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Militärtechnik
Der neue Drohnenkrieg

Sie klären lautlos auf und töten bei Bedarf: Unbemannte militärische Flugzeuge sollen Soldaten schützen und zivile Opfer vermeiden. Vom sauberen Krieg sprechen Militärs, von Mordmaschinen die Gegner. Kampfdrohnen sind ein Milliardenmarkt - auch Deutschland interessiert sich für die Technologie.

Von Tom Schimmeck | 10.01.2015
    Ein Techniker arbeitet nachts an einer "Global Hawk"-Drohne
    Ein Techniker arbeitet nachts an einer "Global Hawk"-Drohne (imago)
    Auf einem Militärgelände nahe Bordeaux, von Nadelwäldern gesäumt, soll an diesem windstillen, sonnigen Morgen eine Mini-Drohne aufsteigen. An einem großen Klapptisch neben der Startbahn sitzen zwei Männer mit aufgeklappten Koffern, in denen Computer montiert sind. Die Telepiloten.
    Ein "Telepilot" steuert eine Drohne von einem Computerterminal, der in einen kleinen Koffer eingebaut ist.
    Ein "Telepilot" steuert eine Drohne von einem Computerterminal so klein, dass er in einen kleinen Koffer passt. (Foto: Tom Schimmeck)
    Sie klicken und tippen, sie sprechen in ihre Headsets, geben dem dritten Mann Anweisungen, der, vielleicht 50 Schritte entfernt, einen kleinen Hubschrauber anwirft – wie einen Rasenmäher. Die Rotorblätter kreisen etwa auf Bauchhöhe. Posten 1 kontrolliert die Werte und steuert, Posten 2 bedient das Videoauge unter der Maschine. Auf einem großen Monitor können die Zuschauer das Bild der Kamera verfolgen. Der "Copter" schnurrt über das Gelände, zieht Kreise. Bleibt in der Luft stehen. Er könne, erklärt die Dame am Mikrofon, das Terrain erkunden und Pipelines überwachen. Sogar eine kleine Last abwerfen. Ein Mausklick – schon plumpst ein Säckchen unbestimmten Inhalts zu Boden.
    Jean-Marc Masenelli, Chef von Survey Copter. Teil des Airbus-Konzerns.
    "Etwa 95 Prozent unserer Kunden sind militärisch oder paramiltärisch – also Sicherheitskräfte, Gendarmerie, Polizei."
    Zufrieden verfolgt Masenelli die Kunststücke des kleinen Fliegers.
    Eine Kleindrohne des Typs "Surveycopter" der Firma Airbus
    Eine Kleindrohne des Typs "Surveycopter" der Firma Airbus (Foto: Tom Schimmeck)
    "Wir wollen uns auf Exportmärkten entwickeln – vor allem in Südostasien, im Nahen Osten, in Afrika und am Golf."
    Aber auch dort gibt es Exportbeschränkungen.
    "Sicher. Alle unsere Drohnensysteme sind von der französischen Regierung als Kriegsmaterial eingestuft. Das heißt: Wir müssen vor dem Export eine Lizenz einholen. Und natürlich gibt es auch Länder und Kunden, die auf der schwarzen Liste stehen."
    "Blacklisté" sagt er in französischem Englisch.
    Das Geschäft, verrät der Direktor, laufe nicht schlecht.

    (YouTube-Kanal des US Department of Defense: Gezielte Tötung von "schwer bewaffneten Aufständischen" in Baghdad am 10. April 2008 durch ein UAV - unmanned aerial vehicle - des US-Militärs bzw. Koalitionstruppen)

    Milliardengeschäft mit unbemannten Fluggeräten
    Der französische Luftwaffenstützpunkt 106 – ein Riesenareal direkt neben dem Flughafen Bordeaux-Merignac. Von hier aus verließ Général de Gaulle im Jahr 1940 Frankreich vor den anrückenden Nazitruppen. Schießstände, Schuppen, Sportanlagen, Stacheldraht. Unterkünfte, Unterrichtsräume, sogar eine kleine Kirche. Zugang nur mit Sondergenehmigung. Ein Shuttlebus transportiert die Gäste zu den Messehallen. Am Eingang lächelt ein ganzes Geschwader sehr junger, schlanker, freundlicher Französinnen.
