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Mindestlohn
Kommission will sich nicht reinreden lassen

Alle zwei Jahre soll die Mindestlohnkommission künftig darüber entscheiden, wie viel Arbeitnehmer in Deutschland mindestens pro Stunde verdienen müssen. Die Arbeitgeber sind von den ersten Vorschlägen der Kommission deutlich weniger begeistert als Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

Von Gerhard Schröder | 27.02.2015
    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am 5.11.2014
    Freut sich über die Vorschläge der Mindestlohnkommission: Andrea Nahles (SPD) (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Arbeitsministerin Andrea Nahles lobte die Einführung des Mindestlohns als eine der größten Sozialreformen Deutschlands. Ein Gewinn für Beschäftigte, aber auch für ehrliche Arbeitnehmer, die ordentliche Löhne zahlten. Es ist eine Reform, die der ständigen Anpassung bedarf. Eine tragende Rolle soll dabei die neunköpfige Mindestlohn-Kommission spielen, wie Nahles vor der konstituierenden Sitzung betonte:
    "Ihnen alleine obliegt es, künftig zu prüfen, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist. Zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung nicht zu gefährden."
    Derzeit liegt der Mindestlohn bei 8,50 Euro. Zum 1. Januar 2017 soll er erstmals angepasst werden. Bis zum Sommer 2016 muss die Mindestlohn-Kommission einen Vorschlag machen. Reinreden lassen werde sie sich dabei nicht, versicherte der Vorsitzende der Kommission, der frühere Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau:
    "Wir sind völlig weisungsfrei. Denken Sie nicht daran, dass die Bundeskanzlerin oder die Bundesministerin oder der Bundesfinanzminister bei uns anzurufen hat, um zu sagen 'wehe, wenn ihr oder wenn ihr nicht'. So läuft das nicht. Ganz sicher darf ich in aller Namen sagen, das würden wir uns verbitten."
    Alle zwei Jahre soll der Mindestlohn angepasst werden. Die Expertenkommission muss dabei abwägen: Was ist nötig, um die Beschäftigten zu schützen. Und was ist für die Unternehmen verkraftbar, ohne Jobs zu gefährden. Eine knifflige Frage. Orientieren soll sich das Gremium dabei von der Entwicklung der Tariflöhne im Land. Die soll nachgezeichnet, nicht vorweggenommen werden.
    "Eine verantwortliche Aufgabe nicht wegzugucken, sondern die Wirklichkeit in den Griff zu nehmen und pragmatisch, abgewogen vernünftige Vorschläge zu machen."
    Arbeitgeber und Gewerkschaften schicken jeweils drei Vertreter in die Kommission, in der auch zwei Wissenschaftler sitzen, sie sollen beraten, haben aber kein Stimmrecht. Können sich die Tarifpartner nicht einigen, entscheidet die Stimme des unabhängigen Vorsitzenden, Hennig Voscherau.
    "Aber so weit wird es nicht kommen. Wir werden uns sachgerecht anhand der tariflichen Realität sicherlich einigen."
    Doch ganz konfliktfrei dürfte auch die Arbeit in der Kommission nicht verlaufen. Schließlich soll sie die Auswirkungen des Mindestlohns laufend evaluieren, wie es im Gesetz heißt. Aktuelles Streitthema sind die Dokumentationspflichten der Unternehmer, die Frage also, wie genau und für welche Beschäftigte die Arbeitszeiten notiert werden müssen. So soll verhindert werden, dass der Mindestlohn durch längere Arbeitszeiten ausgehöhlt wird, sagt die Bundesregierung. Die Arbeitgeber dagegen fürchten überbordende Bürokratie. Voscherau hielt dagegen:
    "Kein Steuerzahler, jedenfalls keiner, den ich kenne, beschwert sich ja über den Bürokratieaufwand, der Sammlung von Unterlagen ein Jahr lang und der Aufstellung seiner Steuererklärung. Warum? Weil er weiß, das muss eben sein. Und warum sollte das hier prinzipiell anders sein."
    An dieser Stelle machten die Arbeitgebervertreter ein wenig begeistertes Gesicht. Die Arbeitsministerin dagegen strahlte, verabschiedete sich und entließ den Mindestlohn in die Unabhängigkeit.