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Millimeterarbeit bei der WM?

Zu den Mannschaften, die sich bereits nach dem zweiten Vorrundenspieltag aus dem WM-Turnier verabschieden müssen, zählt auch das Team aus Nordkorea. Die Asiatinnen hatten zuletzt in Dresden gegen die USA verloren, aber angeblich wenigstens auf der außenpolitischen Bühne bedeutsames bewirkt.

Von Grit Hartmann |
    Dresden war zuletzt nicht nur Schauplatz einer brisanten WM-Partie zwischen Nordkorea und den USA, sondern auch Bühne außenpolitisch höchst bedeutsamer Geschehnisse. Die ereigneten sich bei einem Empfang des Bundestags-Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und des Deutschen Fußball-Bundes nach dem Spiel. Und nachzulesen waren sie zuerst in einer Pressemitteilung des WM-Organisationskomitees:
    Demnach äußerte Grünen-Parteichefin Claudia Roth ihre "große Hoffnung auf weitere Begegnungen auf und neben dem Spielfeld" – und "prompt" erwiderte dies Nordkoreas Sportminister Pak Myong Chol. Er würde sich freuen, wenn "ein Frauen-Team aus den USA" nach Nordkorea käme. Aus Sicht von Claudia Roth eine "sensationelle Einladung". So textete das OK unter der Überschrift "Völkerverständigung in Dresden".

    Das Meisterstück von Roth und DFB-Boss Theo Zwanziger wurde über eine Nachrichtenagentur verbreitet. Und die Grüne selbst legte auch nach – im Zeitungsinterview zur "unerwarteten Annäherung" zwischen den USA und Nordkorea. Die sei "Millimeterarbeit", erörterte Roth fachmännisch. Aber in Dresden habe "mehr in der Luft" gelegen "als nur Fußball".
    Pak Sun, dem Sekretär der Nordkoreanischen Botschaft in Deutschland, als Kulturattaché für die WM zuständig, ist die außenpolitische Sensation auch am Donnerstag noch nicht geläufig. Erstaunte Frage:

    "Wer hatte Sie informiert?"

    Indes kommt Herr Pak ziemlich schnell mit der Annäherung seines Staates an die bislang als Staatsfeind geltenden Amerikaner zurecht. Überraschend sei eine solche Einladung selbstverständlich nicht:

    "Warum überraschend? Immer haben wir schon die Dialogbereitschaft vielmals geäußert."

    Der Diplomat erklärt die Einladung so:

    "Im Grundprinzip ist unser Statement, dass wir in allen Bereichen mit USA, ob in Sport, im Fußball enge Kontakte und Austausche entwickeln. Die Einladung – auf natürliche Weise. Das ist – Wie sagt man? – keine Frage, ja? Kann man einladen. Können wir auch hingehen. Aber ob er offiziell eingeladen hat ... Ich denke, da braucht man nicht so genaue Worte zu formulieren."

    Jüngere Erfahrung mit nordkoreanischer Formulierungskunst hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Feist. Wie Claudia Roth gehörte er zur Delegation, die in Pjöngjang die Einladung zur WM überbrachte. Auf seinen Vorschlag hin trainierte die Nationalelf in Leipzig. Mühsam ausgehandelt wurden auch Pressekonferenz, Empfang, Stadtrundfahrt - und dann abgesagt. Feist war nicht in Dresden, meint aber:

    "Wenn es eine offizielle Komponente hätte, dann müsste auch die Botschaft davon wissen, weil, sonst macht das ja keinen Sinn. Ansonsten war’s vielleicht so dahingesagt. Und wer weiß, was dann übersetzt worden ist. Das kann man ja auch schlecht nachvollziehen."

    Patrick Kurth, für die FDP im Bundestag, hat die Dresdner "Völkerverständigung" live erlebt. Er sagt, was Roth und der DFB elegant umschifften: Bei einer Friedensandacht in der Frauenkirche nach dem Spiel war kein einziger Nordkoreaner. Zum Empfang dann schickten die Amerikaner Diplomaten aus der vierten Reihe. Spielerinnen beider Mannschaften? Fehlanzeige. Und die Einladung aus Nordkorea?

    "Eine offizielle Einladung sieht natürlich ganz anders aus, die wird ja nicht während einer Tischrede ausgesprochen. Das muss ja ein bisschen anders geregelt sein. Gerade wenn man keine diplomatischen Beziehungen hat. Und ich glaube schon, dass Nordkorea an einer Aufwertung seines eigenen Landes immer interessiert ist, dafür alle Register zieht, im Militärischen ebenso wie natürlich im Sportlichen."

    Das habe, sagt der Politiker aus Thüringen, Nordkorea ja nun nicht erfunden. Anders als seine grüne Kollegin sieht er auch die Familienzusammenführung zwischen einem Deutschen und seinem nordkoreanischen Vater. Roth pries das Treffen als Verdienst der Fußballdiplomatie. Patrick Kurth:

    "Das ist ja über Jahre hinweg diplomatisch mit kleinsten Tippelschritten vorangekommen. Da hat die Delegation des Deutschen Bundestages vielleicht auch einen ganz kleinen Beitrag geleistet, aber keinen ausschlaggebenden. Das hätte sowieso stattgefunden. Aber auch hier ein Beispiel dafür, dass man dann also unter strengsten Auflagen zwei, drei Leute einreisen lässt für kurze Zeit, aber den Vater selbst nicht nach Deutschland entlässt. Das ist beklemmend, aber zeigt eben auch die wahre Praxis des Regimes – absolute Abschottung, nichts von außen, nichts nach außen. Aber im Ausland gute Miene zum bösen Spiel. Das ist schon schwierig."

    Das weltpolitische Ereignis von Dresden – in Wahrheit ein Propagandastück von der WM-Ehrentribüne. Aus Nordkorea kennt man das. Dort, um im WM-Horizont zu bleiben, konterte auch Kim Jong Il diese Woche die deutsche Fußball-Friedensinitiative: Er drohte dem südkoreanischen Erzfeind mit einem "heiligen Vergeltungskrieg". War derlei Politmarketing aber vom Duo Claudia Roth / Theo Zwanziger zu erwarten? Vielleicht. Auch "Sommermärchen" wollen produziert sein.