligatorisch einzugreifen, aber erst mal sollten wir es freiwillig versuchen. Aber wir müssen es flächendeckend in ganz Europa organisieren.
    "Wir dürfen die Strukturen nicht ganz verlieren"
    Barenberg: Das wäre aber nur für eine Übergangszeit, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Wie könnte eine langfristige Perspektive aussehen?
    Heubuch: Eine langfristige Perspektive geht dahin, dass wir auf Qualität setzen, dass wir nicht auf Import-Futtermittel setzen, sondern schauen, was können wir von europäischem Acker bei uns in Europa produzieren, was können wir verfüttern. Das ist dann die langfristige Lösung. Aber erst mal müssen wir jetzt schauen, dass wir die Strukturen nicht ganz verlieren.
    Barenberg: Zum Schluss, Frau Heubuch, was halten Sie von dem Vorschlag von Christian Schmidt, dass die Milchlandwirte neue Märkte erschließen sollen und neue Markenprodukte entwickeln?
    Heubuch: Markenprodukte ja, bin ich immer dabei. Aber neue Märkte? Ich frage mich, woher die kommen sollen. Wissen Sie, das ist ein Rezept. Ich bin 36 Jahre Bäuerin und das kenne ich, solange ich Milchbäuerin bin, und das hat in Krisensituationen noch nie geholfen.
    Milchgipfel: "Meine Hoffnungen sind nicht sehr groß"
    Barenberg: Was wird an diesem Gipfel heute rauskommen in Berlin? Sie haben angedeutet, Ihre Meinung ist, das hilft alles nicht weiter, was da heute beredet und möglicherweise beschlossen wird.
    Heubuch: Nun, ich befürchte: Es ist der Deutsche Bauernverband dabei, der Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter sitzt nicht am Tisch. Er hat die an den Tisch geholt, die sich sowieso einig sind in dieser Wachstumsstrategie, und er hat die nicht mit an den Tisch geholt, die eigentlich jetzt direkt und schnell eingreifen wollen. Daher sind meine Hoffnungen nicht sehr groß. Ich denke, man wird sich auf ein Pflaster hier und auf ein Pflaster dort einigen, aber keine grundlegende Strategie entwickeln.
    Barenberg: Maria Heubuch, die grüne Europaparlamentarierin, hier live im Deutschlandfunk. Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Heubuch.
    Heubuch: Ja, gerne! Auf Wiedersehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.