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Minderjährige Flüchtlinge
Wie andere EU-Länder Alterstests durchführen

Die CSU will generelle Alterstests für Flüchtlinge einführen. In vielen EU-Ländern gibt es für solche Tests bereits Regelungen. So sind medizinische Alterstests für Flüchtlinge in Schweden etwa freiwillig, in Belgien Pflicht, wenn Dokumente fehlen. Ein Überblick.

Von Karin Bensch-Nadebusch | 04.01.2018
    Drei Jugendliche gehen einen Flur entlang. Sie sind von hinten zu sehen.
    Wie alt ein jugendlicher Flüchtling ist, lassen einige Ländern in Europa in Zweifelsfällen medizinisch bestimmen (dpa / Uli Deck)
    In Belgien gibt es bereits, was in Deutschland diskutiert wird: ein verpflichtender Alterstest für Flüchtlinge, bei denen unklar ist, ob sie minderjährig oder volljährig sind. Getestet wird nur, wer sein Alter nicht belegen kann, zum Beispiel durch Ausweise oder Schulzeugnisse, und, wenn es Zweifel an der Altersangabe gibt. Belgische Ärzte röntgen Zähne, Handgelenke und Schlüsselbeine, um anhand der Knochen das ungefähre Alter der Flüchtlinge zu bestimmen. Ist das Testergebnis nicht eindeutig, wird entschieden, dass es sich bei dem Flüchtling um einen Minderjährigen handelt.
    Auch in Schweden gibt es medizinische Alterstests für Flüchtlinge. Sie sind zwar freiwillig, viele Asylbewerber lassen sich aber darauf ein, weil die Alternative ist, dass ein Behördenmitarbeiter ihr Alter schätzt. Für den Alterstest röntgen Mediziner in Schweden meist Weisheitszähne und Kniegelenke. Der Test kann allerdings nicht ganz genau bestimmen, wie alt eine Person ist. Er zeigt lediglich, ob sie jünger oder älter als 18 Jahre ist. Menschenrechtler kritisieren, dass die Schwankungsbreite dabei viel zu groß ist.
    EU-Länder können selbst entscheiden
    Ärzte wie Johan Berglund sehen das anders. Der Professor an der Technischen Hochschule in der südschwedischen Stadt Karlskrona sagt, es gebe viele positive Reaktionen. Alle wollten eine größtmögliche Rechtssicherheit bei den Tests.
    In Italien sind medizinische Alterstests für Flüchtlinge freiwillig. Sie bestehen vor allem aus Röntgenaufnahmen der Hand oder des Handgelenks. Die EU-Länder können selbst entscheiden, wie sie vorgehen, sagt Anis Cassar vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen auf Malta, abgekürzt EASO. "Unserer Ansicht nach aber sollten die medizinischen Alterstests nicht aufgezwungen werden", fordert Cassar.
    Minderjährige stehen unter besonderem Schutz
    Das Alter ist wichtig für das Strafrecht und die Leistungen für Asylbewerber. Minderjährige stehen unter einem besonderen Schutz. Sie werden intensiver von Sozialarbeitern, Psychologen und Lehrern betreut und leben in speziellen Unterkünften. Sie haben zudem eine deutlich höhere Chance, im Land zu bleiben, als Volljährige. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass Flüchtlinge sich jünger machen als sie tatsächlich sind.
    In Schweden haben Ärzte im vergangenen Jahr rund 8.800 Flüchtlinge untersucht, die sich als Minderjährige ausgaben. Gut 80 Prozent von ihnen wurden als volljährig oder älter eingestuft. Ähnliche Erfahrungen gab es in Österreich. Die Hälfte der rund 4.600 minderjährigen Flüchtlinge, die 2016 einen Asylantrag in Österreich stellte, wurde untersucht. Das Ergebnis: Gut 40 Prozent von ihnen waren älter als ursprünglich angenommen.
    Medizinische Tests als letztes Mittel
    Dennoch: Medizinische Alterstests sollten immer das letzte Mittel sein, weil sie einen Eingriff in die Rechte der jungen Menschen darstellen, meint Anis Cassar vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen.
    "Die Würde und das Wohl der jungen Leute sollten immer an erster Stelle stehen, vor allem, wenn sie bereits traumatische Erfahrungen hinter sich haben. Die Balance zu halten ist sehr schwierig", meint Cassar.
    Die Balance zwischen dem Recht herauszufinden, ob ein Flüchtling minderjährig oder volljährig ist, und den persönlichen Interessen und Rechten des Flüchtlings.