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Militärparade in Moskau
Zwischen Gedenken und Machtdemonstration

Es ist die größte Militärparade der neueren russischen Geschichte. Örtliche Medien jubelten schon im Vorfeld. Erinnert wird an den Sieg über Hitler vor 70 Jahren, zugleich wird neueste russische Militärtechnologie präsentiert – nicht immer ohne Pannen.

Von Gesine Dornblüth | 09.05.2015
    Militärparade in Moskau zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs, 9. Mai 2015, Blick von oben auf einen großen Platz, auf dem Soldatenformationen marschieren, im Hintergrund Skyline von Moskau.
    Militärparade in Moskau zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs, 9. Mai 2015 (dpa/picture alliance/Mikhail Voskresenskiy)
    Tage-, ja wochenlang wurde sie geprobt: Die größte Militärparade der neuen russischen Geschichte. Mit mehr als 16.000 Soldaten und knapp zweihundert Militärfahrzeugen und Waffensystemen. Am Ende werden noch Militärhubschrauber und Jagdbomber über den Kreml donnern. Schon die Generalprobe übertrug das Fernsehen in Ausschnitten live, und die Reporter überschlugen sich vor Begeisterung:
    "Jeden Moment müssen im Himmel über dem Zentrum der Hauptstadt Kampfflieger auftauchen, ich übergebe an meine Kollegin, Ekaterina, was sehen Sie? Wie ist es?"
    "Wir sehen, wie die Hubschrauber fliegen, hören ihr Brummen. 143 Fluggeräte, das ist ein Rekord, das sind doppelt so viele wie im letzten Jahr."
    Während bei den Siegesparaden am 9. Mai in den vergangenen Jahren vor allem Kriegsgerät aus Sowjetzeit über den Roten Platz rollte, präsentiert Russland zum 70. Jahrestag neueste Technik. Darunter den Kampfpanzer T-14, genannt Armata. Es ist der erste russische Panzer aus nachsowjetischer Produktion. Die russische Presse feiert ihn als Wunderwaffe. Die Besatzung ist in einer angeblich unzerstörbaren Kapsel untergebracht, das Radar und die Leitzentrale sollen einzigartig sein.

    Russland will den Panzer exportieren, außerdem ist es dabei, die eigene Armee zu modernisieren. Der T-14 sei eine Revolution in der Waffenwelt, sagt auch der Moskauer Militärexperte Alexandr Golz und lässt doch Skepsis durchblicken. Denn die Waffen wurden noch nicht getestet: "Es ist die Katze im Sack. Wir wissen über diese neuen Waffen nur, was ihre Hersteller sagen, sonst nichts. Der einzige Fakt, den wir überprüfen können, ist, dass diese Geräte in der Lage sind, zu fahren. Was denn auch auf dem Roten Platz demonstriert wird."
    Viele Staats- und Regierungschefs bleiben fern
    Bei der Generalprobe am Donnerstag blieb allerdings ausgerechnet einer der neuen T-14 Panzer liegen, direkt vor dem Lenin-Mausoleum. Die Organisatoren bemühten sich um Schadensbegrenzung: "Verehrte Gäste. Während der Generalprobe wurde die Evakuierung von Militärfahrzeugen geprobt. Der Stopp des Panzers war beabsichtigt."
    Im Unterschied zur Zahl der Soldaten wird die Zahl der Staatsgäste auf dem Roten Platz gering bleiben. Auf der Ehrentribüne werden unter anderem die Staatschefs Chinas, Indiens, Vietnams, Brasiliens und Südafrikas erwartet; dazu Vertreter einiger GUS-Staaten. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben, mit Ausnahme von Griechenlands Präsident Pavlopoulos, abgesagt. Grund ist die russische Aggression gegen die Ukraine. Die russische Führung instrumentalisiere den Sieg der Sowjetarmee über Hitler, um damit den – allerdings von ihr verleugneten - Krieg in der Ukraine zu rechtfertigen, kommentierte gestern auch die russische Zeitung Vedomosti.
    Im öffentlichen Bewusstsein der Russen hat sich die Bedeutung des 9. Mai in den vergangenen Jahren leicht geändert. Es war immer ein ambivalenter Tag voller Freude und Trauer. Einer Umfrage des unabhängigen Levada-Instituts zufolge überwiegen nun aber deutlich Freude und Stolz, und nur noch ein Fünftel der Befragten drücken Trauer um die Toten aus. Die Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa hat Präsident Putin deshalb kürzlich in einem offenen Brief aufgefordert, am 9. Mai auch zu einer Schweigeminute für die Opfer aufzurufen. Das wäre ein Novum.