    Dahinter beginnt eine Männerwelt. Businessanzüge und Uniformen. Der militärisch-industrielle Komplex. Die "Air Defense Support Show", die zu einer europäischen Drohnenmesse mutiert. Stimmt es, was viele sagen: Dass die USA und Israel bei der Drohnentechnologie uneinholbar vorne lägen? Dass Europa kaum noch aufholen könne?
    "Ja und nein. Es gibt bei den Drohnen ja verschiedene Kategorien. Was sie da sagen, gilt vielleicht für sehr große Drohnen vom Typ MALE, für taktische Drohnen. Und wir bei Airbus arbeiten ja hart daran, diese Sicht der Dinge ein wenig zu konterkarieren. Für die Drohnen in meinem Feld, die Minidrohnen, gilt das nicht. Sicher haben wir amerikanische und israelische Konkurrenz, ja. Aber wir sind dabei, sie zu schlagen."
    Eine MALE 2020 Drohne auf der Militärmesse in Bordeaux
    Eine MALE 2020 Drohne auf der Militärmesse in Bordeaux (Foto: Tom Schimmeck)
    2013 orderte das österreichische Verteidigungsministerium sechs seiner "Tracker"-Systeme mit 18 Flugzeugen. Jedes kaum acht Kilo schwer. Sie verschwinden, als Bausatz, mitsamt der Steuerungseinheit in zwei Rucksäcken. Und seien, verspricht Masenelli, in weniger als zehn Minuten einsatzbereit. Werden einfach in die Luft geworfen, fliegen dann, von zwei Elektromotoren angetrieben, bis zu eineinhalb Stunden lang.
    Beim Militär in Afrika, Asien und Südamerika gebe es sicher einen enormen Markt. Im zivilen Sektor sei das schwieriger. Weil es noch keine echten Regelungen für den Luftraum gibt.
    "Das wirkt ein bisschen als Bremse."
    Unbemannte Fluggeräte sollen ein weltweites Milliardengeschäft werden.
    "Aber das dauert, denke ich, noch fünf bis zehn Jahre, bevor das wirklich abhebt, ein echter Markt wird."
    In der Messehalle leuchten die großen Stände der Rüstungskonzerne: Airbus Defence and Space, Dassault Aviation, Thales. Dazwischen stehen Hersteller von Kameras, Propellern, Motoren und allerlei sonstigem Zubehör. Die Region Aquitaine im Südwesten Frankreichs versucht, sich als Zukunftsstandort für das Drohnengeschäft zu etablieren. Als "aerospace valley". Eine Konkurrenz zu Kalifornien. Es gibt hier Fabriken, Spezialfirmen, Forschungseinrichtungen, Militärbasen. Und mehrere Testgelände für Drohnen und Raketen. Frankreich wittert ein Zukunftsgeschäft, will Pionier sein. Schon, heißt es, hätten 1000 "Drohnenpiloten" eine Lizenz für Frankreich.
    Israel ist einer der Vorreiter der unbemannten Technologie
    An einem Messestand wird den Besucher stolz "die Bibel" überreicht – ein 240 Seiten starkes Verzeichnis aller im Bau oder in Planung befindlichen RPAS - sprich: Remotely Piloted Aircraft Systems. Also der ferngesteuerten Flugsysteme. Vom – beladen – über 14 Tonnen schweren "Global Hawk", mit fast 40 Meter Spannweite so groß wie mittelprächtiger Airbus. Bis zu den nur wenigen Gramm schweren Nano-Drohnen, die wie Insekten aussehen. Schon ist die Rede von "Moskito-Drohnen", die Menschen nicht nur per Kamera und Mikrofon beobachten, sondern auch, per Nadelstich, eine DNA-Probe ziehen könnten. Einfache Drohnen-Modelle gibt es längst im Supermarkt.
    Eine Drohne des Typs A RQ-4 Block 20 Global Hawk
    Eine Drohne des Typs A RQ-4 Block 20 Global Hawk (picture alliance/dpa/EPA/Andy Rain)
    "Ich sehe Israel und Europa nicht als Konkurrenten. Ich sehe uns als Partner. Es gibt schon einige Kooperationen zwischen israelischen und europäischen Firmen."
    Stéphane Friedfeld, Luftfahrtunternehmer und Repräsentant der Israel Space Federation, spielt den technologischen Vorsprung seines Landes ein wenig herunter.
    "In Israel müssen wir diese neuen Tools ja leider fast jeden Tag anwenden. Aber das ist natürlich auch eine Stärke. Die zweite ist der Erfindungsgeist der israelischen Firmen und Ingenieure – die Kreativität."
