Donnerstag, 25. April 2024

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Militärbeobachter im Südsudan
"Die Menschen hier benötigen die Hilfe der Weltgemeinschaft"

Fünf Jahre nach der Unabhängigkeit steht der Südsudan am Rande eines offenen Bürgerkriegs. Die Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen haben zahllose Menschen zur Flucht gezwungen. Zwischen allen Fronten stehen die Militärbeobachter der UNO. Unter ihnen sind nur wenige Deutsche, Reinhard Hermann ist einer von ihnen. Und er will weitermachen, der Menschen wegen.

Von Anna Osius | 14.07.2016
    In einem UNO-Quartier in der südsudanesischen Hauptstadt Juba sitzen viele Flüchtlinge auf dem Boden, vor ihnen stehen zwei Blauhelmsoldaten der UNO.
    UNO-Soldaten sind oft die letzte Hoffnung für viele Menschen. (ROLLA HINEDI / UNMISS / AFP)
    Wer Reinhard Herrmann erreichen will, muss es mitunter sehr lange klingeln lassen. Die Leitung knackt und rauscht – und auf einmal meldet er sich - nicht vom anderen Ende der Welt, aber fern ab von jeder westlichen Zivilisation – mitten aus dem Südsudan, mitten aus dem Bürgerkrieg. "Wenigstens hat man hier mobiles Telefon."
    Reinhard Herrmann ist sogenannter Militärberater, oder auch Verbindungsoffizier, wie er sich selbst nennt. Seit neun Monaten ist er im Südsudan, versucht, mit den verschiedenen Konfliktparteien ins Gespräch zu kommen und humanitäre Hilfe möglich zu machen. Keine einfache Aufgabe in einem Land mit so viel Gewalt, zumal: "Ich verrichte meinen Dienst hier unbewaffnet, das ist eine Besonderheit. Schwache Nerven sollte man nicht haben, aber gesunden Menschenverstand und natürlich den Willen, etwas erreichen zu wollen."
    "Wer soll's denn sonst machen?"
    Frieden will er erreichen, dauerhaften Waffenstillstand. Eine Aufgabe, die angesichts der neuesten Eskalation der Gewalt wichtiger scheint denn je. Als einer von ganz wenigen Deutschen bleibt Herrmann im Südsudan, wurde nicht evakuiert. Der 55-jährige kennt das Land schon länger, war bei der Unabhängigkeitserklärung vor fünf Jahren auch dabei. "Das ist eigentlich eine sehr traurige Erfahrung. Die Menschen, die Augen, die ich vor fünf Jahren gesehen hab, während der Unabhängigkeitsfeier, und dann die Augen heute. Also, was man aus diesem Land in den fünf Jahren gemacht hat."
    Die Verhältnisse unter denen Herrmann im Südsudan lebt, sind spartanisch: Im UN-Lager stehen ein paar Baubuden, wie er es nennt – eine davon teilt sich der Familienvater aus Neumünster mit einem Kollegen. Auch die Versorgung ist alles andere als einfach, im Südsudan herrscht Wirtschaftskrise, viel zu kaufen gibt es nicht. "Da wird möglicherweise auch mal 'ne Süßkartoffel verkauft, oder 'ne Papaya, wenn ich Glück habe. Wenn ich ganz großes Glück habe auch mal ein paar Tomaten, die man in Deutschland hinter dem Kaufhaus in einem großen Container finden würde."
    Wenn man Hermann fragt, warum er sich das antut, ist die Antwort klar: "Wer soll's denn sonst machen? Wir sprechen hier von Millionen von Menschen, von Frauen und Kindern, die die Hilfe der Weltgemeinschaft einfach benötigen, dringend benötigen!"
    Da kommen auch einem Soldaten die Tränen
    Es sind die kleinen Dinge, die Herrmann bei seiner Arbeit Mut machen inmitten der Gewalt, die persönlichen Schicksale, die ihn nicht kalt lassen. Einmal hat er bei einem Einsatz ein Kind retten und ins Krankenhaus bringen können, das genauso alt war wie seine Tochter in Deutschland. "Das hat mich sehr berührt. Auch ein Soldat, der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, der fängt das Weinen an, das kann man ruhig glauben." Ich bin dann auch nach drei Wochen, nachdem ich das Mädchen da rausgeholt hatte, endlich nach Hause geflogen und konnte dann erst mal gute drei Monate lang nicht über den Einsatz reden. Den musste ich erst mal für mich verarbeiten."
    Einfach ist ein Leben im Krisengebiet nicht, das weiß der 55-Jährige. Auch seine Familie muss einiges wegstecken – "meine Frau, die knöttert natürlich" sagt er grinsend. Aber er will den Südsudan auf keinen Fall aufgeben: "Ich erlebe hier jeden Tag Hunger, ich erlebe hier jeden Tag Gewalt. Aber zu sehen, dass die Menschen hier trotzdem versuchen noch, sich durchzukämpfen, weiterzukommen. Immer noch der Blick nach vorne, mit traurigen Augen sicherlich, aber immer noch mit Hoffnung. Da schöpft man dann schon Kraft raus."
    Trotz aller Gewalt, aller Rückschläge, eines steht für Hermann fest: Er will im Südsudan weitermachen.