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Militärische Situation im Irak

Breker: Wir wollen jetzt noch einmal versuchen - natürlich mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen -, uns einen Überblick über die militärische Lage im Irak zu verschaffen. Dabei ist uns bewusst, dass die Informationen, die uns von offizieller Seite der kriegsführenden Parteien erreichen, zielgerichtet sind und also eine gehörige Portion Propaganda enthalten ist. Augenzeugen können oft nur berichten, was man sie sehen lässt. Die strategische Lage muss wie ein Mosaik zusammengesetzt werden. Weiter Bomben auf Bagdad, das ist wohl gewiss. Es geht angeblich gegen die Paläste mit Ziel der Bunkeranlagen darunter und es geht nun gegen die Informationsstrukturen. Ich begrüße nun Hans Frank, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Bonn und Vizeadmiral a.D.. Guten Tag, Herr Frank.

    Frank: Guten Tag, Herr Breker

    Breker: : Herr Frank, es wundert etwas. Warum geht es erst jetzt gegen die Informationsstrukturen. Warum versucht man erst jetzt, die Verbindung, die Kommunikation zu zerstören?

    Frank: Ich denke, das liegt in der Logik des Kriegsbildes, dass man auf amerikanischer Seite am Anfang gehabt hat, nämlich Saddam Hussein sehr schnell in seiner Bunkerfestung zu treffen und gleichzeitig parallel zu dem Vormarsch, der besonders vom Süden vorgezogen wurde, das Bild von jubelnden Menschen, von Überläufern, von Städten, die sich den Alliierten öffnen, zu vermitteln. Das hat so nicht funktioniert, sondern es werden viel mehr Bilder übermittelt - auch mit Präsentation aus Bagdad heraus von der irakischen Seite -, dass die Alliierten Probleme haben und dass sich die Bevölkerung zunehmend um ihren Führer Saddam Hussein zusammenschließt. Dieses Bild kann man so nicht weitervermitteln. Deshalb muss man auch an die Informationsstränge herangehen und man muss natürlich auch gleichzeitig versuchen, die Kommunikationswege der irakischen Führung zu ihren abgesetzten Truppen zu unterbinden. Wenn die nichts mehr hören, wenn die nicht mehr wissen, wenn sie nicht mehr informiert werden, dann werden sie eher kapitulieren als andersherum.

    Breker: : Und dafür ist es eigentlich doch am 12. Tag des Krieges etwas spät?

    Frank: Ja, man kann natürlich durchaus sagen, dass man vielleicht etwas eher damit hätte anfangen sollen, aber man darf auch die technischen Probleme nicht unterschätzen, denn ein Regime, das sich über Jahrzehnte hinweg auf eine komplette Indoktrinierung der Bevölkerung abstützt, weiß um die Wichtigkeit der Massenmedien und hat deshalb auch unabhängig von dem jetzt laufenden Krieg technische Vorsorge getroffen, diese Kommunikation sicher zu stellen und deshalb eine ganze Reihe von vielfältigen Redundanzen geschaffen, so dass es mühselig ist, die nach und nach auszuschalten.

    Breker: : Herr Frank, lassen Sie uns ein wenig geographisch vorgehen. Beginnen wir im Norden: Die Nordfront, die dort entstanden ist, ist ja in dem Sinne keine wirkliche Front, also die Absicht, vom Norden aus auf Bagdad zu marschieren, kann man im Moment nicht erkennen.

    Frank: Nein, diese Zielsetzung war ja in dem ursprünglichen strategischen Plan enthalten, nämlich von dort mit einer modernen, kampfstarken Division als Stoßkeil gegen Bagdad vorzurücken. Das ist aufgrund des türkischen Einspruchs ja so nicht geschehen. Das was jetzt dort oben geschieht muss man, glaube ich, unter zwei Aspekten sehen. Der eine ist politischer Natur, nämlich die Kurden zu beruhigen, ihnen zu versichern: Wir, die Alliierten sind bei Euch, sind mit Euch. Wir kümmern uns auch später im Nachkriegsirak um Eure angemessene Vertretung. Das Zweite ist ein militärischer Aspekt, nämlich dieses Gebiet nicht völlig kampffrei den Irakern zu überlassen, weil sie dann die Möglichkeit hätten, ihre kampfkräftigen Verbände von dort oben abzuziehen und zum Schutz und zur Verstärkung Bagdads nach Süden zu ziehen. Das geht so jetzt nicht, sondern sie werden oben gebunden.

    Breker: : Blicken wir in den Zentralirak und in den Süden. Dort versuchen die Amerikaner und die Koalition ihre Position zu konsolidieren und gleichzeitig mit Luftschlägen die Elite-Einheit zu treffen. Ist es denn so wahrscheinlich, dass sich die Eliteeinheiten als Ziel darbieten?

    Frank: Wenn wir den mittleren Irak betrachten, dann haben wir natürlich ein Gebiet, in das wir überhaupt nicht hineinschauen können, und das ist das Gebiet zwischen Jordanien und den Vororten von Bagdad. Hier sind die Alliierten wohl, wenn man den spärlichen Meldungen Glauben schenken kann, gut im Vormarsch, haben Flugplätze eingenommen, haben dort Basen eingerichtet, aus denen sie auch ihre Hubschrauberaktionen gegen die republikanischen Garden vorziehen. Im südlichen Bereich geht es in der Tat darum, die Nachschubwege jetzt entgültig zu konsolidieren und abzusichern, damit der Nachschub ungebremst laufen kann. Die Verteidigungsringe um Bagdad herum sind, so lange sie nicht in der Stadt selbst sind, natürlich aus der Luft und mit elektronischen Mitteln erkennbar, und deshalb sind es Ziele für die Angriffsoperationen aus der Luft durch die Alliierten, mit dem Ziel natürlich, die republikanischen Garden, die sicherlich eine hohe Kampfmoral haben, auch durch einen tagelanges und wochenlanges Abwehrfeuer so zu schwächen und zu demoralisieren, dass sie letztendlich einem gezielten Angriff dann kaum noch Widerstand entgegensetzen werden können.

    Breker: : Das war der Versuch eines Blicks auf die militärische Lage im Irak. Wir taten diesen Blick mit dem Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Bonn, mit Vizeadmiral a.D. Hans Frank. Herr Frank, ich danke für diese Einschätzung.

    Link: Interview als RealAudio