    Die Erfahrung mit unbemannten Aufklärungsfliegern ist groß. Israels Militär hat Drohnen im Gaza-Streifen und auf dem Sinai auch schon als tödliche Waffe eingesetzt.
    Genau wie die USA, die mit Kampfdrohnen in Pakistan, Afghanistan, Somalia und im Jemen operieren. Sie haben nach Recherchen des Londoner Bureau of Investigative Journalism allein in Pakistan bereits zwischen 2400 und 3900 Tote gefordert. Auch die USA exportieren ihre Fluggeräte durchaus gerne. 66 Länder, erklärte das Pentagon schon 2012, dürften derzeit US-Drohnen kaufen.
    "Wes Bush, CEO der Waffenschmiede Northrop Grumman, lobt Präsident Obama sogar für seine energischen Schritte zur Steigerung des Waffenexports."
    Europa, das gerne ein eigenes Drohnenprogramm auflegen würde, kauft oder mietet seit Jahren die Technologie der Konkurrenz. Die französische "Harfang", die Schnee-Eule, ist eine Variante der israelischen Heron-Drohne. Die Deutschen leasen für ihren Afghanistan-Einsatz seit Jahren die Heron 1.
    Ein Bundeswehrtechniker arbeitet 2011 auf dem Flugplatz in Masar-I-Scharif (Afghanistan) an einer Aufklärungsdrohne vom Typ Heron 1.
    Ein Bundeswehrtechniker arbeitet 2011 auf dem Flugplatz in Masar-I-Scharif (Afghanistan) an einer Aufklärungsdrohne vom Typ Heron 1. (picture alliance/dpa/Maurizio Gambarini)
    "Es geht, kaum verbrämt, auch um Dollars."
    "Als Nation müssen wir uns entscheiden. Unterstützen wir unsere Alliierten? Oder verlangen wir von ihnen, selbst zu investieren und diese Fähigkeiten allein zu entwickeln?"
    Die zweite Alternative habe die USA nicht sicherer gemacht, aber viel Geld gekostet.
    "Die US-Industrie hatte so keine Gelegenheit, diese Fähigkeiten und Technologien zu verkaufen. Diese Lektion müssen wir lernen."
    Frankreich nutzt seit Januar 2014 auch US-amerikanische Drohnen vom Typ Reaper, dem "Sensenmann". Über der Sahara, bei der Operation im Großraum Mali. Großbritannien, Italien und die Niederlande haben ebenfalls den Reaper gekauft. Die britischen Reaper sind bewaffnet.
    Eine US-Kampfdrohne des Typs MQ-9A Reaper
    Eine US-Kampfdrohne des Typs MQ-9A Reaper (picture alliance / dpa- U.S. Air Force/Brian Ferguson)
    Deutschland plant den Kauf von Kampfdrohnen
    Auch die Bundeswehr arbeitet im Hintergrund seit Jahren am Kauf von Kampfdrohnen. Schon im August 2008 unterrichtete die US Defense Security Cooperation Agency den amerikanischen Kongress über eine deutsche Anfrage nach fünf "Reaper"-Drohnen. Dazu vier mobile Bodenstationen, Unterstützung, Ausbildung und Ersatzteile. Gesamtwert damals: über 200 Millionen Dollar. Im April 2013 wurde eine weitere deutsche Voranfrage nach drei Reaper-Drohnen vom Kongress sogar "theoretisch bewilligt".
    Die einzige US-amerikanische Drohne, die Deutschland bislang tatsächlich orderte, wurde zum politischen Desaster. Die Mammutdrohne "Eurohawk", eine Abwandlung des "Global Hawk", sollte die erste deutsche HALE-Drohne werden – das Fachkürzel für high altitude, long endurance – für große Höhe und lange Ausdauer. Der Euro-Falke kann bis zu 40 Stunden in 20 Kilometer Höhe fliegen und dabei gut die halbe Welt umrunden.
    Abgesandte der Bundeswehr durften das Wunderding erstmals im November 1999 auf der kalifornischen Edwards Air Force Base bestaunen. Nur der Testflug wurde abgesagt: Wegen Softwareproblemen.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Die Euro Hawk Drohne (Angelika Warmuth dpa/lno)
    Die Militärs träumten von einem Quantensprung bei der SLWÜA – der signalverarbeitenden, luftgestützten, weiträumigen Überwachung und Aufklärung. Hier klaffte, wie es im Militärdeutsch heißt, eine "Fähigkeitslücke". Airbus entwickelte für den Superlauscher eine eigene SIGINT – eine Signalintelligenz. Dieses System kann Funksignale aller Art anpeilen und aufzeichnen, es registriert selbst die elektromagnetische Strahlung startender Fahrzeuge oder die Mikrowellen von Radaranlagen und Mobilfunksystemen. Und das in einem Umkreis von rund 400 Kilometern. Wenn der Euro-Habicht über Kassel fliegt, ist ganz Deutschland abgedeckt. Die Datenmenge ist so gewaltig, dass sie schon an Bord vorverarbeitet werden muss. Teile der Verschlüsselungstechnik stammen direkt vom US-Geheimdienst NSA. 2013 diagnostizierte der Bundesrechnungshof ein "folgenschweres Organisationsversagen" der Bundeswehr.
    Die Technik, hört man bei Airbus inoffiziell, sei großartig. Das Projekt sei politischen Intrigen zum Opfer gefallen.
    Marcel Dickow, Drohnen-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik.
    "Wenn man Drohnen im zivilen Luftraum fliegen lassen will, dann muss man politisch dafür sorgen, dass in Europa, innerhalb der EU, die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Das hat die Bundesregierung nicht getan. Sie ist Teil der Gremien, aber sie hat das nicht vorangetrieben."
    Tatsächlich ringt Europa seit Jahren um eine Neuregelung der Luftüberwachung und der Zulassungsverfahren für Luftfahrzeuge. Es gibt zahlreiche Arbeitsgruppen und Gremien.
    "Gleichzeitig stand im Vertrag mit dem Hersteller, mit dem Konsortium, aber drin, dass das System zugelassen werden soll für den deutschen, also damit für den europäischen Luftraum. Und beides geht nicht zusammen."
    Die politischen Voraussetzungen waren genauso wenig gegeben wie die technischen, sagt Dickow. Weil es im transatlantischen Verhältnis hakt. Die USA wollen ihr Knowhow nicht preisgeben.
    "Bei den technischen Voraussetzungen geht es letztlich darum, wer Einblick hat – oder Einblick haben darf in welche Technologie."
    Wie würden Drohnen im europäischen Luftraum kontrolliert?
    Die Tücken bei der Regelung des europäischen Luftraums scheinen geradezu symptomatisch für Europas Drohnenproblem. Auf EU-Ebene gibt es eine Fülle von Arbeitsgruppen, Workshops, eine "RPAS-Nutzergemeinschaft", sogar einen "Club der Drohnennutzer", gegründet in der Runde der europäischen Verteidigungsminister. Auch Deutschland ist vertreten. Die Europäische Verteidigungsagentur und Eurocontrol geben viele Millionen für die Forschung aus, um neue Technologien für die Flugkontrolle zu entwickeln. Doch die EDA sei zahnlos, heißt es in Brüssel wie in Berlin – nur ein "Papiertiger". Weil kein EU-Kommissar, kein Ministerrat, kein politischer Wille, keine Macht dahinter stehe.
    "Wir sind beim strategischen Denken in Deutschland und Europa noch nicht wirklich weit gekommen."
    Sagt ein Brüsseler Experte, der nicht genannt werden will. Die meisten Drohnenplattformen seien "hochwertige Motorsegler". Doch Europas Rüstungsindustrie fühle sich unmittelbar bedroht.
    "Das Knowhow der Kampfflugzeughersteller ist zu 40 bis 60 Prozent über Nacht wertlos geworden. Bedeutungslos. Aber sie müssen noch Kampfflugzeuge über ein, zwei Generationen in der Luft halten."
    Zumal bemannte Kampfjets wie der Rafale, der Eurofighter und der F-35 nagelneu sind. Die Industrie stehe vor einer Umwälzung: Kampfdrohnen seien noch Zukunftsmusik, ein Ersatzbedarf für die aktuellen Jets Jahrzehnte entfernt.
    "Die Kooperation hat früher am besten funktioniert, wenn klar war: Da ist eine quasi endlose Gelddruckmaschine im Hintergrund, sprich: der kalte Krieg. Und jeder, bei den Streitkräften wie bei der Industrie, bekommt sowieso, was er will."
    Nun geraten die Konzerne in die Klemme. Verlangen Garantien der Politik. Weil es nicht mehr genug nationale Aufträge gibt. Die Stückzahlen nicht mehr stimmen. Auf der Website etwa des Rüstungskonzerns Dassault kann man dies – schwach verklausuliert – nachlesen:
    "In den kommenden 20 Jahren steht die europäische Kampfflugzeugindustrie vor drei Herausforderungen: - der Notwendigkeit, strategische Technologie zu entwickeln; - der Notwendigkeit, exzellente Fähigkeiten in Bereichen aufrechtzuerhalten, in den die europäische technische Kompetenz und Kernkompetenzen erobert hat; - das Ziel, den europäischen Designbüros Arbeit zu geben."
    "Die Entwicklung von Drohnen in Europa ist ein perfektes Beispiel für die Nicht-Funktionalität der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es ist trotz jahrelanger Bemühungen, trotz vorhandener Institutionen für solche Bemühungen, trotz vieler Gespräche nicht gelungen, zwischen den einzelnen Regierungen zu verhandeln, was man eigentlich will und wer das dann bauen soll."
    Fieberhaft versucht die Industrie, immer neue Projekte anzuschieben. Anfang 2012 präsentierte etwa der französische Konzern Dassault nach fünf Jahren Tüftelei ein erstes Modell der Tarnkappendrohne NeuroN. Dassault-Technikchef Didier Gondoin zeigte sich vor einer Menschenmenge mit den Flaggen der beteiligten Staaten: Italien, Schweden, Spanien, Griechenland und die Schweiz. Gelenkt wird das Projekt von der französischen Rüstungsbeschaffungsagentur DGA. Es scheint bislang eher symbolisch.
    Eine Drohne des Typs UCAV (unmanned combat aerial vehicle) nEUROn
    Eine Drohne des Typs UCAV (unmanned combat aerial vehicle) nEUROn (afp/Bertrand Langlois)
    Und ist nicht der einzige europäische Versuch. Frankreich und Großbritannien arbeiten gemeinsam am ersten unbemannten, vollautomatischen europäischen Kampfjet UCAV. 2009 fanden erste Flugtests auf der kanadischen Goose Bay Airforce Base statt. Doch die Mittel sind beschränkt.
    "Das eine ist, dass die Bedarfsträger – die Armeen und die Politik, die dahinter steht – immer noch national denken und sich immer noch ihre nationale Industrie als ihr Eigentum halten wollen. In Frankreich sehr viel stärker als in Deutschland. Aber auch in Deutschland immer noch ausgeprägt. Das andere ist das Fehlen einer Kultur der Kooperation im militärischen Bereich in Europa. Es ist für viele einfach unvorstellbar, sich abhängig zu machen von anderen Partnern im Rahmen der EU oder im Rahmen der NATO. Obwohl wir das in vielen Fällen bereits sind."
    Dassault, Airbus und die italienische Alenia Aermacchi wiederum versuchen seit Jahren, ein deutsch-französisch-italienisches Bündnis für das Projekt MALE2020 zu schmieden. Eine Abkürzung, die für "künftige europäische Drohne mittlerer Höhe und langer Ausdauer" steht. Also eine Art Euro-Reaper. Die drei Konzerne sind bei der Politik wiederholt vorstellig geworden. Zuletzt im Mai 2014, als die drei Konzernchefs eine politische Entscheidung in Berlin, Paris und Rom einforderten. Sie wollen, erst einmal, 60 Millionen Euro. Für die "Definitionsphase".
    Verteidigungsministerin von der Leyen: Drohnen schützen unsere Soldaten
    Tatsächlich aber gibt es bislang nur eine unverbindliche Absichtserklärung zwischen Berlin und Paris vom 12. September 2012 über die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung einer MALE-Drohne. Und allerlei Sondierungen. So traf die neue Staatssekretärin Katrin Suder, eine ehemalige McKinsey-Direktorin, die im Verteidigungsministerium jetzt das Kommando über Ausrüstung und Planung führt, Ende Oktober ihren französischen Widerpart Laurent Collet-Billon, Generaldelegierter für die Bewaffnung der französischen Streitkräfte, zum MALE-Talk. Ergebnisse sind nicht bekannt.
    "Kein anderes Mittel ist so gut geeignet wie eine Drohne, diese Patrouille zu begleiten, aus der Luft zu beobachten, was passiert, und wenn unsere eigenen Soldaten in Gefahr geraten, dann auch zu kämpfen."
    Im Mai 2013 erklärte Bundesminister Thomas de Maizière, fünf unbemannte Luftfahrzeuge der MALE-Klasse sollten der Bundeswehr ab 2016 zu Verfügung stehen. Optional auch bewaffnet. Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen legte sich im Sommer 2014 fest: Wir kaufen Kampfdrohnen.
    "Wenn wir zum Beispiel im Bündnis in eine Friedensmission gehen und Bodentruppen werden angegriffen, dann ist zu ihrem Schutz notwendig, dass eine Drohne, die das ganze Geschehen sieht, für unsere Soldaten dann auch den nötigen Schutz im Angriff bieten kann. Das ist der Auslöser der Entscheidung."
    Als "Zwischenlösung" erwägt das Verteidigungsministerium, den amerikanischen Reaper zu kaufen. Oder die israelische Heron TP. Beides waffenfähige Drohnen der MALE-Klasse. Öffentlich aber hält man sich sehr bedeckt.
    Steuerungseinheit für die Drohne "Watchkeeper"
    Steuerungseinheit für die Drohne "Watchkeeper" (Foto: Tom Schimmeck)
    Auch auf der Drohnenmesse in Bordeaux sind – aus Plastik, Holz und Pappmaché – die Modelle diverser Europa-Projekte zu bestaunen. Dazu einige Soloentwicklungen diverser Firmen mit Namen wie "Watchkeeper" und "HammerHead".
    "Ich kann ihnen sagen: Wir haben nicht die strategische Philosophie, mit dem einen oder anderen Land zusammenzuarbeiten."
    Benoit Dussaugey, Executive Vice-President International von Dassault Aviation.
    "Wir sind ein Industrieunternehmen und machen keine Politik. Wir sind bereit, in Europa mit allen Ländern zusammenzuarbeiten, die gerne kooperieren wollen."
    Wir respektieren das Zögern Deutschlands, sagt der charmante grauhaarige Herr.
    "Als wir begannen, Kampfdrohnen zu entwickeln, hat Deutschland erklärt, dass es auf diesem Gebiet kein Interesse habe. Also haben wir uns anderen Partnern zugewendet. Das ist ganz einfach."
    Bleibt die Frage nach der europäischen MALE-Drohne.
    "Die Drohne, die wir mit Airbus bauen würden, ist eine Überwachungsdrohne. In diesem Stadium ist es keine Kampfdrohne. Oder es wird während der Entwicklung eine Drohne mit je nach Land unterschiedlichen Spezifikationen. Wir respektieren den politischen Willen Deutschlands, keine ... Aber ich will das nicht kommentieren."
    Wird sich das ändern?
    "Ich denke ja. Aber sehr langsam."
    Er scheint sich recht sicher zu sein: Die Politik wird es bald wollen. Der Rüstungsmann hat seit Anfang des Jahrhunderts etliche Allianzen durchprobiert. Er wirkt ein wenig erschöpft. Doch er lächelt.
    "Wenn sie einen Markt gewinnen wollen, müssen immer mehrere Umstände zusammenkommen: ein Bedürfnis, eine Finanzierung und ein politischer Wille. Heute, glaube ich, stehen die Gestirne richtig, um es zu machen. Aber ich respektiere immer das Timing meines Klienten."

    (YouTube-Kanal des US Department of Defense: Zerstörung einer von "Kriminellen" bedienten Raketenabschussrampe in Baghdad am 4. Mai 2008 durch ein UAV - unmanned aerial vehicle -des US-Militärs bzw. Koalitionstruppen)

    Vor der Kaserne 106 steht am Abend eine kleine Schar von Demonstranten, beäugt von einigen recht martialisch aussehenden Polizeibeamten. "Drohnen sind Mordinstrumente" steht auf einem ihrer Transparente. Die Messebesucher würdigen sie keines Blickes.
    Den zweiten Teil des Beitrags, "Der Weg in den automatischen Tod", senden wir am Montag, 12. Januar, um 18:40 Uhr.
    "Der neue Drohnenkrieg" ist Teil einer Kooperation mit ZEIT ONLINE. Dort sprechen zwei Drohnenpiloten der Bundeswehr erstmals über ihre Einsätze in Afghanistan. Thomas Wiegold, einer der Interviewer, betreibt ein Blog, auf dem das Interview ebenfalls erscheint.